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Rheinland-Pfalz

240 Milchkühe: Ein Landwirtspaar managt zwei Betriebe - geht das?

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am Donnerstag, 13.04.2023 - 05:00 (Jetzt kommentieren)

Andrea Keller bewirtschaftet einen Betrieb mit 180 Milchkühen und eigener Nachzucht in Steffeln, Rheinland-Pfalz. Ihr Freund Theo Stoff ist auch Landwirt und hält 60 Milchkühe und 40 Mastbullen, 32 km entfernt. Wie kriegt das Paar den Spagat zwischen Arbeit und Beziehung hin?

Wer das TV-Format „Bauer sucht Frau“ verfolgt, kennt Andrea Keller aus der letzten Staffel. Die gelernte Landwirtschaftsmeistern hält 180 Milchkühe mit eigener Nachzucht in Steffeln in Rheinland-Pfalz. Bis 2015 bewirtschaftete sie den Betrieb zusammen mit ihrem Mann Wolfgang. Doch als Andrea Keller Ende 2013 die Diagnose Brustkrebs bekam, änderte sich alles.

„Die Krankheit zog meinem Mann die Füße unter dem Boden weg“, sagt Andrea Keller. Hinzu kam der Druck in der Milchbranche. Damals lag der Milchgrundpreis bei 20 Cent/l. „Mein Mann konnte nicht mehr schlafen und bekam Depressionen“, sagt sie. Die Krankheit wurde so schlimm, dass Andrea Keller ihn im März 2015 in die Psychiatrie einwies. „Meine Hoffnung war, dass ihm die Ärzte helfen können.“

20 Cent/l Milch und Depression: „Mein Mann nahm sich das Leben“

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Dem war nicht so. Am 4. Mai 2015 nahm sich Wolfgang Keller das Leben. Plötzlich stand Andrea Keller mit ihrem 7-jährigen Sohn Felix allein da. „Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte“, sagt sie. Doch die Landwirtschaftsmeisterin ließ sich nicht unterkriegen. „Die Kollegen hatten meine Flächen schon untereinander verteilt.“ Aber für Andrea Keller war klar: „Ich halte meinen Betrieb zusammen.“

In den letzten acht Jahren hat sie ihren Milchviehbetrieb so aufgestellt, dass sie ihn mit 1,5 Arbeitskräften managen kann. Ihr Credo dabei: „Alles, was nicht unbedingt sein muss, lasse ich weg“, sagt Andrea Keller. Dazu gehört auch, dass die 53-jährige ihre 80 ha Ackerland von einem Nachbarbetrieb überbetrieblich über einen Bewirtschaftungsvertrag machen lässt.

Betriebsspiegel von Andrea Keller‘s Römerhof

Landwirtschaftliche Nutzfläche (ha) 240, davon 160 Grünland und 80 Acker
Angebaute Sorten Mais, Weizen, Gerste, Raps, Rotklee
Anzahl Milchkühe 180
Rassen am Hof Jersey, Holstein, Braunvieh
Anzahl weibliche Nachzucht 120
Molkerei Arla
Melkstand 20er Melkkarusell
Arbeitskräfte 1 Betriebsleiterin, 1 Angestellter, 0,5 Aushilfen
Website Römerhof-steffeln.de

Landwirtin: „Wir halten unsere Kälber mutterkuh- und ammengebunden“

Andrea Keller konzentriert sich auf ihre Kühe. „Seit 2016 dürfen unsere Tiere im Sommer raus, da wir direkt um den Hof 32 ha Weidefläche haben“, sagt Andrea Keller. Ihre Kühe kommen nur in den Stall zum Melken. Dort kriegen die Tiere eine Grundration aus Silage und Kraftfutter. Der Vorteil: „Alles, was die Kühe draußen fressen, muss ich nicht ins Silo fahren“, sagt sie.

Ein wichtiger Baustein ist die Kälberaufzucht. „Seit acht Jahren ziehen wir die Kälber Ammen- und Mutterkuhgebunden auf“, sagt Andrea Keller. Von den 180 Milchkühen sind immer 8 bis 10 Tiere für jeweils drei Kälber da. „Wenn es gut läuft, sind unsere weiblichen Zuchtkälber vier Wochen mit ihren Müttern oder Ammen auf Stroh und dann geht’s raus auf die Weide – den ganzen Sommer lang.“

So muss Andrea Keller keine Iglus sauber machen, keine Nuckeleimer spülen und keine Kälber tränken. „Ich gehe morgens nur gucken, ob alle Kälber fit sind“, sagt sie. Und noch etwas vereinfacht die Arbeit: Alle Kühe, die in irgendeiner Form ein Problem haben, laufen auf Stroh bei den Kälbern. Der Vorteil: „Selbst wenn ich heute Abend umfallen würde, könnte ein Fremder meine Herde melken.“

Neue Liebe, neues Glück: „Mein Freund Theo hat 60 Milchkühe und 40 Mastbullen“

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Seit letzten Sommer hat Andrea Keller wieder eine neue Liebe: Theo Stoff. Kennengelernt haben sich die zwei über den Verkauf eines Jerseykalbs. Der 59-jährige hat auch einen Milchviehbetrieb, 32 km entfernt von Andrea Keller, in Blankenheim-Mülheim in Nordrhein-Westfalen. Theo Stoff hält 60 Milchkühe plus Nachzucht und 40 Mastbullen. Zwischen Arbeit, Rindern und Hof ist es gar nicht so einfach, noch Zeit für die Beziehung zu finden.

