In Deutschland liegt die Totgeburtenrate bei Kälbern im Schnitt bei 8 Prozent. „Jedes totgeborene Kalb ist schlecht“, sagt Tierärztin Dr. Alexandra Koch vom Rindergesundheitsdienst in Sachsen-Anhalt.
Ein totgeborenes oder ein kurz nach der Geburt verendetes Kalb kostet viel Geld. Nach Berechnungen des Bildungs- und Wissenschaftszentrums Aulendorf liegen die durchschnittlichen Kosten bei 26 bis 300 Euro.
Ziel: Totgeburtenrate von unter 5 Prozent
„Das Ziel ist eine Totgeburtenrate von unter 5 Prozent“, sagt Koch. „Das zu erreichen, ist aber schwierig, vor allem bei Färsen.“ Jungkühe, die das erste Mal abkalben, tun sich viel schwerer bei der Geburt als eine Kuh, die schon einmal abgekalbt hat.
„Bei einer Färse ist der Geburtsweg noch eng“, sagt die Expertin. Deshalb haben Kühe in der Regel auch eine niedrigere Totgeburtenrate als Färsen. So liegt in Sachsen-Anhalt die Totgeburtenrate bei Färsen im Schnitt bei 10 Prozent und bei Kühen bei 6 Prozent.
„Bei den meisten Betrieben, die eine erhöhte Totgeburtenrate haben, liegt die Ursache in einem gestörten Geburtsablauf“, sagt die Tierärztin. Störungen im Geburtsablauf führen dazu, dass sich die Geburt des Kalbs verzögert und die Wahrscheinlichkeit einer Totgeburt steigt.
Ursachen für Totgeburten
Zu einer gestörten Geburt kommt es, wenn das Tier in dieser Phase Probleme bekommt, oder etwas bei der Geburtsüberwachung und -hilfe schiefläuft. „Die Ursachen für Probleme beim Tier sind bei Färse und Kuh unterschiedlich“, sagt Alexandra Koch.
Bei Färsen:
- Fetomaternales Missverhältnis (Fetusgröße, Rahmen Muttertier, Beckeneinengung),
- Haltungsfehler des Fetus,
- Stress (z.B. Überbelegung, Baulärm, betriebliche Unruhe).
Bei Kühen:
- Klinischer Kalziummangel: Im Schnitt erkranken 5 bis 10 Prozent der Kühe sichtbar an klinischer Hypocalcämie,
- Subklinischer Kalziummangel: Die nicht sichtbare Hypocalcämie betrifft fünfmal so viele Kühe, in manchen Betrieben bis zu 50 Prozent,
- Haltungsfehler des Fetus,
- Gebärmutterverdrehungen: vierfach erhöhtes Risiko bei Kalziummangel,
- Zwillingsgeburten.
Tipp 1: Geburtsmanagement optimieren
Was kann man tun, um die Totgeburten zu senken? Koch rät, das Geburtsmanagement zu optimieren. „Es ist wichtig, dass ein Mitarbeiter für die Kontrolle der Abkalbebox verantwortlich ist.“ Zudem sollten die Zeiten, in denen niemand im Betrieb anwesend ist, so kurz wie möglich sein.
„Große Betriebe arbeiten häufig im Mehrschicht-System. Das ist in kleinen Betrieben oft nicht möglich.“ Der Vorteil: Die hochträchtigen Kühe werden rund um die Uhr überwacht, auch in der Nacht. „Bei jedem Schichtwechsel ist eine ordentliche Übergabe wichtig.“
Auch sollte man festlegen, wie die Geburtsüberwachung zu erledigen ist. Sinnvoll ist es, ruhig durch die Gruppe zu gehen und sich jede Kuh genau anzusehen. Verhält sich ein Tier seltsam? Ist die Bauchpresse erkennbar? „Auch sollte man festlegen, wie häufig, die Kontrolle zu erfolgen hat.“
Tipp 2: Zeitnah eingreifen
Neben der Geburtsüberwachung spielt auch die Geburtshilfe eine wichtige Rolle, um die Totgeburtenrate zu senken. In der Literatur steht, dass eine Kuh in der Regel zwei Stunden und eine Färse bis zu sechs Stunden und mehr für die Geburt braucht.
Alexandra Koch hat jedoch in einer Studie auf einem Betrieb in Brandenburg mit 4.000 Kühen festgestellt, dass die Abkalbungen teilweise deutlich schneller vonstatten gehen. „Ab dem Zeitpunkt, wo das Tier offensichtliche Anzeichen einer Geburt zeigt, braucht eine Kuh im Schnitt rund 70 Minuten und eine Färse rund 80 Minuten für die Kalbung“, sagt sie.
Vielen Landwirten sei das nicht bewusst. Sie gäben ihren Tieren daher zu viel Zeit, bevor sie eingreifen. „Das führt zu einer viel zu langen Geburtsdauer.“
Tipp 3: Geburt dokumentieren
Ein weiteres Problem sei die fehlende Dokumentation. „Viele Landwirte haben gar nicht im Kopf, wann die Geburt losging. Die sagen eher: Ach, das ist eine Färse, der geben wir noch Zeit.“
Das führe aber in Betrieben mit erhöhter Anzahl an Geburtsproblemen häufig zu wenig vitalen oder toten Kälbern.
Tipp 4: Geburtshilfe ja, aber richtig

Zudem wird in vielen Betrieben nicht fachgerecht eingegriffen. „Viele Landwirte sind nicht ausreichend geschult, um richtig helfen zu können“, sagt Koch. Das führt dazu, dass Kälber an Rippen- und Wirbelbrüchen und Blutungen im Brust- und Kopfbereich sterben.
„Solche Verletzungen sind allein durch eine unsachgemäße Geburtshilfe entstanden.“ Beim manuellen Ziehen sollte man mit maximal zwei Personen ziehen. Wird ein mechanischer Geburtshelfer verwendet, sollte man die Zugkräfte immer wieder lösen, damit das Kalb mit Sauerstoff versorgt werden kann.
Tipp 5: Kühe im Liegen abkalben lassen
Zudem rät die Expertin, die Tiere im Liegen abkalben zu lassen. „Keine Kuh würde freiwillig im Stehen abkalben.“ Denn die Beckenmaße werden kleiner, wenn die Kuh steht. „Wenn man diese Grundregeln beherzigt, lässt sich die Zahl der Totgeburten reduzieren“, sagt Alexandra Koch.
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