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Mein Urteil zum Landwirtschafts-Simulator 22: Grafik top, Helfer Flop

Screenshot vom Landwirtschaftssimulator
am Samstag, 11.12.2021 - 06:00 (Jetzt kommentieren)

Wir haben den neuen Landwirtschafts-Simulator 22 von der Schweizer Firma Giants für euch getestet, doch taugen die so groß angekündigten Änderungen und neuen Features überhaupt was? Auf jeden Fall gibt es noch sehr viel zu verbessern und somit können wir uns auch schon kurz nach Release wieder auf eine neue Version freuen.

Am 22. November ging der Landwirtschafts-Simulator 22 auf allen Plattformen online; Spieler auf der ganzen Welt sind fleißig zugange. Auch wir haben einige Stunden für euch im LS22 verbracht und sind zu einem vernichtenden Fazit gekommen. Es gibt gutes und schlechtes - doch was überwiegt, ist die Frage.

LS22: Was kann der neue Landwirtschafts-Simulator 22?

Fangen wir also ganz vorne an, es wurden unter anderem Grafikverbesserungen angekündigt und gerade bei der Ballenphysik hat sich sehr viel getan. Man kann nämlich Rundballen verschiedener Größen pressen, welche sich dann natürlich auch im Aussehen unterscheiden, zum Beispiel erkennt man mittlerweile sogar einzelne Stroh- bzw. Heufasern an den Ballen. Das ist vor allem für Realismus-Freunde ein nettes Gimmick, um noch mehr Details der wahren Landwirtschaft miterleben zu können.

Doch die wahre Grafikveränderung vom LS19 zum LS22 bringen wohl die neuen Bodentexturen und Animationen mit sich, welche sich natürlich hauptsächlich bei der Feldarbeit bemerkbar machen, was schon bei der Aussaat losgeht. Dort wird bei der Sätechnik unterschieden. Nach der Maisaussaat erscheint zum Beispiel eine andere Textur als bei der Weizenaussaat. Gleiches gilt für die Ernte: nach der Maisernte erscheinen wesentlich realistischere Maisstoppeln und nach der Weizenernte deutlich erkennbare Getreidestoppeln.

Außerdem wurde infolgedessen die gesamte Feldarbeit teils neu strukturiert und überarbeitet. Somit gibt es mittlerweile eine mehr oder weniger feste Struktur bei der Bodenbearbeitung, was vor allem die Realismusfreunde freut. So kann zum Beispiel durch Arbeiten wie Mulchen der Stoppeln eine fünfprozentige Ertragsteigerung gewährleistet werden oder durch das Walzen der Wiesen eine Düngestufe erreicht werden. Alles Dinge, die eigentlich recht banal klingen, doch im Landwirtschaftssimulator einen großen Unterschied für das Spielerlebnis machen, denn in der Vergangenheit glänzte der LS nicht wirklich mit großem Bezug zur realen Landwirtschaft.

LS22: Der Bezug zur Praxis wird realistischer

Es ist vielleicht noch ein wenig übertrieben wegen ein paar Texturveränderungen von echter Landwirtschaft zu sprechen, doch für unsere Gamer-Gemeinde mit wenig bis gar keinem Bezug zur Landwirtschaft macht es einen großen Unterschied, um die Vorgänge und die Arbeit draußen bei den Landwirten besser zu verstehen. Und natürlich sollte auch bei den Gamern der Spaß nicht zu kurz kommen, weshalb Giants sich wohl auch massive Gedanken über die Überarbeitung der Fahrzeuge gemacht hat. Vor allem selbstfahrende Arbeitsmaschinen wie Mähdrescher, Häcksler oder Rübenroder klingen im neuen LS wesentlich realistischer und wirklich echt gut - was man zugeben muss. Dadurch bekommt die Floskel „Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Hubraum“ eine ganz andere Bedeutung. Auch für digitale Landwirte.