„Für uns ist die ganze Situation unbefriedigend“, sagt Andrea Keller. In der aktuellen Lage hilft der Landwirtin, dass sie die Abläufe in ihrem Milchviehbetrieb so vereinfacht hat, dass sie abends Zeit für ihren Freund hat. „Wir sehen uns jeden Abend und verbringen jede Nacht zusammen. Aber spätestens um 6 Uhr früh muss einer von uns wieder die 32 km nach Hause fahren.“

Betriebsspiegel von Theo Stoff, Gut Atzental

Landwirtschaftliche Nutzfläche (ha) 150
Anzahl Milchkühe 60
Anzahl weibliche Nachzucht 15
Anzahl Mastbullen 40
Anzahl Pinzgauer Mutterkühe 10 und 1 Pinzgauer Zuchtbulle
Jährliche Milchleistung (kg/Jahr) 7.800
Molkerei Hochwald
Melkstand Doppel 6er Fischgräte
Arbeitskräfte 1 Betriebsleiter, 1 Aushilfe

Landwirtin: „Wir helfen uns gegenseitig am Betrieb“

„Theo macht jetzt erstmal seinen Betrieb weiter, ich mache meinen“, sagt Andrea Keller. So gut es geht, unterstützen sich die beiden bei der Arbeit. „Im Moment ist es so, dass Theo mehr mir hilft, als ich ihm“, sagt sie. Letztens hat Theo Stoff seiner Freundin Andrea geholfen, die Laufställe zu misten. „Theo hat einen neuen Kipper, ich nicht. Da hat es sich angeboten, dass er mir hilft.“

Auch beim Schwadern hilft Theo Stoff seiner Freundin. „Das übernimmt sonst ein Lohnunternehmen“, sagt Andrea Keller. Wenn Andrea Keller bei ihrem Freund ist, packt sie beim Melken und auch bei allen anderen Arbeiten mit an, die auf dem Milchviehbetrieb Gut Atzental anfallen. „Aber da muss man sich erst ein bisschen reinfummeln. Jeder macht es ja anders.“

Ein gemeinsames Hobby: „Wir halten 10 Pinzgauer Mutterkühe“

Bild-Pinzgauer-Stier

Neben ihren Milchkühen und Mastbullen haben Andrea Keller und Theo Stoff noch eine Liebe: Pinzgauer. „Als ich 2019 das zweite Mal an Brustkrebs erkrankt bin und auf Reha in Bad Gastein in Österreich war, habe ich das erste Mal Pinzgauer Rinder gesehen“, sagt Andrea Keller. „Da ich Naturschutzflächen zum Beweiden habe und Pinzgauer für extensive Grünlandweide geeignet sind, dachte ich mir, probiere ich aus.“

So kam es, dass Andrea Keller nach der Reha drei Pinzgauer Rinder kaufte. „Als ich Theo letzten Sommer kennenlernte, bot er an, dass meine Pinzgauer beim ihm stehen können“, sagt sie. Der Hintergrund: Theo Stoff hat eine Naturschutzfläche direkt am Haus, die noch nicht beweidet war.

„Wir haben eine Zuchtgemeinschaft gegründet. Ab Sommer stehen meine Pinzgauer bei Theo auf der Weide.“ Auf den 16. Süddeutschen Fleischrinder Tagen in Ansbach haben die beiden letzten Monat einen Pinzgauer-Bullen gekauft. „Unsere Kühe und Rinder kriegen jetzt einen eigenen Mann. Mal kucken, wie das läuft“, sagt die Landwirtin. „Wenn alles klappt, dann hätten wir in der Saison 2023/24 11 Kühe, die abkalben“. Ihr Ziel ist es, eine kleine Pinzgauer Mutterkuhherde aufzubauen und das Fleisch zu vermarkten.

Landwirtin sucht Einsteiger für ihren Milchviehbetrieb

Auch der Verkauf der Pinzgauer Rinder bringt Geld. „Letztens habe ich einen reinen Pinzgauer-Bullenabsetzer für 1.200 Euro verkauft“, sagt Andrea Keller. Ein tragendes Pinzgauer-Rind bringt um die 2.000 Euro ein. „Andere gehen Golf spielen, Theo und ich halten Pinzgauer Fleischrinder.“

Aktuell sucht Andrea Keller jemanden, der bei ihrem Milchviehbetrieb miteinsteigt. „Mit dem Ziel, dass ich langfristig aussteigen kann“, sagt die Landwirtin. Das macht sie für sich und für Theo. „Damit unsere Liebe Bestand hat.“

Krisenhotline und Telefonseelsorge

Sie haben Stress auf Ihrem Betrieb oder Ärger mit der Familie? Sie plagen Zukunftssorgen oder Sie wissen aus anderen Gründen nicht mehr weiter? Kontaktieren Sie bitte die Krisenhotline der SVLFG. Ein Team aus Psychologen und psychiatrischen Fachpflegekräften steht Ihnen rund um die Uhr an 7 Tagen die Woche telefonisch beratend und anonym zur Seite. Sie erreichen die SVLFG Krisenhotline unter 0561 785 – 10101.
Weitere Informationen zu Hilfsangeboten finden Landwirte unter https://www.svlfg.de/krisenhotline.

Wenn Sie oder Menschen, die Sie kennen Hilfe brauchen und/oder von Suizidgedanken betroffen sind, kontaktieren Sie die Telefonseelsorge (telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.

Hilfsangebote gibt es auch für Landwirte in Österreich und der Schweiz. Das österreichische bäuerliche Sorgentelefon ist von Montag bis Freitag von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr unter 0810-67 68 10 zu erreichen. In der Schweiz hilft das bäuerliche Sorgentelefon montags von 8.15 bis 12 Uhr, dienstags von 13 bis 17 Uhr und donnerstags von 18 bis 22 Uhr unter 041 820 02 15.

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