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Milchproduktion

Experten erwarten Konsolidierung der Milchpreise

am Donnerstag, 08.07.2010 - 15:56 (Jetzt kommentieren)

Saluzzo - Die aktuelle Situation auf dem Weltmilchmarkt, neue Herausforderungen für die Molkereibranche und ein Vergleich europäischer Milcherzeugungskosten standen im Mittelpunkt des diesjährigen EDF-Kongresses in Saluzzo, Italien.

 

Jean Francois Verdenal, Präsident des Clubs der Europäischen Milcherzeuger (European Dairy Farmers/EDF), konnte rund 300 Teilnehmer begrüßen, darunter auch Delegierte aus Argentinien, Australien und den USA.

Verdenal eröffnete den Kongress mit der Feststellung, dass sich die Milchviehhalter nun nach der Preiskrise im vergangenen Jahr verstärkt auf ihre Produktionskosten konzentrieren müssten. Aufgrund hoher Weltmarktpreise und sinkender EU-Lagerbestände geht er von einer Konsolidierung der Erzeugerpreise aus.

Milcherzeugung unter mediterranen Bedingungen möglich

Im Hinblick auf den Kongressort Italien zeigte sich der EDF-Präsident zuversichtlich, dass Milchproduktion unter mediterranen Bedingungen möglich sei. Trotz hoher Landpreise, einem geringen Einfluss der Bauern auf Markt und Politik sowie starker Konkurrenz durch alternative Betriebszweige hätten sich hier vielversprechende lokale Initiativen gebildet. Darüber hinaus zählten die italienischen Milchpreise zu den höchsten in Europa, so Verdenal.

Lombardei ist Hauptregion bei der Milcherzeugung

Als wissenschaftlicher Partner der EDF-STAR (Scientific Team of Analysis and Research) informierte Alberto Menghi die Teilnehmer über die Milchproduktion in Italien. Die Hauptregion der Erzeugung liegt in der Lombardei, in der Mitte Norditaliens, wo über 40 Prozent der gesamten Milch hergestellt werden. In Piemont, jener Region, in der der Kongress stattfand, werden etwa acht Prozent der Menge hergestellt. Insgesamt produzieren 40.000 Milchviehhalter mit 1,8 Millionen Kühen etwa 10,6 Millionen Tonnen Rohmilch pro Jahr. Sie wird an 1.650 Erstabnehmer verkauft, von denen 891 private Unternehmen und 758 genossenschaftlich organisiert sind. Die meisten dieser Milchverarbeiter sind lokale Unternehmen.

Traditionelle Käseproduktion: Fromaggio Gorgonzola

In Italien gibt es eine national agierende Molkerei sowie vier internationale Unternehmen. Der größte Anteil der Milch (70 Prozent) wird zu Käse verarbeitet. Mehr als 400 verschiedene "traditionelle Käsesorten " sind beim Agrarministerium registriert. Etwa ein Drittel der verkästen Milch wird als PDO-Käse (Protected Designation Origin) verkauft. Hierbei wird sichergestellt, dass nur Produkte, die in einer bestimmten Region und unter bestimmten Bedingungen hergestellt werden, Namen tragen dürfen wie etwa "Parmigiano Reggiano", "Gorgonzola" oder "Asiago".

Milchquotenregelung heiß diskutiert

Die Milchquotenregelung wird in Italien heiß diskutiert, da die nationale Quote nur etwa 55 Prozent des nationalen Verbrauchs ausmacht und das Land seit Jahren seine Kontingente überliefert. Seit 1984 beläuft sich die Summe der Superabgaben auf etwa 4,5 Milliarden Euro. Die Landwirte werden nun gebeten, in den kommenden 30 Jahren die Superabgabe an den italienischen Staat zurückzuzahlen, sofern sie dies bisher nicht getan haben. Solange sie die Superabgabe nicht in voller Höhe zurückgezahlt haben, sind sie nicht berechtigt, Direktzahlungen der EU zu erhalten. Aufgrund der fünf Prozent an zusätzlicher Referenzmenge aus Brüssel und der Tatsache, dass die Milchproduktion von 2007 bis 2009 um 370.000 Tonnen abgenommen hat, kam es in Italien im Zeitraum 2009/10 zum ersten Mal nicht zu einer Überlieferung der nationalen Quote. Da die Produktion des Landes die nachgefragte Milchmenge nicht deckt, ist Italien Nettoimporteur in diesem Bereich. Deshalb erhalten die bäuerlichen Produzenten einen relativ hohen Erzeugerpreis.