Leider ist bei den Fahrzeugen, wie Traktoren oder LKWs nicht so viel Herzblut investiert worden, denn der Unterschied von den kleinen 100 PS-Vierzylinder-Schleppern zu den großen 200 bis 700 PS Sechszylindern ist leider nichts für Soundverrückte. Dafür toppt Giants in diesem Bereich mit Dingen wie konfigurierbaren Kennzeichen oder der Gangschaltung, was vor allem bei den Youngtimern seine Freunde finden sollte. Der Charme sein hofeigenes Kennzeichen auch im LS zu verwenden, sollte sowohl jung als auch alt packen.

Auch ein nettes, jedoch schon aus dem Landwirtschafts-Simulator 19 bekanntes Detail, sind die Seasons oder auf gut Deutsch Jahreszeiten. Die Möglichkeit seinen Hof monatsgebunden, wie im realen Leben zu betreiben, ist mit Sicherheit ganz charmant, jedoch muss jeder für sich entscheiden, ob man an den Kalender gebunden seine Feldarbeit erledigen will. Im Frühjahr Mais und im Herbst Getreide säen sowie im Sommer Getreide und im Herbst Mais ernten, bringt auch seine spielerischen und ackerbaulichen Herausforderungen mit sich. Dafür hat Giants eine Lösung: Die Deaktivierung der Jahreszeiten oder die Einstellung der Monatslänge sowie die Einstellung des saisonalen Wachstums der Pflanzen oder sogar die Pausierung des Pflanzenwachstums, was für den ein oder anderen Spieler sicher eine nette Möglichkeit ist, seinen Betreib in Arbeitsspitzen auszubremsen.

LS22: Die Helfer erhalten eine künstliche Intelligenz

Das mit Sicherheit spannendste, am längsten geheim gehaltenen und verbesserten Feature im Landwirtschafts-Simulator 22 sind die Helfer. Auf seine durch KI (künstliche Intelligenz) verbesserten und somit lernfähigen Helfer ist die Schweizer Firma besonders stolz. Man muss auch zugeben: Da haben sie in manchen Punkten wirklich gute Arbeit geleistet. Beispielsweise kann man dem Helfer mittlerweile ein Ziel vorgeben, bei welchem er selbstständig, je nach Auftrag, die gewünschte Arbeit verrichtet, wie etwa der Feldarbeits-Modus oder das Laden und Liefern von Gütern wie Getreide oder Mais. Leider muss man bei den Helfern anmerken, wirklich gut sind sie noch lange nicht, denn gerade bei schiefen Feldern tun sie das, was sie schon immer gut konnten, nämlich viel zu früh die Arbeit beenden, das Feld einfach nicht erkennen oder mal wieder hier und da ein Stück unbearbeitetes Feld stehen lassen. Natürlich nur, damit unsere Gamer beim Spielen nicht unterfordert werden und somit wie in echt ihren Helfern trotz allem noch hinterherrennen dürfen. Versteht sich von selbst, dass Giants uns keine minderwertigen Helfer im neuen LS geben würde.

Auch das regelmäßige Festfahren an irgendwelchen Bäumen, Laternen oder Sträuchern dient natürlich nur der Unterhaltung des Gamers und ist selbstverständlich absolut so gewollt - naja oder auch nicht - aber einen Lacher aufgrund eines Helfers hatte wohl jeder Fan des Landwirtschaftssimulators schon einmal. Also sind unsere Helfer wohl doch zu was gut. Aber genug zu unserer lustigen oder auch nervigen ingame Unterhaltung.

Release: Server sind nicht auf Ansturm ausgelegt

Leider gibt es neben den so witzigen oder auch wirklich gut gemachten Dingen auch eine lange Liste zum erneuten Überarbeiten für Giants, denn das Problem, dass die Multiplayer-Server dauernd abstürzen und die Spieler teils auch wahnsinnige Schwierigkeiten beim Spielen miteinander haben, ist leider einfach nur traurig. Nach mittlerweile 8 Landwirtschaftssimulator-Teilen sollten sie nämlich zumindest ihre Server endlich auf die Reihe bekommen. Auch bei den Download-Servern gibt es immer noch massive Schwierigkeiten und das, nach der Ankündigung, dass alle Server problemlos laufen sollen, was besonders am Release-Tag vielerorts für massiven Frust bei den Spielern sorgte.

