"Wir können nicht bis 2013 warten", verkündete EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos bei seiner Rede anlässlich der Konferenz "Welche Zukunft hat die Milch?" in Brüssel, zu der mehr als 400 Vertreter der gesamten Wertschöpfungskette sowie Akteure aus Politik und Verwaltung angereist waren. Nach der durchlebten, heftigen Krise müsse rascher gehandelt werden. Die Vorschläge würden auf den Empfehlungen der hochrangigen Expertengruppe Milch fußen, die im Juni ihre Ergebnisse vorlegen will. Im Juli sollen dann die Agrarminister über mögliche Anpassungen diskutieren. Im Herbst könnte die EU-Kommission schließlich ihre Gesetzesvorschläge präsentieren.
Sofortige wie auch langfristige Maßnahmen nötig
Für eine funktionierende Milchwirtschaft seien sowohl sofortige wie auch langfristige Maßnahmen nötig. Ciolos hielt sich mit den Einzelheiten jedoch bedeckt. "Derzeit ist nichts ausgeschlossen", so der EU-Agrarkommissar. Allerdings werde es sich nicht um finanzielle, sondern um regulatorische Schritte handeln. Ausnahmen für Milcherzeuger vom EU-Wettbewerbsrecht, Verträge und mehr Preistransparenz seien etwa im Gespräch.
Der Agrarkommissar wollte auch Anpassungen bei Interventionsregeln nicht von vorneherein ausschließen, zumindest was Mengen und Zeitabläufe angeht. "Und wir dürfen nicht die Bedeutung von Direktzahlungen für die Unterstützung der landwirtschaftlichen Einkommen vergessen", unterstrich der Kommissar. Die Milchquoten seien hingegen keine Lösung für die Zukunft dieser Branche. Der EU-Agrarkommissar forderte eine nachhaltige Orientierung am Markt mit Werkzeugen, die die extreme Preisvolatilität bekämpfen sollen, ohne jedoch die natürliche Entwicklung der Märkte einzuschränken.
Walshe: Einbringung neuer Elemente entscheidend
Der Präsident des EU-Bauernverbandes Copa, Padraig Walshe, der im Rahmen dieser Konferenz das Wort ergriff, betonte: "Das Einkommen der europäischen Landwirte beträgt weniger als 50 Prozent der Durchschnittslöhne. Dasjenige der Milchbauern ist in den letzten zehn Jahren um mehr als 20 Prozent gesunken. Die Landwirte befinden sich im Spagat zwischen geringen Erzeugerpreisen und hohen Produktionskosten. Es ist von zentraler Bedeutung, dass neue Elemente in die zukünftige EU-Milchpolitik eingebracht und im anstehenden Bericht zu diesem Thema durch die hochrangige Expertengruppe "Milch" empfohlen werden."
"Aktuelle EU-Marktverwaltungsmaßnahmen, wie das europäische System der öffentlichen Intervention für Milch und Milchprodukte, müssen erhalten bleiben. Wir müssen auch unsere strategische Präsenz auf dem internationalen Markt erhalten. Exportanreize sollten folglich auch weiterhin Teil der zukünftigen EU-Milchpolitik sein. Die EU-Politik für Marktzugang muss weiterhin effizient den europäischen Mindestinterventionspreis erhalten. Außerdem sind adäquate Instrumente zum Umgang mit Marktrisiken, wie beispielsweise Versicherungen, essenziell wichtig und sollten weiterentwickelt werden, um Landwirte vor einer extremen Volatilität zu schützen. Maßnahmen wie Forschung und Innovation zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Sektors sind ebenfalls notwendig, da diese den Landwirten und ihren Genossenschaften direkten Nutzen erbringen", so Walshe.
Brichart: Verhandlungsmacht der Landwirte muss gestärkt werden
"Der Preisanteil der Landwirte ihm Rahmen der Lebensmittelkette ist vor Kurzem signifikant eingebrochen. Dies ist hauptsächlich auf die enorme Kaufkraft einiger weniger Supermärkte zurückzuführen. Die Verhandlungsmacht der Landwirte muss gestärkt werden. Eine Möglichkeit zur Verbesserung ihrer Stellung ist, ihre Kräfte in Organisationen wie Genossenschaften zu bündeln, die sich im Besitz der Erzeuger befinden. Wir brauchen einen klaren Rahmen für Kollektivverhandlungen im Milchsektor. Dies könnte mit einer Leitung der EU zu Vertragsbeziehungen zwischen Milcherzeugern und Molkereien sowie einem EU-Gesetzesrahmen zur Verhinderung unfairer Vertragspraktiken kombiniert werden.
Lebenswichtig ist auch eine verbesserte Markt- und Produkttransparenz", betonte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe "Milch und Milchprodukte" von Copa/Cogeca, Henri Brichart. Copa und Cogeca fordern daher die EU-Politiker auf, sicherzustellen, dass auch in Zukunft eine starke Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) besteht, die Direktzahlungen an Landwirte fortsetzt und die die Garantie eines florierenden Milchsektors und der Beschäftigung in ländlichen Gebieten darstellt. (aiz)
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