Volatile Preise sind größte Herausforderung für Branche

Richard Doyle, Präsident der International Dairy Federation (IDF), konzentrierte sich in seinem Vortrag auf die künftigen Rahmenbedingungen der Milchindustrie. Die größten Herausforderungen seien die Anpassung der Milcherzeuger an volatile Preise sowie die Information von Verbrauchern über Milch als gesundes Nahrungsmittel, so Doyle. Viehhalter und Verarbeiter müssten sich den neuen Veränderungen stellen und bisher nicht genutzte Hilfsmittel wie beispielsweise Options- oder Termingeschäfte verwenden. Ebenso könnten fixe Kontrakte mit Lieferanten und kollektive Vermarktungsmöglichkeiten Produzenten beim Umgang mit der Preisvolatilität helfen.

Klimawandel: Reduzierung der Emissionen

Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt sei die Position der Milchviehhaltung in der Diskussion über den Klimawandel. Doyle hielte es für wichtig, Standards für die Produktion einzuführen, die eine Reduzierung der Emissionen in den Betrieben garantieren. Quote in der gesamten EU um sieben Prozent unterliefert Brigitte Misonne, Expertin der EU-Kommission, erklärte, dass die Situation an den Märkten momentan relativ entspannt sei. Die Abschätzungen zur Quotenauslastung zeigten, dass die Referenzmenge in der gesamten EU um etwa sieben Prozent unterliefert werde. Nur in den Niederlanden sei eine leichte Überlieferung um 0,8 Prozent zu erwarten. Ausgehend von 2006 werde die Milchquotenmenge bis 2014 auf 108,3 Prozent ansteigen, während die Produktion im gleichen Zeitraum lediglich bei 103,5 Prozent liegen werde. Misonne schätzte, dass die Erzeugung in der EU unter ihren Möglichkeiten bleiben wird.

Produktionskosten sehr unterschiedlich

In der jährlichen EDF-Produktionskostenanalyse wurden in diesem Jahr Daten von 280 Betrieben aus ganz Europa zusammengestellt. Sie sind nicht repräsentativ für die einzelnen Länder, erlauben aber dennoch erste Einschätzungen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Erzeuger. Aus der Analyse geht hervor, dass die durchschnittlichen totalen Kosten der teilnehmenden Betriebe deutlich unter den Gesamterlösen liegen. Allerdings gab es eine große Spannbreite bei den Betriebsergebnissen. Die besseren EDF-Betriebe wirtschafteten nicht nur mit geringerem Input pro Kuh, sie erzielten auch einen relativ höheren Milchertrag als die weniger erfolgreichen Betriebe.

Milchviehhalter relativ optimistisch

Zusammen mit dem internationalen Netzwerk "agri benchmark " führt EDF einmal pro Jahr eine Befragung unter Milchviehhaltern durch. An der aktuellen Analyse nahmen von Dezember 2009 bis März 2010 mehr als 2.000 Betriebe aus ganz Europa teil. Zwei Drittel der Teilnehmer kamen aus Schweden, Deutschland und Spanien. Trotz der Marktsituation der vergangenen Monate, die für viele Betriebe zu einer schwierigen Lage führte, zeigen die Ergebnisse, dass Milchviehhalter für die künftige Entwicklung optimistisch sind: Eine Spezialisierung scheint für viele Landwirte immer noch eine bessere Antwort darzustellen als die Diversifikation. Obwohl einige Investitionen als Reaktion auf die Krise aufgeschoben wurden, wollen immer noch drei von vier Landwirten in den kommenden zwölf Monaten in ihren Milchbetrieb investieren. Während Betriebe in Irland, den Niederlanden, Belgien sowie der Ukraine eher einen Anstieg der Milchproduktion erwarten, gehen sie in Nord- und Südeuropa von einem Rückgang aus. (aiz)

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