Er muss sitzen. Und trotzdem noch die Freiheit bieten, die zum Erledigen seiner Aufgaben notwendig ist. Eben fast so wie ein bequemes Kleidungsstück, wie eine zweite Haut. Was für das persönliche Outfit gilt, ist beim Reifen für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge nicht anders. Dem Anlass angemessen muss die Bereifung stets sein. Auch wenn mancher Landwirt seine Ansprüche an den idealen Reifen ganz anders auf den Punkt bringen würde: Er muss schwarz und rund sein – und er muss laufen.
Reifenwahl entscheiden für Kraftstoffverbrauch und Bodenschonung

Hinter der Wahl für den optimalen Reifen steckt aber so viel mehr. Ein auf den Boden angepasster Luftdruck, eine große Aufstandsfläche und eine möglichst geringe Einsinktiefe der Reifen sind drei Möglichkeiten, um den Boden zu schonen und zugleich Dieselkraftstoff in erheblichem Maße zu sparen. Je geringer der Schlupf und desto höher die Zugkraftübertragung ist, desto effizienter kann die Maschine agieren. Ein Mähdrescher bringt durchaus 27 Tonnen auf die Waage, ein Rübenroder sogar bis zu 60 Tonnen. „Die Wahl des richtigen Reifens kann eine Schonung des Bodens positiv beeinflussen und gleichzeitig die Erträge steigern“, weiß Jens Friedrich von der Pneuhage-Unternehmensgruppe.
Der richtige Reifendurck bestimmen - mit Tabelle und Apps
Bevor die Arbeit auf dem Acker startet, sollten Landwirtinnen und Landwirte die Fahrzeuglast ermitteln, um den richtigen Reifeninnendruck wählen zu können. Hilfreich sind dabei technische Datenblätter der Reifenhersteller oder Apps, die die Eigenschaften des Reifens mit der Ladung des Fahrzeugs abgleichen und so den besten Reifendruck ermitteln. Das ist wichtig, denn durch einen angepassten Reifendruck verändert sich die Aufstandsfläche der Reifen. Damit kann das Gewicht des Fahrzeugs auf eine größere Fläche verteilt werden. Diese Wirkung zeigt sich ganz besonders bei schweren ackerbaulichen Bedingungen wie beispielsweise Nässe: Senkt man dann den Reifendruck, erreicht das Fahrzeug eine größere Haftung und kann effizienter arbeiten. Zugleich haben die Reifen weniger Rollwiderstand und das Risiko der Bodenverdichtung verringert sich.
Für Traktoren gilt: Reifenschlupf erwünscht, Selbstreinigung wichtig
Neben einem geringen Rollwiderstand und weniger Risiko für Bodenverdichtungen soll auch der Schlupf minimiert werden. „Grundsätzlich kann bei einem Schlupf von etwa zehn bis 15 Prozent die gesamte Traktion gut übertragen werden“, erläutert Jens Friedrich. Um die Zugkraftübertragung möglichst optimal zu gestalten, sollte die Stollenhöhe angepasst sein. Das sorgt für eine bessere Drehmomentübertragung und für weniger Schlupf. Ebenfalls wichtig: Eine gute Selbstreinigung. Dies kann ebenfalls positiv durch einen niedrigeren angepassten Luftdruck beeinflusst werden. Da somit das Ausfederungsverhalten des Reifen gestärkt wird, kann dieser den aufgenommenen Boden besser „auswerfen“.
Traktoren mit Anhänger oder Anbaugeräten: Produktivität des Gespanns betrachten

