
Ein faktenbasiertes Tierwohl-Monitoring habe eine hohe Bedeutung für den angestrebten Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland. Deshalb entwickelten Expertinnen und Experten ein Konzept, um das Tierwohl der Nutztiere in Deutschland systematisch und regelmäßig messen zu können.
Sie bezogen dazu die Bereiche Haltung, Transport und Schlachtung von Rindern, Schweinen, Hühnern, Puten, Schafen, Ziegen sowie Regenbogenforellen und Karpfen aus Aquakultur ein. Das Konsortium schlug insgesamt 255 Indikatoren vor, die sich zur Beschreibung ausgewählter Rahmenbedingungen der Nutztierhaltung eignen.
Das alles geschah im Rahmen des Projekts „Nationales Tierwohl-Monitoring“ (NaTiMon), das vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) finanziert wurde. Jetzt übergaben die Forschenden ihren Empfehlungsbericht der Staatssekretärin Ophilia Nick und berichteten auf der Abschlussveranstaltung in Berlin über die wichtigsten Erkenntnisse.
Mortalität der Mastschweine in Deutschland? Bisher unbekannt!
Angela Bergschmidt vom Thünen-Institut stellte das Projekt und die Ergebnisse vor. Ausschlaggebend für das Projekt sei gewesen, dass viele Gremien wie der Wissenschaftliche Beirat Agrarpolitik, die Zukunftskommission Landwirtschaft und auch die Borchert-Kommission die Empfehlung zu einem Tierwohl-Monitoring ausgesprochen hätten.
Nur damit könne man sich ein objektives Bild zum Status quo und zur Entwicklung des Tierwohls in Deutschlands Nutztierhaltung machen. Etwas, das bislang komplett fehle. So wisse zum Beispiel niemand, wie hoch die Mortalität von Mastschweinen in Deutschland ist. Es gäbe höchstens Schätzungen, aber keine überbetrieblichen deutschlandweiten Daten.
In sechs Schritten zum Tierwohl-Monitoring
Die Empfehlung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie die Politik bei der Umsetzung eines nationalen Tierwohl-Monitorings vorgehen kann, umfasst insgesamt sechs Schritte:
- Zunächst muss eine gesetzliche Grundlage für ein flächendeckendes Monitoring geschaffen werden.
- Die institutionelle Basis und Infrastruktur müssen bereitgestellt werden.
- Die notwendigen Mittel für die Umsetzung müssen eingeplant werden.
- Die Nutzung vorhandener Daten muss ermöglicht werden.
- Die Erhebung fehlender Daten muss ermöglicht werden.
- Außerdem plädiert das Konsortium dafür, den Tierwohl-Monitoring-Bericht zu veröffentlichen und so einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
Ophelia Nick will Ergebnisse des NaTiMon auswerten
Laut der Staatssekretärin Dr. Ophelia Nick sei der Umbau der Tierhaltung notwendig und unter den Akteurinnen und Akteuren, auch unter den politischen Parteien unbestritten. Die Aufgabe ihres Ministeriums sei es, nun an die konkrete Umsetzung zu gehen. Der nun vorliegende Empfehlungsbericht fasse wertvolle Erkenntnisse zusammen, die sie für ihre und die weitere Arbeit auswerten würde.
Laut Professor Dr. Folkhard Isermeyer, Präsident Thünen-Institut hat die Wissenschaft die Grundlagen für ein umfassendes Tierwohl-Monitoring erarbeitet. „Wird das Monitoring umgesetzt, entsteht eine solide Wissensbasis für die Gesellschaft und die Politik. Wir können dann faktenbasiert beurteilen, wie es den Tieren geht und wie sich Maßnahmen zur Verbesserung der Tierhaltung ausgewirkt haben“, sagt Folkhard Isermeyer.
Nationales Tierwohl-Monitoring: Zustimmung der Branche ist groß
Erst, wenn man Indikatoren habe, die messbar seien, könne man Tierwohl faktenbasiert beurteilen. Dann ließe sich vergleichen und evidenzbasiert diskutieren. Zum Beispiel wenn es um die Haltungssysteme geht. Was ist wirklich besser, konventionelle Haltung oder bio, große oder kleine Betriebe? Und erst dann könnten Gelder gezielt für Maßnahmen bereitgestellt werden, die wirklich zu mehr Tierwohl führen würden.
Prof. Dr. Harald Grethe, HU zu Berlin, fand in seiner fachlichen Einführung auf der Abschlussveranstaltung folgende Worte: „Das Projekt NaTiMon ist abgeschlossen, es liegt als ausgearbeiteter Vorschlag auf dem Tisch der Politik. Jetzt muss es gemacht werden.“ Wer könne denn allen Ernstes dafür plädieren, kein Monitoring zu wollen?
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion mit Ophelia Nick wurde klar, dass unter den Teilnehmenden, angefangen bei den Wissenschaftlern über Tierschutzvertreter bis zum Deutschen Bauernverband (DBV) breiter Konsens herrschte. Bernhard Krüsken, Generalsekretär des DBV sagte: „Nichts braucht die Tierwohldebatte dringender und nötiger als ein belastbares und objektivierbares Monitoringsystem mit einem klaren Set an Indikatoren“. Es müssten allerdings bestimmte Anforderungen erfüllt sein.
Bedenken und Skepsis hinsichtlich des Tierwohl-Monitorings
Bedenken äußerten die Teilnehmenden zum Beispiel hinsichtlich der Kosten, des Mehraufwand für die Landwirte auf den Höfen und der Datensicherheit. Grundsätzlich waren sich aber alle einig, dass ein nationales Tierwohl-Monitoring unerlässlich sei, um das Tierwohl der Nutztiere in Deutschland objektiv zu bewerten, Schwachstellen ausfindig zu machen und im nächsten Schritt zu verbessern. „Tierwohl muss messbar sein, wenn man das Staatsziel Tierschutz verfolgt“, sagte Folkhard Isermeyer.
Ophelia Nick erkannte das an, meinte aber, sie und ihr Ministerium müssten jetzt erstmal gründlich prüfen und schauen, ob dafür Gelder frei seien.
In den Gesprächen nach der Podiumsdiskussion bereitete sich dementsprechend Ernüchterung aus. Einige äußerten sich skeptisch, ob und wann das NaTiMon die notwendige Unterstützung durch das BMEL erfährt.
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