Die Bedingungen in deutschen Schlachthöfen rufen seit Jahren Kritik von Gewerkschaftern und Sozialpolitikern hervor. Auf einer internationalen Tagung beschäftigte sich die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) am Mittwoch mit den Standards auf den Schlachthöfen und beantwortet Kernfragen zur Arbeit in der Fleischindustrie.
Wie viele Menschen arbeiten in der Fleischindustrie?
Der Verband der Ernährungswirtschaft geht davon aus, dass deutlich mehr als 100.000 Arbeitnehmer in der industriellen Fleischwirtschaft arbeiten. Laut dem Referatsleiter Fleischwirtschaft bei der NGG, Bernd Maiweg, beträgt die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt rund 41.000. In der gesamten Fleischbranche seien rund 170.000 Menschen beschäftigt.
Was wird an den Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen kritisiert?
In der Fleischindustrie setzen Arbeitgeber immer mehr auf Subunternehmer, die Werkvertragsarbeiter einsetzen. Die Industrie argumentiert, so besser auf Produktionsschwankungen reagieren zu können. Die Argumente der Kritiker:
- schlechtere Arbeits- und Lebensbedingungen der oft aus Rumänien
- und Bulgarien kommenden Menschen
- überhöhte Mieten und Tricksereien bei der Arbeitszeit
- Arbeiter müssen unerlaubterweise für ihr Arbeitsgerät zahlen
Laut Gewerkschaft arbeite immer noch rund die Hälfte der Beschäftigten der Schlacht- und Zerlegebetriebe als Werkarbeiter. Bis auf wenige Ausnahmen habe
sich in der Branche in dieser Hinsicht nichts getan, sagt NGG-Sprecherin Karin Vladimirov. Die Gewerkschaft kritisiert:
- In den Kernprozessen der Produktion wird seit Jahrzehnten mit Werkverträgen und Leiharbeitern gearbeitet, die nicht nur Produktionsspitzen abfangen.
- Betriebsräte sind oft nicht für Werkarbeiter zuständig.
- Versuche von Werkvertragsarbeitern, bei ihren Firmen Betriebsräte zu installieren, würden von den Unternehmern unterbunden.
Wie rechtfertigen Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen?
Die Situation der bei Subunternehmern beschäftigten Werkarbeiter habe sich in den vergangenen zwei Jahren spürbar verbessert, sagt der
Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Ernährungswirtschaft, Michael Andritzky:
- überall werde ein Mindestlohn von 8,60 Euro gezahlt
- ein Verhaltenskodex soll unter anderem die Wohnsituation der Werkarbeiter verbessern
- die Branche hat sich die Selbstverpflichtung auferlegt, wonach die Arbeitsverhältnisse der Werkarbeiter auf deutsches Arbeitsrecht umgestellt worden seien.
Andritzky gibt konkrete Beispiele, wo sich die Bedingungen verbessert haben:
- Beim größten deutschen Geflügelfleischproduzent Wiesenhof kontrollieren unabhängige Prüfer die Lohnabrechnungen und Auszahlungsbescheide der Werkvertragsunternehmen im halbjährigen Turnus.
- Die Westfleisch-Gruppe aus Münster hat in den vergangenen Jahren konzerneigene, tarifgebundene Firmen für Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung gegründet. Der hauseigene Mindestlohn bei Westfleisch liegt nach eigenen Angaben sogar bei 9,17 Euro.
- Das relativ kleine Schlachtunternehmen Böseler Goldschmaus aus Garrel will bis Jahresende sämtliche Mitarbeiter in Arbeitsverhältnisse übernehmen, bei denen das deutsche Arbeitsrecht gilt - derzeit arbeiten für die Gruppe rund 1.100 Mitarbeiter, darunter 450 als Werkvertragsmitarbeiter.
Quelle: dpa
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