Wenn es nach Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir geht, dann wird die Nutztierhaltung zum Schutz des Klimas umgebaut. Dafür sollen die Tierzahlen an die verfügbare Fläche gebunden werden. Was halten Landwirte von der Idee einer Obergrenze?
„Flächengebundene Tierhaltung? Das ist ein Thema aus der Mottenkiste!“
Jürgen Dierauff (Schweinemäster, 2.500 Mastplätze, 100 ha, Markt Nordheim/Bayern): Die Haltung von Schweinen und Hühnern sei historisch gesehen eigentlich schon immer eine Resteverwertung, meint Jürgen Dierauff. Die Tiere erhielten die Nebenprodukte der Lebensmittelproduktion. Sie bekamen, was der Mensch selbst nicht direkt verwerten konnte und das sei heute auch nicht viel anders. Heute seien es zum Beispiel Rapsschrot, Weizenkleie, nicht backfähiger Weizen, Gerste, Triticale, Zuckerschnitzel oder Getreideschlempe als Nebenprodukt der E10-Kraftstoffherstellung.
Mittlerweile seien die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe viehlos. Wenn künftig die Tierproduktion an die Fläche gebunden würde, wo sollten dann all diese Nebenprodukte hin? Das gehe laut Jürgen Dierauff nicht auf. „Der Austausch, in unserem Fall von Futter, findet ebenfalls schon seit Jahrhunderten statt. Nur so konnte die Volkswirtschaft und der heutige Wohlstand entstehen.“ Die Entwicklung in Ackerbau- und viehdichte Standorte sei nicht willkürlich geschehen, sondern hatte einen Sinn.
Der Mäster ist der Meinung, dass man das Rad nicht aus ideologischen Gründen zurückdrehen könne. Und er glaube auch nicht, dass sich groß etwas ändern würde, außer dass es einen preistreibenden Effekt bei den Pachtpreisen für Ackerland in den viehhaltenden Regionen hätte.
„Selbst wenn wir jetzt die Tierzahl in Deutschland verringern sollten, was ohnehin aktuell schon im Gange ist, wird die Konzentration auf viehdichte Gebiete bleiben. Denn dort ist die Infrastruktur, die Schlachthöfe oder die Futtermühlen. Ich glaube nicht, dass durch die Flächenbindung ein neuer Stall in einer Ackerbauregion entsteht. Ein viehloser Betrieb fängt nicht an, plötzlich Kühe zu melken. Eher verschwinden noch die letzten Betriebe bei steigenden Auflagen wegen der Standortnachteile.“
Das, was Özdemir mit der flächengebundenen Tierhaltung fordere, sei so, als würde man den Autobauern sagen, sie dürften nur noch so viele Autos produzieren wie sie Kohle, Eisenerz, Halbleiter aus ihren eigenen Bergwerken fördern.
„Die Düngeverordnung stellt schon eine Flächenbindung dar"
„Das Ansinnen des Landwirtschaftsministers sollte sein, die jetzigen Tierhalter in der Produktion zu halten und nicht, der Hälfte der Betriebe ihre Existenzgrundlage zu entziehen“, meint Jürgen Dierauff. Die in der Düngeverordnung eingebaute 170 kg N/ha Grenze aus Gülle und Mist, sei ohnehin völlig ausreichend und defacto heute schon eine Flächenbindung. Und darin liege auch die Lösung, im Austausch von Gülle und Mist zwischen Ackerbauern und Tierhaltern. Denn selbst die Biolandwirte hätten festgestellt, wie sinnvoll solche Kooperationen seien. Sie bezeichneten das als „Futter-Mist-Kooperation“.
„Genauso wirtschaften doch die meisten von uns konventionellen Landwirte jetzt schon. Von meinen 2.500 Mastplätzen sind mehr als die Hälfte in einem juristischen Betrieb ohne eigenen Ackerbau. Aber ich habe verlässliche Ackerbaubetriebe als Partner, die mich mit Futtergetreide beliefern und dankbar sind, wenn Sie im Gegenzug die Gülle von mir bekommen. Das läuft im Radius von 15 km und alles auf Vertrauensbasis. Für mich ist das auch eine Form der flächengebundenen Tierhaltung. Ich weiß, dass ich auch künftig Getreide erhalte, und meine Partner wissen, dass ich sie mit Gülle für ihre Flächen versorge.“
Wenn Cem Özdemir solche Kooperationen anerkenne, wäre das zwar ein richtiger Schritt, aber er wäre wieder nur mit mehr Bürokratie verbunden, wenn man solche Geschäftsbeziehungen schriftlich nachweisen müsse.
