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Wasserstoff für Traktoren: Was kann der alternative Treibstoff?

New Holland ist schon sehr lange im Bereich saubere Antriebskonzepte unterwegs: Der Methangas-Traktor T6.180 Methan Power ist bereits serienreif.
am Montag, 15.05.2023 - 05:00 (Jetzt kommentieren)

Bei der Antriebstechnik der Zukunft wird neben der Elektromobilität immer auch der Wasserstoff als Treibstoff der Zukunft genannt. Welche Konzepte bietet hier die Landtechnikbranche? Welche Vor- und Nachteile hat Wasserstoff?

Gehören qualmende und laute Motoren bald der Vergangenheit an? Gibt es eine emissionsfreie Zukunft auch bei Traktormotoren, die nur ein bisschen Wasser produzieren und auch noch lautlos sind? Wenn am Traktor, Teleskop- oder Hoflader am Auspuff nur Wasser und keine Schademissionen rauskommen, ist das reine Zukunftsvision. Dabei muss man fairerweise auch feststellen, dass die modernen Dieselmotoren mit diversen Abgasreinigungssystemen die Schademissionen schon drastisch reduziert haben. Aber gerade für PS-starke Maschinen ist ein Batteriebetrieb in der Praxis nicht sinnvoll umsetzbar.

Daher sind fast alle Motorenhersteller nicht erst nach dem „Verbrenner-Aus“ von der EU auf der Suche nach Alternativen. Eine Reihe von Projekten, Prototypen und auch schon serienreife Konzepte wurden in der letzten Zeit vorgestellt. Dabei zielen alle Motorenentwickler auf den Wasserstoff-Verbrennungsmotor und nicht auf die Brennstoffzelle.

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Motor: So funktioniert ein Wasserstoff-Verbrenner

Ein Wasserstoffverbrennungsmotor (kurz Wasserstoffmotor) ist ein Verbrennungsmotor, der mit Wasserstoff als Kraftstoff betrieben wird. Er wandelt chemische Energie in mechanische Arbeit und Wärme um. Grundlage ist die Knallgasreaktion (Verbrennung von Wasserstoff) in einem Hubkolben- oder Rotationskolben-Verbrennungsmotor. Meist werden Hubkolbenmotoren eingesetzt, die nach dem Ottoprinzip arbeiten, aber es gibt auch Wasserstoffverbrennungsmotoren, die nach dem Dieselprinzip arbeiten. Der Wirkungsgrad des Wasserstoffmotors liegt zwischen dem des konventionellen, mit Benzin betriebenen Ottomotors und dem des Dieselmotors.

Unterschied zwischen Wasserstoffmotor und Brennstoffzelle

Der Wasserstoffverbrennungsmotor ist nicht zu verwechseln mit dem Antriebssystem Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzelle und Elektromotor. In einer Brennstoffzelle reagiert ein kontinuierlich zugeführter Brennstoff (zum Beispiel Wasserstoff) mit einem Oxidationsmittel (wie Sauerstoff aus Luft). Dabei entstehen Wasser, Strom und Wärme. Diese elektrochemische Reaktion wird auch als „kalte Verbrennung“ bezeichnet und ist besonders effizient.

Der Nachteil von Wasserstoff-Brennstoffzellen sind die recht hohen Materialkosten für die Herstellung der Katalysatoren. Außerdem ist der Wirkungsgrad dieser Art von Systemen geringer als bei der Energiespeicherung in Batterien.

Wasserstoffverbrennungsmotoren: Prototypen und serienreife Modelle

Wasserstoff-Prototyp von Fendt: Der Landtechnikhersteller beteiligt sich am Modellprojekt „H2Agrar“ zur Erforschung einer Wasserstoffinfrastruktur für eine landwirtschaftliche Nutzung.

In Bezug auf alternative Antriebstechnik ist aktuell die gesamte Landtechnikbranche im Umbruch. Mit Hochdruck wird an Alternativen zum fossilen Verbrenner gesucht. Wasserstoffmotoren könnten dabei die Zukunft sein. Unter 100 PS und im hofnahen Einsatz kommen zunehmend Modelle mit E-Motoren bereits zum Einsatz. Bei allen anderen Arbeiten jedoch braucht es die Leistungsdichte des flüssigen Treibstoffes. Hier einige Beispiele von Konzepten bis hin zu Prototypen bzw. angekündigten serienreifen Wasserstoffverbrennungsmotoren.