Bevor man sich neue Pneus anschafft, sollte man genau überlegen, welche Anbaugeräte man an seinem Traktor nutzen möchte. „Es ist wichtig, die Produktivität des gesamten Gespanns zu berücksichtigen“, rät der Reifen-Experte. Die nächste Frage, die man sich selbst beantworten sollte, ist die nach dem Einsatzzweck. Ist der Schlepper vor allem auf dem Hof im Einsatz oder doch eher auf dem Feld? Wer beispielsweise vergleichsweise weite Wege zu seinen Schlägen zurückzulegen hat, setzt seine Reifen durch das Fahren auf asphaltierten Straßen einem eher höheren Verschleiß aus. Das bedeutet: „Für reine Feldarbeiten sind weichere Reifen besser geeignet, weil sie den Boden schonen und für eine bessere Traktion sorgen“, erläutert Jens Friedrich. Eine besondere Gummimischung und ein anderes Profil hingegen würden gegen vorzeitigen Verschleiß helfen, wenn man mehr auf Straßen unterwegs sei.
Haltbarkeit von Traktorreifen: Fahrverhalten beeinflusst
Auf Qualität kommt es in jedem Fall an: „Die Haltbarkeit von Reifen hängt von ihrer Bauweise ab, lässt sich aber auch durch das eigene Verhalten beeinflussen. Wer nicht überlädt, mit korrektem Reifendruck und angemessener Geschwindigkeit fährt, hat das selbst in der Hand“, sagt Jens Friedrich.
Diese Reifen für die Landwirtschaft gibt es

An der Profilgestaltung lassen sich die unterschiedlichen Reifentypen am besten erkennen: Es gibt Front-Reifen mit einem Längsrippen-Profil, die für die Vorderachse von Traktoren ohne Allrad-Antrieb geeignet sind. Sie weisen gute Lenkeigenschaften auf. Implement-Reifen wiederum sind an Hängern montiert, tragen Gewicht, aber übertragen keine Zugkraft. Flotation-Reifen sind groß, breit und weisen ein hohes Luftvolumen und eine gute Tragfähigkeit auf. Sie werden meist auf schweren, gezogenen Geräten verbaut und sorgen für eine optimale Bodenschonung. Trieb- oder Treibradreifen sind auf Traktoren und Selbstfahrern montiert, übertragen die Zugkraft und reinigen sich gut selbst.
Was sind VF-Reifen und was für Vorteile bieten sie?
Neben dem Standardreifen gibt es IF (Improve Flexion)- und VF (Very Improve Flexion)-Reifen, die bei gleichem Reifenfülldruck 20 beziehungsweise 40 Prozent mehr Last als ein Standard-Pneu tragen können. Das führt zu weniger Schlupf und Bodendruck und damit auch zu einer geringeren Bodenverdichtung, da die Reifenaufstandsfläche entsprechend größer ist.
Kann man die Qualität von Traktorreifen von außen erkennen?
Wer sich einen Reifen anschaut, kann den Qualitätsunterschied auch mit geübtem Auge nicht sofort sehen. Denn es kommt vor allem auf sein Innenleben an – auf die Bauweise und die Zusammensetzung der Gummimischung. Wer es ganz genau wissen will, kann sich an seinen Reifhändler wenden. Für eine erste Selbstanalyse kann man aber zunächst folgende Tipps beherzigen: Unterschiedliche Stollenbreiten und viele Stollenkanten sorgen für eine gute Traktion. Sind die Stollen breit, groß und niedrig, schonen sie den Boden und damit auch den Pflanzenbestand. Überlappen sich die Stollen in der Mitte der Lauffläche, weisen die Reifen auf der Straße ein stabiles Fahrverhalten auf. Schaut man sich die Beschriftung des Reifens an, liest man dort nicht nur dessen Größe, sondern auch den Last- und Geschwindigkeitsindex. Nicht zu vergessen: Die Reifen- und die Fahrzeugbreite sollten genau gemessen werden, damit sie auf jeden Fall den Vorgaben der Straßenverkehrsordnung entsprechen.
Hier ist Ihre Meinung gefragt
Werden Sie Teil unserer Community und diskutieren Sie mit! Dazu benötigen Sie ein myDLV-Nutzerkonto.