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Zucht

Genetisch hornlos: Die Praxis ist gespalten

Die Zucht auf genetische Hornlosigkeit wird auf den Milchviehbetrieben viel diskutiert.
am Mittwoch, 17.05.2023 - 08:04 (1 Kommentar)

Schlechte Fruchtbarkeiten, übermäßiges Klauenwachstum, Inzucht und geringe Milchleistung – die Zucht auf genetische Hornlosigkeit stellt ihren Vorteilen auch Herausforderungen gegenüber. Das sind die Erfahrungen der Landwirte.

Lästiges Enthornen und Gefahren durch behörnte Tiere in der Herde entfallen bei der Zucht auf Hornlosigkeit. Auch der Markt und auf den Auktionen ist die genetische Hornlosigkeit ein Trend, der nicht nur von kurzer Dauer ist. Auch im Blick auf die 28-Tage-Regel im Kälbertransport und die Diskussion, ob Aufzüchter oder Mäster das Enthornen übernehmen, ist die Zucht auf genetische Hornlosigkeit zunehmend interessanter.

Landwirte berichten über genetische Hornlosigkeit

Nach dem Statement von Prof. Dr. Brade, der behörnte Rassen wie INRA 95 vor dem Aus sieht, berichten nun Landwirte welche Erfahrungen sie mit diesem züchterischen Fokus gemacht haben und in welche Richtung sie ihre Herde züchterisch ausrichten.

Es braucht noch Zeit

Barbara Kurz: „Setze nur gering hornlos ein, da mir die Jungkühe noch zu wenig Milch haben. Hatte auch schon hornlose Tiere, aber dafür mit extremem Klauenwachstum etc... Ich finde, das braucht noch ein paar Jahre Zucht.“

Fehlt Horn, fehlt Hirn

Linda Reiss: „Meine Erfahrung sagt: „Je mehr Horn fehlt, desto mehr Hirn fehlt auch.“ Wir setzen viel hornlos ein, einfach wegen der Arbeitswirtschaft, aber vor allem die homozygoten Kälber sind meistens nicht nur horn-, sondern auch hirnlos.“

Auf Auktionen schwer zu verkaufen

Friederike Wellhausen: „Der Trend geht auf jeden Fall nicht an hornlos vorbei, auf Auktionen sind behörnte Tiere nur noch schwer bzw. gar nicht mehr zu verkaufen. Allerdings wird auch häufig kritisiert, dass der ursprüngliche „Typ“ (Charolais) verloren geht. Wir setzen daher auf eine Kombi aus hornlos und behörnt. Aus arbeitswirtschaftlicher Sicht ist es aber gut, dass das Enthornen wegfällt und die Zucht ist inzwischen auch schon deutlich weiter, was die Qualität der Bullen angeht.“

Kuhfamilien ruiniert

Carsten Rethmeier: „Wir waren am Anfang dabei, das hat viele Kuhfamilien ruiniert. Wir fangen jetzt wieder langsam an, unter Berücksichtigung der genomischen Zahlen.“

Hornlos nicht der Hauptgrund

Nico Willauer: „Kommt auf die Rasse an. Bei Holstein, vor allem Rotbunt, gibt es sehr gute Bullen. Aber natürlich muss immer der Bulle passen und nicht hornlos der Hauptgrund sein.“

Hornlosigkeit ist die Zukunft – der Wolf könnte es ändern

Alexandra Strümpf: „Bei Fleckvieh setze ich immer mal wieder hornlos ein, wobei die hornlosen Stiere leider noch nicht mit den anderen mithalten können. Dadurch muss man noch genauer auswählen, welcher Stier für welche Kuh eingesetzt werden kann. Ich habe mittlerweile einige auch schon ältere hornlose Kühe im Stall, die wirklich gut sind. Mein Wunsch wäre, irgendwann nur noch genetisch hornlose Kühe zu haben. Aktuell besame ich ca. 20-25 % der Kühe genetisch hornlos, bei mehr leidet jedoch der Zuchtfortschritt. Zudem bin ich der Meinung, dass Hornlosigkeit die Zukunft ist. Einzige Ausnahme wäre: sollte die Wolfsproblematik in der Region schlimmer werden und es käme wirklich zu Wolfsrissen bei Rindern, würde ich lieber Milchkühe und Jungrinder mit Hörnern auf meinen Weiden haben.“

Inzucht wird zum Problem

Sarah Pöhlmann: „Wir setzen seit etwas mehr als 10 Jahren auf behörnte Kühe, ein paar Hornlose haben wir auch herumlaufen. Innerhalb der Herde gibt es damit keine Probleme, da wir nur eine kleine Herde von 40 Melkenden im Laufstall haben. Mir persönlich ist die genetische Vielfalt der reinerbig hornlosen Vererber einfach noch zu wenig. Da muss man aufpassen, dass man keine Inzucht betreibt. Gerade, da bei vielen hornlosen Bullen Mahango mit dabei ist und die Bullen der alternativen Blutlinien dann auch teilweise nicht auf die zu besamende Kuh passen. Deswegen werde ich wahrscheinlich auch in Zukunft bei den behörnten Kühen bleiben, da es bei uns problemlos funktioniert. Am Ende muss jeder Betrieb selbst entscheiden, wie er es mit den hornlosen Kühen handhabt.“

Milchleistung bleibt stabil

Jan-Hendrik Puckhaber: „Tolle genomische Zahlen wirst du damit nicht erreichen, aber bei uns wird seit mehr als 10 Jahren alles hornlos belegt. Die gesamte Herde ist so mittlerweile über 95 % hornlos. Ab und zu kommen manchmal welche aus dem Embryonen-Transfer. Größtes Problem ist es, sich dann zu diesem Enthornen aufzuraffen, wenn doch mal eine Kuh Hornansätze hat. Die Leistung scheint es nicht wirklich zu betreffen: Wir melken aktuell 41 Liter.

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