  • New Holland ist schon sehr lange im Bereich saubere Antriebskonzepte unter dem Slogan „Clean Energie Leader“ unterwegs. Zunächst vor über zehn Jahren mit Prototypen von Methangas-Traktoren. Mittlerweile ist der T6.180 Methan Power serienreif. New Holland stellte erst vor kurzem den LNG-Traktor vor, der tankt flüssiges Biogas. Kürzlich wurde auch der Wasserstofftraktor T5.140 vorgestellt mit entsprechendem großen Aufbau von Wasserstofftanks auf dem Dach. Die Schriftzüge H2-DualPower und H2-Gas deuten darauf hin, dass der Traktor mit Diesel und mit Wasserstoff betrieben werden kann. New Holland kündigte zudem den NH²™-Traktor an. Er ist mit einem Wasserstofftank und Brennstoffzellen ausgestattet, die den Strom für die Elektromotoren erzeugen. Die Elektromotoren liefern die Antriebsenergie für die Maschine und Geräte.
  • Die Firma Deutz kündigte bereits Ende 2021 den TCG 7.8 H2, ihren ersten Wasserstoffmotor an. Der Motor hat den von der EU vorgegebenen CO2-Grenzwert für Null-Emission erfüllt. Die Serienproduktion des Motors plant Deutz für 2024. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Infrastruktur seien vorerst Einsätze in den Bereichen stationäre Anlagen, Generatoren sowie im Schienenverkehr vorgesehen.
  • Auch JCB arbeitet an alternativen Antriebssystemen und bringt einen mobilen Wasserstoff-Tank auf den Markt. Ende 2022 hat JCB als weltweit erstes Unternehmen wasserstoffbetriebene Baumaschinen entwickelt. Nun geht man nun noch einen Schritt weiter und bringt ein Fahrzeug mit einem Wasserstoff-Tank auf den Markt, mit dem wasserstoff-betriebene Fahrzeuge vor Ort betankt werden können. JCB hat mit einem Bagger und einem Teleskoplader bereits zwei Modelle mit Wasserstoffantrieb präsentiert.
  • Erst kürzlich wurde beim Wasserstoffgipfel der bayerischen Regierung der Wasserstoff-Prototyp von Fendt erstmals öffentlich gezeigt. Fendt beteiligt sich gemeinsam mit anderen Partnern am Modellprojekt H2Agrar in Niedersachsen zur Erforschung einer Wasserstoffinfrastruktur für eine landwirtschaftliche Nutzung. Im Modellprojekt werden erstmalig Prototypen eines wasserstoffbetriebenen Traktors ganz regulär auf landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt. Dafür lieferte Fendt im April 2023 seine zwei Prototypen der ersten Generation an landwirtschaftliche Betriebe aus.
  • Der Teleskopladerhersteller Manitou ist ebenfalls am Thema alternativer Antrieb dran und präsentiert einen Teleskoplader mit Wasserstoffantrieb. Ebenso geht Liebherr mit großen Schritten in die Zukunft. Wasserstoff wird als eigener Treibstoff direkt im Motor vorangetrieben. Erste Wasserstoff-geeignete 4- und 6-Zylinder Prototypen wurden bereits vorgestellt. Mit der Serienproduktion will man spätestens 2025 beginnen. Geforscht wird zeitgleich auch an alternativen Kraftstoffen.
  • Den künftigen Verbrennungsmotor sieht man auch bei Motorenbauer Rolls-Royce als Gasmotor mit Wasserstoff als Treibstoff. Derzeit entwickelt Rolls-Royce solche Motoren für die stationäre Energieerzeugung. 2024 sollen erste Wasserstoffmotoren auf Grundlage des Gasmotors von MTU ausgeliefert werden. Parallel dazu sollen auch Umrüstkits für bereits im Einsatz stehende MTU-Gasmotoren entwickelt werden.

Wie klimafreundlich sind E-Fuels?

