Atypisches Milchfieber – wie sieht eine Kuh aus?
Mit der Bezeichnung „Atypisches Milchfieber“ wird oft auch das Festliegen um die Geburt, welches nicht oder nicht allein auf erniedrigte Blut-Kalziumwerte zurückgeführt wird, gemeint. Im konkreten Fall geht es um hypokalzämische Festliegen, das nicht im geburtsnahen Zeitraum, sondern Wochen bis Monate nach der letzten Kalbung auftritt, daher auch Laktationshypokalzämie. Hierbei handelt es sich um eine Einzeltiererkrankung, die in der Regel mitten in der Laktation stehende Kühe betrifft. Zumeist tritt die Erkrankung plötzlich auf. Betroffene Kühe waren also am Vortrag vom Verhalten und der Milchleistung her unauffällig.
Das klinische Bild hängt dann vom Schweregrad des Kalziumabfalls im Blut ab. In leichteren Fällen wirken betroffene Kühe matt und abgeschlagen, haben ein kalte Körperoberfläche, eventuelle einen leicht aufgegasten Pansen. Beim Abhören fällt eine verminderte Aktivität des Magen-Darm-Traktes auf, wodurch es auch zur Gasansammlung in einzelnen Darmschlingen kommen kann. Dies führt öfter zum irrtümlichen Verdacht, dass das Tier an einer rechtseitigen Labmagenverlagerung leidet. In schweren Fällen kann es wie beim klassischen Milchfieber zum Festliegen kommen.
Wie kann ich feststellen, dass es das atypische Milchfieber ist?
Die sicherste Methode ist die Bestimmung der Blut-Kalziumkonzentration. Betroffene Tiere zeigen hier deutlich erniedrigte Werte. Dabei ist wichtig, dass die Kalziumbestimmung ohne zeitlichen Verzug, zum Beispiel mit einem Schnelltest-Gerät direkt vor Ort stattfindet. Insbesondere das Festliegen stellt einen medizinischen Notfall dar. Die Prognose für das Tier verschlechtert sich mit jeder Stunde und das Risiko für Komplikationen steigt. In Fällen mit Verdacht auf Laktationshypokalzämie bei denen die Kalziumanalyse an der Kuh nicht zeitnah möglich ist, wird der Tierarzt zwar eine Blutprobe zur späteren Analyse ziehen, jedoch ohne auf das Ergebnis zu warten eine diagnostische Therapie in Form einer Kalzium-Infusion einleiten. Die im Nachgang erfolgende Laboruntersuchung wird die Verdachtsdiagnose bestätigen oder ausschließen.
Eine intravenöse Kalziuminfusion sollte in solchen Fällen keinesfalls durch Laien versucht werden. Da die Diagnose Hypokalzämie zu diesem Zeitpunkt nicht gesichert ist, besteht das erhebliche Risiko durch die Infusion eine gefährliche Hyperkalzämie, einem zu hohen Kalziumgehalt im Blut auszulösen. Nur der Tierarzt kann Anzeichen dafür frühzeitig erkennen und die Infusion rechtzeitig abbrechen.
Ist die Ursache der Symptome tatsächlich ein Kalziummangel wird es dem Tier nach dieser Behandlung schnell deutlich besser gehen.
Wann tritt das atypische Milchfieber am häufigsten auf?
Hierzu gibt es aufgrund des nur sporadischen Auftretens der Erkrankung nur empirische Erfahrungswerte. Ich denke nicht, dass man in diesem Zusammenhang von gehäuftem Auftreten sprechen kann. Beschrieben wird das Auftreten nach der Frühlaktationsphase, also während der Spitzen- oder Spätlaktation.
Was können die Ursachen für diese Erkrankung sein?
Es besteht zwar Einigkeit, dass das Problem zum Zeitpunkt des Auftretens klinischer Symptome die Hypokalzämie ist, die Ursachen, die zu dieser Störung des Kalziumhaushaltes während der Laktation führen, konnten bislang aber nicht geklärt werden. Aufgrund des plötzlichen Auftretens der Symptome, aber auch wegen der raschen Genesung bei richtiger Behandlung wird vermutet, dass eine vorübergehende Entgleisung der Regulation durch das Parathormon (PTH) zugrunde liegt. In diesem Zusammenhang wurden Schwankungen bei der Magnesiumversorgung als mögliche Hauptursache diskutiert.
Die Ausschüttung von PTH durch die Nebenschilddrüsen benötigt eine ausreichende Versorgung mit Magnesium über die Ration. Die Versorgung mit Magnesium wiederum hängt nicht nur vom Magnesiumgehalt im Futter, sondern auch von der Absorption aus dem Pansen ab. Selbst bei konstantem Magnesiumgehalt in der Ration, kann es durch Schwankungen zum Beispiel im Kalium- oder Phosphorgehalt zu Veränderungen in der Verfügbarkeit des im Futter enthaltenen Magnesiums kommen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist der Zusammenhang mit Magnesium aber noch spekulativ.
Können Milchviehhalter vorbeugen?
Vorbeugen ist prinzipiell nur möglich, wenn die Ursache der Erkrankung erkannt wurde. Würde man dem Verdacht eines Magnesiumproblems in einer Herde, in der wiederholt Milchfieber in der Laktation auftrat haben, sollte man versuchen diesen Verdacht zum Beispiel durch das Bestimmen des Magnesiumgehaltes in der Ration, aber auch durch die Bestimmung der Magnesiumkonzentration im Harn mehrerer Kühe während der Spitzenlaktationsphase, wenn der Mg-Bedarf am höchsten ist, abzuklären.
Die üblichen Maßnahmen zur Milchfieberprophylaxe, die in der Trockenstehzeit beziehungsweise im geburtsnahen Zeitraum angewandt werden, wie das Füttern saurer Salze oder die Behandlung mit Vitamin D, eignen sich aufgrund der nachteiligen Wirkung bei Langzeitbehandlung nicht zur Vorbeuge der Laktationshypokalzämie.
Welche Tiere sind anfälliger?
Wie es auch beim klassischen Milchfieber der Fall ist, ist eine genetisch verursachte Krankheitsanfälligkeit durchaus denkbar. Eine solche Erblichkeit, sei es innerhalb einer Zuchtlinie oder eine Rasse konnte auf Grund des nur sporadischen Auftretens der Erkrankung bisher jedoch noch nicht belegt werden.
Wie wird das atypische Milchfieber behandelt?
Bei festliegenden Tieren ist die unverzügliche intravenöse Behandlung mit kalziumhaltigen Lösungen in ähnlicher Form, wie sie auch bei der klassischen Milchfieberbehandlung erfolgt indiziert. Die Anwendung von Lösungen die neben Kalzium- auch Magnesiumsalze beinhalten ist mit Hinblick auf die mögliche ursächliche Beteiligung eines Magnesiummangels sicher von Vorteil. Bei leichteren Fällen, also noch stehfähigen Kühen sollte, wie auch bei der klassischen Milchfieberbehandlung, von einer intravenösen Infusion abgesehen und stattdessen Kalzium subcutan und oral verabreicht werden. Die orale Behandlung mit Kalziumsalzen zum Beispiel als Gel, Bolus oder als Drench sollte im Anschluss an die Erstbehandlung ergänzend erfolgen.
Interview: anneke.struck@agrarheute.com
Hier ist Ihre Meinung gefragt
Werden Sie Teil unserer Community und diskutieren Sie mit! Dazu benötigen Sie ein myDLV-Nutzerkonto.