 An den ersten paar Tagen nach dem Erscheinen funktionierte erstmal so gut wie gar nichts. Alle Server waren andauernd vom Netz oder die Downloadleistung war selbst bei der besten Glasfaserverbindung vergleichbar mit der aus der Steinzeit. Somit hielt sich die Freude bei vielen in Grenzen und das Spiel konnte leider erst ein paar Tage nach Release gestartet werden. Die verlorene Zeit sollte man in den Jahren bis zum nächsten LS mit Sicherheit locker aufholen können und bis dahin sollte das Spiel immerhin auch einigermaßen rund laufen. Außerdem hat es auch einen Vorteil, wenn die Server nicht laufen: Es besteht keinerlei Gefahr süchtig zu werden! Somit gibt es selten einen Schaden, der keinen Nutzen hat.

Traktoren, Anhänger und Anbaugeräte: Hersteller fehlen

Doch bedauerlicher Weise ist mir der Nutzen der nahezu unveränderten Grafik im Vergleich zum LS19 bis jetzt noch nicht ersichtlich geworden. Man kann ja sagen was man will, die Fahrzeuge und Maschinen hätte man definitiv besser machen können. Klar frisst das Spiel dann noch mehr Leistung, aber das bisschen wäre wohl noch zu verkraften, denn in dieser Hinsicht wird wohl jeder LS-Spieler enttäuscht.

Wer sich auf neue besser aussehende Maschinen gefreut hat, muss sich wohl noch gedulden. Zum Glück wird es irgendwann wieder einen neuen LS geben, dann auch mit mehr Geräten, denn die Auswahl vor allem bei wichtigen namenhaften Marken wurde irgendwie begrenzt. Hersteller wie Valtra, Steyr oder Deutz sind wahrhaft nur sehr spärlich vertreten. Dies mag ja für den ein oder anderen kein Problem sein, doch irgendwie gehören zu einem Landwirtschaftssimulator schon auch die Großen unter den Herstellern.

Natürlich muss man zugeben, dass Giants versuchte dies mit anderen Geräten auszugleichen. Im Bereich Gülle oder Überladewagen ist mehr als genug Auswahl vorhanden, auch bei manchen Kategorien der Bodenbearbeitung kann man sich schnell mal satt sehen. Man kann sagen, was man will, eine etwas größere Auswahl an Case, Steyr oder Deutz hätte wohl niemandem geschadet, denn zum realen Markt gehört eben auch mal was anderes als nur Fendt oder John Deere.

Auch bei den Häckslern hatte Giants wohl nicht die Spendierhosen an, denn mit dem Fendt Katana als kleinstem Häcksler wurde hier doch mehr Luft gelassen als nötig ist - und vor allem als wünschenswert ist.

Eine echte Neuheit beim Landwirtschafts-Simulator 22: Bauen

Luft lassen kann man vor allem beim Errichten von Gebäuden im neuen Baumodus, welchen man durchaus als neu bezeichnen kann. Mit dem alten Verfahren aus dem LS19 hat er nicht mehr viel gemeinsam. Bei der Bedienung hatte Giants wohl einen Clown gefrühstückt, denn ohne ein Youtube-Tutorial wagen sich hier wohl nur die wenigsten ran. Hat man es jedoch einmal raus, kann man wirklich einen schönen Hof erschaffen.

