Seit einem Jahr gibt es auf Fleisch-Verpackungen im Supermarkt ein Label, das die Haltungsform der Tiere angibt. Verbraucher können anhand einer Stufen-Kennzeichnung erkennen, wie gut Schweine, Rinder oder Geflügel in den Ställen gehalten werden.
Doch hat das Angebot bei Kunden etwas bewirkt? Sind die Verbraucher in Deutschland bereit, beim Fleischkauf für mehr Tierschutz etwas tiefer in die Tasche zu greifen?
Die großen Handelsketten - Edeka, Rewe, Aldi und Lidl - führten vor einem Jahr eine Stufen-Kennzeichnung ein, die jeweils steigende Standards bei der Haltung anzeigt.
Aber Fleisch der oberen Stufen ist weiter rar. Verbraucherschützer machen deshalb auch Druck für ein lange geplantes staatliches Logo. Doch das steckt politisch fest.
80 Prozent Schweinefleisch aus „Stallhaltung“.
Die Packungsaufdrucke mit der Aufschrift „Haltungsform“, mit denen der Handel im April 2019 vorpreschte, sind vielen Kunden inzwischen bekannt. Größere Bewegung ins Kühlregal gebracht haben sie aber nicht.
Das geht aus Zahlen der Initiative Tierwohl als Trägerin hervor: Auch nach einem Jahr stammen 90 Prozent des gekennzeichneten Rindfleischs und rund 80 Prozent des Schweinefleischs aus Betrieben, die die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllen - denn dafür steht „Stallhaltung“, die erste von insgesamt vier Stufen. Besser ist die Situation beim Geflügel. Hier kommen rund 85 Prozent der Hähnchen und 98 Prozent der Puten aus Stufe 2 „Stallhaltung Plus“. Dort haben die Tiere mindestens zehn Prozent mehr Platz und zusätzliches Beschäftigungsmaterial.
Für Tierwohl-Geschäftsführer Alexander Hinrichs ist klar, dass die Sortimentsgestaltung maßgeblich vom Kaufverhalten der Kunden geprägt wird. „Kein Händler legt sich die Ware ins Regal, wenn er nicht davon ausgehen kann, dass er sie auch verkaufen kann." Das Problem: Je höher die Stufe der Haltungsform, desto höher in aller Regel auch der Preis. Und eine größere Zahlungsbereitschaft der Verbraucher scheint begrenzt.
Mehr Tierschutz: Nachfrage der Kunden fehlt
Bei Rewe heißt es: „Für eine Etablierung höherer Standards ist eine entsprechende Nachfrage bei den Kunden essenziell.“ Wesentliche Änderungen im Kaufverhalten habe man aber nicht feststellen können.
Die Preissensibilität sei nach wie vor hoch. Auch Lidl bilanziert eher durchwachsen: „Wir merken, dass Kunden mehr auf die Haltungskennzeichnung achten sowie verstärkt Fleisch aus einer höheren Stufe einfordern. Dass Verbraucher durch ihr Einkaufsverhalten Fleisch aus einer tierwohlgerechteren Haltung fördern, stellen wir aber nur bedingt fest.“
Bei Aldi heißt es mit Blick auf das Übergewicht der Stufen 1 und 2, das Angebot spiegele "das Nachfrageverhalten unserer Kunden wider“.
Tierschutzbund fordert Auslistung
Für den Tierschutzbund geht der Ehrgeiz der Ketten allerdings nicht weit genug. Wenn der Handel mit dem Kennzeichen etwas für den Tierschutz tun möchte, müsste er konsequent die ersten beiden Stufen auslisten und weggehen von der Billigpreispolitik.
Auch Verbraucherschützern reicht es nicht. Nach dem ersten Schritt des Handels müsse jetzt zwingend der zweite erfolgen und das breiter angelegte staatliche Tierwohl-Label an den Start gehen, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller.
Staatliche Tierwohlkennzeichnung nur mit Nutztierstrategie
Das staatliche Kennzeichen plant Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) in drei Stufen mit steigenden Anforderungen - sie beginnen über dem gesetzlichen Standard.
Bauern sollen das Logo freiwillig nutzen können, müssen sich dann aber an Kriterien halten. Das Kabinett brachte im Herbst einen Gesetzentwurf auf den Weg. Doch es gibt Ärger, vor allem wegen der Freiwilligkeit.
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte, es sei klar, dass der Entwurf so keine Mehrheit bekomme. „Ohne eine Nutztierstrategie und eine Verpflichtung wird es kein Label geben.“ Die Strategie müsse zuerst festlegen, welche Vorgaben artgerechte Nutztierhaltung zu erfüllen habe. Daran müsse sich dann die Kennzeichnung orientieren. Wenn das Ministerium hier nicht endlich liefere, werde die Einführung des Tierwohllabels in dieser Legislaturperiode immer schwieriger.
Julia Klöckners Ressort setzt auf eine zeitnahe Beratung im Bundestag. Sie betont, eine verpflichtende nationale Kennzeichnung sei wegen Diskriminierung von EU-Ausländern de facto nicht möglich.
Verbraucherschützer Müller fordert loszulegen, auch wenn es nur freiwillig möglich ist. Mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr gebe es eine großartige Chance, aus diesem freiwilligen deutschen Label ein verbindliches europäisches Label zu machen.
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