Auch hier führt der Schweinemäster wieder ein Beispiel an: „Niemand schließt doch mit seinem Bäcker oder Metzger einen Vertrag darüber ab, dass er auch nächste Woche noch Wurst und Brötchen dort erhält. Auch das läuft, wie so vieles auf unserer Welt, auf Vertrauensbasis.“
„Die Tierhaltung wird ins Ausland abwandern“
Amos Venema, Milchviehhalter aus Jemgum in Ostfriesland (Niedersachsen). Er bewirtschaftet rund 130 ha und hält 130 Milchkühe: „Die Forderung von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir wird die Situation der landwirtschaftlichen Tierhaltung nicht verbessern. Viele Betriebe leiden unter der aktuellen Marktsituation so sehr, dass derzeit ein Wandel stattfindet und immer mehr Betriebe aufgeben. Nichtsdestotrotz ist die Forderung, die Tierzahlen an die verfügbare Fläche zu koppeln, nicht neu.
Wird die Tierhaltung in Deutschland zukünftig weiter mit Kostennachteilen belastet, wird sie immer stärker ins Ausland abwandern. So geschieht es derzeit schon mit der Schweinefleischerzeugung, die in Deutschland abnimmt und beispielsweise in Spanien zunimmt. Auch die Milcherzeugung in Deutschland ist im Hinblick auf die Kosten der Milcherzeugung beispielsweise in Irland unterlegen. Zumal eine vermehrte Bio-Landwirtschaft in einem großen Maß auch von der Tierhaltung abhängt, denn die sie liefert die notwendigen Nährstoffe. Das Erhalten der deutschen Tierhaltung sollte schon aus dem Grund, die Bio-Landwirtschaft in Deutschland auszubauen, ein oberstes Ziel sein.“
„Grundsätzlich begrüße ich die Flächenbindung, aber…!“
Christoph Schulz (Geflügelhalter, 30.000 Hähnchen, 800 ha, Atterwasch/Brandenburg) „Die Idee der flächengebundenen Tierhaltung ist Jahrhunderte alt und keine neue Idee von Cem Özdemir“, sagt Christoph Schulz. Grundsätzlich begrüßt Schulz den Vorschlag, denn die Fläche stelle nun mal den begrenzenden Faktor für die Viehhaltung dar. Hier gebe es wenigstens dank der erlaubten Großvieheinheiten pro Hektar eine gute Berechnungsformel.
„Im erneuerbaren Energiegesetz (EEG) hat uns genau sowas gefehlt. Hätten wir eine Formel gehabt, wie viel kW pro ha höchstens erzeugt werden darf, wäre die Entwicklung nicht so schiefgelaufen. So haben wir den Großinvestoren in die Hände gespielt.“
Deshalb begrüßt der Landwirt den Plan, hegt aber auch gewisse Vorbehalte. „Warum sind den die Ballungsgebiete mit sehr vielen geflügel- und schweinehaltenden Betrieben entstanden?“ Es hänge eng mit der Mobilität zusammen. Seit es möglich sei, Futter oder Dünger zu transportieren, sei es zur Konzentration gekommen.
Christoph Schulz ist der Meinung, dass man dieser Entwicklung Rechnung tragen müsse. Inzwischen würden viele Tiere ohne Flächenbindung gehalten. Nicht jeder Betrieb habe die Möglichkeit, mal eben die notwendigen Ackerflächen dazu zu pachten. Die Kooperationsmöglichkeiten – wie sie heute ja bereits üblich seien, müssten berücksichtigt werden und erlaubt bleiben. „Ich habe Angst, dass sonst wieder ein neuer Run auf die sowieso schon knappen und teuren Ackerflächen losgeht und wieder Investoren von außen angezogen werden.“
Wenn man sich eine flächengebundene Tierhaltung wünscht, müsse man sehr genau analysieren, welche Folgen daraus entstünden. „Das hat uns das Beispiel EEG doch gezeigt.“ Leider würde zu häufig nur ein Aspekt betrachtet und es brauche in Deutschland oft sehr viel Zeit sinnvoll nachzusteuern.
Christoph Schulz sieht auch ein, dass die Tierhaltung sich weiter entwickeln muss. „Der Fleischverbrauch pro Kopf sinkt, wir müssen uns etwas einfallen lassen. Vielleicht ist der Umbau der Tierhaltung hin zu weniger Tieren, die aber besser gehalten und vor allem auch besser bezahlt werden, ein Weg. Dabei könnte die flächengebundene Tierhaltung ein hilfreiches Instrument sein.“
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