„Die Wunde beginnt am unteren Drittel der Zitze und frisst sich regelrecht bis über den Euterboden. Ein Tier hat sich tatsächlich die Zitze abgebissen“, berichtet eine Landwirtin. „Wir hatten mal eine Färse sie hat sich einen Strich immer blutig geleckt. Es ging so weit, bis sie sich den Strich selbst abgefressen hatte. Wir hatten damals mehrere Sachen probiert, aber es hat nichts geholfen.“, erzählt wiederum eine andere Landwirtin. Solche Aussagen aus der Praxis beschreiben die relativ neu auftretende Rinderkrankheit Ischaemic teat necrosis, die ischämische Zitzennekrose.
Juckende Nekrose: Vor allem Färsen lecken sich blutig und kauen sich die Zitzen ab
Dieser Krankheitskomplex geht mit sporadischen Veränderungen der Zitze, Absterben der Zitzenhaut, starkem Juckreiz und zum Teil Belecken und Selbstverstümmelung der Zitzen einher. Häufig sind Jungkühe oder Färsen nach der Kalbung betroffen, allerdings ist die Erkrankung auch in späteren Laktationen vorzufinden. Ein weiteres häufig berichtetes Symptom, das den Problemen an den Zitzen vorausgeht, ist das Auftreten eines ausgeprägten Euter- und Zitzenödems (Schwulst) um den Kalbetermin.
Mastitis-Erreger sind vermutlich nicht die einzigen Auslöser
Da es für diese Krankheit bisher keine Therapie gibt, ist sie mit hohen tiergesundheitlichen und wirtschaftlichen Problemen verbunden. Die Ursachen sowie die Entstehung und Verbreitung der Erkrankung, sind unbekannt. Diskutiert werden jedoch verschiedene Ansätze, wobei ausreichende Beweise noch fehlen. Gründe dafür könnten sein:
- das gleichzeitige Auftreten einer Entzündung zwischen den Euterhälften, der Mortellaro’schen Krankheit, Panaritium oder rissiger Zitzenhaut.
- verschiedene Bakterien und/ oder Viren, wobei vor allem Nekroseerreger, die auch bei Klauenerkrankungen beteiligt sind, als Ursache relevant zu sein scheinen. Hierzu gehören vor allem Treponema spp., Trueperella pyogenes und Fusobacterium necropherum.
- das Auftreten von S. aureus-Infektionen und dem Rinderherpesvirus 4 (BoHV-4). Auch diese Möglichkeit steht zu Diskussion.
Kann die Melktechnik Schuld an der Euterkrankheit sein?
Aber auch betriebs- beziehungsweise arbeitstechnische Faktoren scheinen bei der Erkrankung eine Rolle zu spielen:
- Als mögliche Ursachen beziehungsweise beeinflussende Faktoren werden Probleme in der Melktechnik und das zu lange Melken stark geschwollener (oedematisierter) Zitzen vermutet.
- Auch ein überhohes Melkvakuum sowie häufiges Blindmelken könnten zur Entstehung beitragen.
- Zudem stehen verschiedene Zitzendippmittel, und hierbei vor allem ein erhöhter Einsatz von Peressigsäure, als Risikofaktoren zur Diskussion.
- Auch die Vorbereitungsfütterung scheint ein wichtiger Faktor bei der Entstehung der ischämischen Nekrose zu sein. Grund für die Annahme sind auftretende geburtsnahe Zitzen- und Euterödeme. Hierbei gelten vor allem eine energie- und rohproteinreiche Vorbereitungsfütterung sowie ein Kaliumüberschuss als problematisch.
Da noch viele Fragen in Bezug auf den Krankheitskomplex offen sind, ist eine weitere Forschung zwingend notwendig, um vorbeugende Maßnahmen zu finden oder einen Therapieplan aufzustellen.
Forschung sucht betroffenen Agrarbetriebe: Melden Sie sich!
Hinweise: Die Hochschule Hannover arbeitet aktuell an einer Studie, in der bei betroffenen Kühen die Symptomatik der Krankheit beschrieben und das Tier auf weitere vorliegende Krankheiten, die mit der ischämischen Zitzennekrose in Zusammenhang stehen könnten, untersucht wird. Milchproben sowie Tupfer der betroffenen Stellen werden mikrobiologisch und molekularbiologisch auf vorhandene Erreger untersucht. Außerdem werden von den Betrieben verschiedene Parameter zur Betriebsstruktur/ Melktechnik aufgenommen. Hierzu wird ein Aufruf gestartet, sodass sich Betriebe mit betroffenen Tieren melden können, um eine Untersuchung des Tieres und der umgebenden Faktoren zu erhalten.
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