bpt-Präsident: "EU-weites Antibiotikaverbot wäre ein herber Schlag"


In der EU droht ein Verbot von verschiedenen Antibiotika. agrarheute sprach dazu mit dem Präsident des Bundesverbands praktizierender Tierärzte (bpt), Dr. Siegfried Moder, darüber, was das für die Tiermedizin bedeute könnte.
„Das ist ein herber Schlag für die Tiermedizin.“ So bezeichnet Dr. Siegfried Moder, Präsident des Bundesverbands praktizierender Tierärzte (bpt) die Ablehnung eine Verordnung zum neuen europäischen Tierarzneimittelgesetz. Die EU-Mitgliedsstaaten sind jetzt angewiesen, es ab Januar 2022 umzusetzen. Deshalb musste der Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des EU-Parlaments (ENVI) darüber abstimmen, welche Antibiotika-Wirkstoffklassen nur noch der Humanmedizin vorbehalten bleiben.
Die EU-Kommission legte hierzu einen Gesetzesentwurf vor. „Der Vorschlag der EU-Kommission folgt dem One-Health-Ansatz und beinhaltet unter anderem eine Indikatorenliste, die den Einsatz von Antibiotika in der Human- und Tiermedizin regelt“, erklärt Dr. Siegfried Moder. Die Ausarbeitung dieses Entwurfs dauerte gute 8 Jahre. Der positive Nebeneffekt dieser langen Arbeitszeit: alle stimmten zu. Die Europäische Kommission die Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) sind uneingeschränkt für diesen Vorschlag. Immerhin basiert er auf den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema Antibiotikaeinsatz bei Menschen und Tieren, den Auswirkungen und möglichen Resistenzen.
Wirkstoffklassen stehen vor dem Verbot

Doch einigen Abgeordneten des Ausschusses ging dieser Vorschlag nicht weit genug. Die Antibiotikaklassen – genauer die Wirkstoffklassen der Fluorchinolone, der Cephalosporine der 3.und 4. Generation, der Polymyxine und der Makrolide – sollen komplett aus der Tiermedizin verbannt werden. Das sieht ein Gegenvorschlag zum Entwurf der EU-Kommission vor. Vorangetrieben wurde dieser von Martin Häusling, Mitglied des Europäischen Parlaments und Teil der grünen Fraktion. Die Grünen erhielten im ENVI-Ausschuss mit ihrem Vorschlag die Mehrheit. Der auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Vorschlag der EU-Kommission wurde abgelehnt.
Wie unwissenschaftlich und ideologiegetrieben dieser Vorschlag ist, verdeutlich Dr. Siegfried Moder im Interview mit agrarheute. „Für einige dieser Wirkstoffe der betroffenen Klassen, wie beispielsweise Tylosin, gibt es in der Humanmedizin gar keine Zulassung“, sagt er. „In der Tiermedizin ist dieser Wirkstoff aber unerlässlich. Herrn Häusling scheint das aber egal zu sein.“
Er hat es nun erreicht, dass für diese Wirkstoffklassen ein generelles Anwendungsverbot in der Tiermedizin droht. „Das gilt dann für alle Tiere: Nutztiere, Pferde, Haustiere Heimtiere und besonders auch für die kleinen Haustiere wie Kaninchen und Meerschweinchen“, erklärt Dr. Siegfried Moder. Im Falle der Kleintiere stünden vor allem Medikamente dieser Klassen zur Behandlung bakterieller Infektionen dann nicht mehr zur Verfügung. Aber auch bei anderen Tierarten sei der Einsatz dieser Medikamente im Einzelfall wichtig und nicht zu umgehen.
Therapienotstand für einige bakterielle Infektionen droht
Im Milchviehbereich kommt der Erreger Staphylococcus aureus häufig in Milchviehbeständen vor. „Er zeichnet sich dadurch aus, dass seine verschiedenen Stämme in der Regel recht ausgeglichen nur gegen einen von zwei Wirkstoffen sensibel sind: entweder gegen Penicillin in der Form von Penethamat oder gegen den Wirkstoff Tylosin“, erklärt Dr. Siegfried Moder. Alle betroffenen Tiere, deren Erreger nur gegen Tylosin sensibel ist, könnten in Zukunft nicht mehr behandelt werden. Für viele erkrankte Tiere bleibt dann nur noch das Euthanasie.“ Diese Gedankenspiel lasse sich auch bei anderen Tieren mit anderen Erregern durchspielen, sagt Moder. So können beispielsweise auch Mykoplasmen bei Katzen, eine Zoonose, die auch für Menschen gefährlich ist, nicht mehr behandelt werden. „Auch im Heimtierbereich müssten also Tiere, die eigentlich zu behandeln wären, eingeschläfert werden, wenn sich der Gesetzesvorschlag durchsetzt.“
Jetzt muss das EU-Parlament Mitte September über die Vorschläge entscheiden. „Dabei ist alles möglich“, sagt Dr. Siegfried Moder. „Doch wir kämpfen auf verschiedenen Ebenen dafür, dass der Vorschlag der EU-Kommission angenommen wird.“ Helfen soll dabei auch eine Unterschriftenkampagne, die unter anderem vom Deutschen Tierschutzbund und vielen weiteren Verbänden sowie auch von anderen EU-Mitgliedsstaaten unterstützt wird.
Antibiotikaverbot widerspricht dem Tierschutz
Der Ausgang der Abstimmung ist ungewiss. Was allerdings laut Moder gewiss ist, sind Schmerzen und Leiden von Tieren, die nicht behandelt werden können, wenn sich Herr Häusling mit seinem Vorschlag durchsetzt. Die Tierärzteschaft steht für einen verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika und unterstützt auch wissenschaftlich basierte Einschränkungen in der Tierhaltung. Ein generelles Anwendungsverbot widerspricht dem Tierschutz, denn auch bei optimalen Haltungsbedingungen braucht es in letzter Konsequenz bei bestimmten bakteriellen Erkrankungen eine medizinische Behandlung mit Antibiotika“, erklärt der praktizierende Tierarzt. Für Herrn Häusling ist dieses Problem allerdings schnell gelöst. Er erklärt auf seiner Internetseite, dass die Einzeltierbehandlung, nicht in Gefahr sei – schon gar nicht bei Haustieren. Die EU-Kommission müsse nun wieder einen Gesetzesvorschlag zu erarbeiten, der die Nutztierhaltung stärker reglementiere, für Haustiere aber Einzelbehandlungen zulasse.
„Wenn man jetzt bedenkt, dass das Ausarbeiten des letzten Entwurfs 8 Jahre gedauert hat, ist dieser Forderung eine einzige Farce. Zumal sein jetziger Vorschlag zunächst vor allem Heim-, Kleintiere und Pferde schädigt. Für sie soll das Anwendungsverbot bereits ab Januar 2022 gelten. Für Nutztiere sieht der Entwurf der Grünen eine Übergangsfrist von 5 Jahren vor“, erklärt Moder.
Einen neuen Verordnungsentwurf, wie ihn Herr Häusling fordert, braucht es nicht, denn es gibt einen der auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Dieser berücksichtig ganz nebenbei auch Erfolge, wie das strenge Antibiotikamonitoring in der Nutztierhaltung, das dafür gesorgt hat, dass der Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung um 60 Prozent gesunken ist.
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