Landwirte sind gerade in der Tierhaltung offen für Veränderungen und Weiterentwicklungen, erwarten dabei aber Planbarkeit und Verlässlichkeit. Das ist auf dem Veredlungstag des Deutschen Bauernverbandes (DBV) in Coesfeld deutlich geworden.
DBV-Vizepräsident Werner Schwarz kritisierte, dass die Tierhaltungsdebatte trotzdem mit unverminderter Schärfe geführte werde und gerade die Zukunft familiengeführter Betriebe - aber auch den ländlichen Raum insgesamt - gefährde. Es gehe um Tierwohl, aber auch um das Tierhalterwohl.
Deshalb forderte er eine verbindliche nationale Nutztierhaltungsstrategie im Sinne eines Gesellschaftsvertrages. Dieser könne als Rahmen und Leitlinie für die Entwicklung des zukünftigen Weges der Tierhaltung in Deutschland immer wichtiger werden.
Gesellschaft muss Tierschutz mit staatlichen Geldern einkaufen
Der Präsident des Thünen-Instituts (TI), Prof. Folkhard Isermeyer, forderte dazu auf, sich nicht in Details zu verlieren. Zunächst müssten die grundsätzlichen Fragen geklärt werden.
Sein Konzept sieht vor, dass die Gesellschaft sich den von ihr geforderten Tierschutz mit staatlichen Geldern einkauft. Dazu brauche es zwei Instrumente:
- Investitionsförderung, denn Stallneubauten oder -umbauten sind notwendig.
- Eine flächendeckende, staatliche Tierwohlprämie: diese sei nötig, weil die Mehrkosten in den von der Gesellschaft gewünschten Haltungsverfahren zum Großteil Arbeitskosten sind. Und die fallen dauernd an und nicht nur einmalig.
Anschließend entbrannte in Coesfeld eine lebhafte Diskussion zur Tierwohlprämie. Erhebliche Fragen hatten die anwesenden Landwirte zum Beispiel zur Verlässlichkeit von Zielbild, der Finanzierung und zur Einbeziehung von Markt und Verbrauchern.
Tierwohlprämie aus Mehrwertsteuer
Um Planungssicherheit zu erlangen brauche es vor der Tierwohlprämie einen Gesellschaftsvertrag zur nationalen Nutztierstrategie, so Folkhard Isermeyer. Dieser dürfe nicht allein von der Regierung beschlossen werden, sondern müsste von allen Parteien, vom Bund, von den Länder und auch von Tierschutzverbänden, also von einer möglichst großen Mehrheit, zusammen geformt werden. Dann erreiche man Planungssicherheit, auch wenn die Regierung wechseln sollte.
Die Tierwohlprämie dürfe auch nicht als Bonus verstanden werden. Mit ihr solle nur die Differenz zwischen Marktpreis und Mehrkosten für die Tierwohlmaßnahmen gedeckt werden. Bei einem solchen Konzept mache sich laut Folkhard Isermeyer der Landwirt nicht länger vom Handel abhängig und könne weiter zum EU-Preis Fleisch verkaufen. Das Konzept der Tierwohlprämie könne nicht durch Billigimporte unterlaufen werden.
Tierwohlprämie kostet 5 Mrd. Euro
Laut des Wissenschaftlers würden die gemeinsam zu vereinbarenden Tierwohlmaßnahmen in jedem Haltungssystem rund 30 Prozent Mehrkosten verursachen. Das wäre eine Größenordnung von etwa 5 Mrd. Euro pro Jahr.
Diese Mehrkosten könnten mit der Mehrwertsteuer gegenfinanziert werden. Denn der Verbraucher will ja angeblich für mehr Tierwohl mehr bezahlen. Derzeit gilt aber für Milch- und Fleischprodukte die verminderte Mehrwertsteuer von 7 Prozent. Würde man diese auf die vollen 19 Prozent anheben, kämen pro Jahr rund 6 Mrd. Euro zusammen.
Genug Geld, um in Deutschland flächendeckend die Landwirtschaft in die Lage zu versetzen, Tierwohlstandards zu erhöhen und dafür eine Tierwohlprämie zu zahlen. Es wäre laut Folkhard Isermeyer eine Art Tierwohl-Soli. Wenn Deutschland Tierschutz als Staatsziel habe, dann muss der Staat involviert sein und selbst Geld in die Hand nehmen, um das Ziel zu erreichen.
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