Darüber hinaus versuchen die Motorenhersteller den Dieselmotor noch effizienter mit noch weniger Schademissionen und eventuell für E-Fuels zu optimieren. Die jüngste Einigung auf EU-Ebene, mit E-Fuels betriebene Verbrennermotoren auch nach 2035 zuzulassen, macht die Investition in E-Fuels zukunftssicherer. Aber können synthetische Kraftstoffe fossile Kraftstoffe ersetzen und tragen sie aufgrund der energieintensiven Herstellung tatsächlich zum Klimaschutz bei?

Flüssigtreibstoff bleibt wohl noch einige Zelt das Maß der Dinge, ob nun fossiler Diesel, E-Fuel oder Wasserstoff. Die Herausforderung beim Wasserstoffantrieb wird sein, dass der notwendige Kraftstoff für einen Arbeitstag derzeit nicht auf den Fahrzeugen zu ausreichenden Mengen gelagert werden kann.

E-Fuels werden auch als „Power to Liquid“ oder „Power to gas“ bezeichnet, da sie durch die Umwandlung von Strom in Wasserstoff oder Kohlenwasserstoff entstehen. Ein Vorteil der E-Fuels ist, dass sie sich relativ leicht in herkömmlichen Verbrennungsmotoren einsetzen lassen könnten: Somit stellen sie eine Alternative zu Diesel und Benzin dar.

E-Fuels können den CO₂-Ausstoß im Straßenverkehr reduzieren und somit zum Klimaschutz beitragen. Zurzeit sind E-Fuels noch relativ teuer und - sofern sie in Deutschland hergestellt werden - aufgrund des hohen Energieaufwands bei der Herstellung im deutschen Energiemix nicht 100 % klimaneutral. Ein weiterer Nachteil von E-Fuels ist deren schlechterer Wirkungsgrad. Das liegt an Energieverlusten bei der Umwandlung von elektrischem Strom in synthetischen Kraftstoff. Deshalb ist der Bedarf an erneuerbarer Energie für die Produktion höher, als würde man den Strom direkt zum Laden eines E-Autos verwenden.

Vor- und Nachteile von Strom und Wasserstoff

Hier kurz und kompakt die Vor- und Nachteile von Wasserstoff- und E-Fahrzeugen:

  • Wasserstoff herzustellen ist energieintensiv und der Einsatz in Fahrzeugen (noch) wenig effizient.
  • Mit Wasserstoff lassen sich größere Strecken zurücklegen und es sind kleinere und leichtere Akkus möglich. Das ist gut für den Fernverkehr oder Traktoren, aber auch für Schiffe oder Flugzeuge.
  • Wie klimafreundlich Strom und Wasserstoff sind, hängt von der Herstellung ab, derzeit ist die Stromproduktion noch klimafreundlicher, da bereits häufig aus erneuerbaren Energien.
  • Im alltäglichen Verkehr in der Stadt sind E-Autos deutlich effizienter.

Während Elektrofahrzeuge die Straßen zunehmend erobern, reicht die Batteriekapazität für den Einsatz in der Landwirtschaft häufig nicht aus. Lediglich für Traktoren mit weniger als 50 kW gibt es bereits heute elektrifizierte Modelle. Der Vorteil von Dieselkraftstoff ist, dass er eine sehr hohe Energiedichte besitzt. Erneuerbaren Kraftstoffe aus hydrierten Pflanzenölen sind mit vielen Dieselmotoren kompatibel. Sie arbeiten zwar nicht CO₂-neutral, kommen aber in die Nähe eines neutralen Betriebs. Alternative Kraftstoffe der Zukunft wie Wasserstoff, Ethanol, Methanol, Biogas sowie elektrische Hybridanwendungen stellen neue Anforderungen an einen Motor.

Nachhaltige Biokraftstoffe wie Pflanzenöl oder Biodiesel sind kurzfristig in diesem und auch noch im nächsten Jahrzehnt die einzige Möglichkeit, die CO₂-Emissionen der mobilen Landmaschinen signifikant zu senken. Dabei spielt die Krisensicherheit der Landwirtschaft eine wichtige Rolle: Sie kann die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern erhöhen und die Wertschöpfung im ländlichen Raum verbessern.

Mehr über alternative Antriebe sowie die Chancen von HVO (hydriertem Pflanzenöl), das in vielen anderen Ländern schon als Alternative oder Beimischung zu fossilem Diesel getankt wird, erfahren Sie in der Juni-Ausgabe der agrarheute.

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