Im Landwirtschafts-Simulator 19 war es ja schon eine halbe Katastrophe eine Rampe zum Stall zu bauen. Oder schlimmer: Falls man auch nur einen Hügel falsch gesetzt hatte, war das Geheule schon groß. Denn um diesen rückgängig zu machen, brauchte man fast einen Architekten. In dieser Hinsicht hat Giants im LS22 wirklich einen Zahn zugelegt. Schiefe und holprige Höfe gehören mit dem Glättungstool der Vergangenheit an. Jedoch kann man die Gebäude nicht mehr in der Höhe verändern, diese passt das Spiel mehr oder weniger gut automatisch an und lässt einen so nach den meisten Gebäudeplatzierungen wohl noch ein paar schöne Stunden im Landschaftsbaumodus verbringen. Was eventuell gar nicht mal so schlecht ist, denn so entdeckt wohl der ein oder andere seine Leidenschaft für den Landschaftsbau und erschafft vielleicht demnächst sogar neue Maps.

Systemanforderungen vom LS22: Rechnerleistung ist gefordert

Auch kann man wohl froh sein, dass sich Giants mit Dingen wie Grafik zurückgehalten hat, denn die aktuellen Systemanforderungen sind schon eine Nummer für sich. Einen Intel-i5-Prozessor und als Grafikkarte mindestens eine GeForce GTX 660 sind Ansagen, mit denen sich der Landwirtschaftssimulator keinesfalls vor der Konkurrenz verstecken braucht. Schließlich hat er auch mit seiner Spielerzahl unter anderem schon BattleField vom Thron gestoßen.

So sollte schon ein kleiner Gaming-Rechner auf dem Schreibtisch stehen, um auch mit einer relativ hohen Einstellung spielen zu können. Für das volle Spielerlebnis, was natürlich eine zusätzliche Belastung für den Geldbeutel darstellt, sollte der Geldbeutel allein durch den Landwirtschaftssimulator schon genug belastet werden: 39,99 € für das Standardspiel und 77,99 € für das Spiel zusammen mit dem Year 1-Bundle ist definitiv eine Ansage, bei der sogar die Hersteller von namenhaften Egoshootern erstmal schlucken müssen. Solch eine Preisdimension für einen Simulator ist mehr als nur ordentlich Kohle. Die vielen zu kaufenden Erweiterungen sind für manch einen Spieler bestimmt ein herber Schock, doch für Fans von Spielen wie GTA sollte dies nichts Neues sein, denn mit Erweiterungen lässt sich seitens des Herstellers eben Geld verdienen. Doch was die Erweiterungen für den Landwirtschafts-Simulator 22 mit sich bringen, ist aktuell noch ein großes Rätsel. Für 39,99 € als separat erhältliche Erweiterung, also genauso viel wie das Spiel an sich kostet, wird man einiges erwarten dürfen. Dann ist es auch nicht mehr verwunderlich, warum im LS aktuell noch so viel fehlt. Egal was kommt, es wird hoffentlich sein Geld wert sein, sonst stehen bei Giants wohl bald digitale Traktoren vor der Tür.

LS22: Das finale Testurteil

Schlussendlich kann man über den Landwirtschafts-Simulator 22 sagen: Die Vorfreude war schon begründet! Mit vielen neuen Features wie den Bodentexturen, den Fahrzeugsounds oder auch den verbesserten Helfern kommt der LS mit einem ordentlichen Paket an neuen spielerischen Herausforderungen. Somit ist für jeden, egal ob Ackerbauer, Viehhalter oder Lohunternehmer, etwas dabei und ein paar schöne Stunden sind garantiert. Egal ob Stadtmensch oder Dorfkind.

Im neuen LS22 sollte sich jeder schnell zurechtfinden und somit steht der Gründung eines digitalen Hofes nichts mehr im Wege. Diesmal würden sogar Landwirte sagen, dass sich Giants Mühe gegeben hat. Natürlich ist kein Spiel perfekt - deswegen ist es ja auch ein Spiel - doch um einen kleinen Einblick in die reale Landwirtschaft zu geben und um jedem Spieler das Gefühl zu ermöglichen einmal Landwirt zu sein, ist der Landwirtschafts-Simulator 22 gerade recht.

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