Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Kommentar

Die unfaire Debatte um das Ende der Käfighaltung

Schweine-Freiland
am Freitag, 16.04.2021 - 11:36 (3 Kommentare)

Eine Bürgerinitiative will die Käfighaltung in der Europäischen Union abschaffen. Unterstützenswert, oder? Ein Kommentar.

Die europäische Bürgerinitiative (BI) „End the Cage Age“ setzt sich für die Abschaffung der Käfighaltung ein. Schließlich würden mehr als 300 Mio. Schweine, Hühner, Kaninchen, Enten und Wachteln ihr Leben in Käfigen fristen.

Da 1,4 Mio. Menschen die BI mit ihrer Unterschrift unterstützt haben und in 18 Mitgliedsstaaten die Schwelle für eine Anhörung erreicht wurde, fand jetzt eine Anhörung im EU-Parlament statt.

Das sei ein Rekord, heißt es, und die BI sei die erste zum Thema Nutztierhaltung, die es ins EU-Parlament geschafft habe. Die EU-Kommission hat nun 6 Monate Zeit, um Maßnahmen als Antwort auf die Anfrage zu verkündigen.

Ist eine Bürgerinitiative demokratisch?

Doch wie demokratisch ist so eine Bürgerinitiative? Getrieben von Lobbygruppen, die ihre eigene Weltanschauung, womöglich von Spendengeldern finanziert, vorantreibt?

1,4 Mio. Menschen hört sich erstmal gewaltig an. Aber allein bei der letzten Europawahl 2019 haben 200 Mio. Europäer abgestimmt. Das war eine Wahlbeteiligung von 51 Prozent. In der EU gibt es also rund 390 Mio. wahlberechtige Bürger. Davon haben nur 0,36 Prozent für die Abschaffung der Käfighaltung unterschrieben.

Und über ein Drittel dieser Stimmen stammen aus Deutschland. Fraglich, ob wirklich die große Mehrheit der EU-Bürger für das Ende der Käfighaltung ist. Denn das, was unsere von Wohlstand geprägten Bürger in Deutschland sich wünschen, sieht in den meisten ärmeren EU-Ländern wahrscheinlich ganz anders aus.

So kam in einer Eurobarometer-Umfrage heraus, dass für die meisten EU-Bürger der Geschmack und die Lebensmittelsicherheit beim Fleisch am wichtigsten sind.

Bitte die Haustiere nicht vergessen!

Wenn wir uns ein Ende der Käfighaltung für mehr Tierwohl wünschen, dann müssen wir bitte – neben den Nutztieren – den Haustiersektor mit betrachten: Was ist mit den einzelgehaltenen Wellensittichen? Den Wüstenrennmäusen, Hamstern und Meerschweinchen?

Und ist eine Henne im Käfig weniger artgerecht als ein kaukasischer Herdenschutzhund in einer aufgeheizten 1-Zimmer-Wohnung im 10. Stock?

Mehr Tierwohl ist der richtige Ansatz, aber…

Ich bin selbst dafür, die Tierwohlstandards weiter zu erhöhen – egal ob Haus- oder Nutztier. Auch die EU-Kommission betont, dass sie die Initiative mit dem Ziel, das Wohlergehen der Tiere zu verbessern, unterstützt. So seien Tierschutz und Tierwohl Kernstück des Green Deals und der Farm-to-Fork-Strategie.

Aber es darf nicht auf Kosten der Landwirte (und auch Verbraucher) in der EU gehen! Zunächst müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden.

Ende der Käfighaltung geht nur EU-weit einheitlich

Zu den Landwirten: Der Ausstieg aus der Käfighaltung ist nur fair, wenn ohne Ausnahme in allen EU-Mitgliedsstaaten dasselbe gilt – und auch gleich stark kontrolliert wird. Kein Land darf sich rausreden.

So ein Umbau der Nutztierhaltung kostet viel Geld. Das erleben wir gerade in Deutschland mit dem Borchert-Plan und der Machbarkeitsstudie. Sonst werden mehr und mehr Nutztierhalter aufgeben, weil sich die Tierhaltung schlicht nicht mehr rechnet.

Mehr Tierwohl, höhere Kosten für Verbraucher

Außerdem muss die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Importen aus Drittländern gegeben sein! Dazu müsste es die EU tatsächlich schaffen, dass für alle Importe aus Drittländern ausnahmslos dieselben hohen Standards gelten wie innerhalb der EU.

Damit ist nicht nur das berühmte Beispiel der Eier in verarbeiteten Produkten gemeint, die viel zu häufig noch aus der Käfighaltung stammen und billig in Drittländer eingekauft werden. Auch den Sauenhaltern drohen Nachteile auf dem Weltmarkt, wenn in der EU zum Beispiel der Ferkelschutzkorb verboten wird, andere Länder diesen aber weiter nutzen dürfen. 

Kommen wir zu den Verbrauchern: Sie müssen sich auf höhere Preise einstellen. Das mag den meisten Bürgern hier in Deutschland und ähnlich wohlhabenden Ländern kaum auffallen beziehungsweise könnten sie es sich locker leisten – selbst wenn dann mal eine Fernreise ausfallen müsste oder man sein Smartphone nicht jedes Jahr austauschen kann. In den ärmeren EU-Staaten wären die Auswirkungen wohl sehr viel deutlicher zu spüren.

Abhängigkeit von Drittland-Importen verhindern

Wenn die EU sich also für eine Ende der Käfighaltung einsetzt, dann müssen die sozio-ökonomischen Aspekte eine Rolle spielen. Sonst laufen wir Gefahr, dass viele europäische Landwirte aufgeben und wir abhängig werden von Importen aus Drittländern, in denen Tierschutz überhaupt keine Rolle spielt.

Kommentare

agrarheute.comKommentare werden geladen. Bitte kurz warten...