In Europa fällt immer mehr Plastikmüll an. Fast 26 Mio. t Müll befinden sich mittlerweile in unserer Umwelt und in den Weltmeeren, davon sind etwa 15 Prozent Polyester. In der Bevölkerung steigt das Bewusstsein über die Auswirkungen von Plastik in der Umwelt. Auch staatliche Verbote von Einwegplastik sorgen dafür. Beides treibt Entwicklungen voran, dem Müllproblem durch Recycling und Wiederverwertung von Plastik vorzubeugen.
Viele gängige Lösungen sind jedoch teuer, energieintensiv und aufgrund des Einsatzes toxischer oder chemischer Stoffe wenig nachhaltig. Zudem sind diese Techniken nicht in der Lage, Plastik beispielsweise aus Gemischtabfallströmen abzubauen.
Plastik ähnelt natürlichen Polyestern
Plastik ist schwer aufzuspalten. Doch in vielerlei Hinsicht gleicht es in seinem Aufbau natürlichen Polyestern wie Cutin - einem Hauptbestandteil der Pflanzenzelle. Cutin kann beispielsweise in Komposthaufen gefunden werden, wo es von natürlichen Enzymen abgebaut wird. Diese Beobachtung brachte ein Forscherteam um Doris Ribitsch vom Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und vom Institut für Umweltbiologie an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) dazu, auch an anderen Orten nach solchen Enzymen zu suchen.
Da das Futter von Rindern natürliche Pflanzenpolyester enthält, die im Pansen der Tiere durch die Rumenflüssigkeit aufgespalten und verdaut werden, warfen die Forscher einen genaueren Blick auf die mikrobielle Zusammensetzung der Rumenflüssigkeit - und wurden fündig.
Enzyme aus Rinderpansen bauen Polyester ab
Das Wissenschaftlerteam untersuchte dabei drei Arten von Polyestern: Der eine, allgemein als PET bekannt, ist ein synthetisches Polymer, das häufig in Textilien und Verpackungen verwendet wird. Bei den beiden anderen handelte es sich um einen biologisch abbaubaren Kunststoff, der häufig in kompostierbaren Plastiktüten verwendet wird (PBAT), und um ein biobasiertes Material aus nachwachsenden Rohstoffen.
Sie gewannen die zu testenden Mikroorganismen an einem österreichischen Schlachthof aus Pansenflüssigkeit. Anschließen brachten die Forscher diese Flüssigkeit mit den drei getesteten Kunststoffarten in Berührung, um zu ermitteln, wie effektiv der Kunststoff abgebaut werden kann.
Die Ergebnisse, die kürzlich in der Zeitschrift Frontiers in Bioengineering and Biotechnology veröffentlicht wurden, zeigen, dass alle drei Kunststoffe von den Mikroorganismen aus Kuhmägen abgebaut werden können.
Zusammenwirken mehrerer Enzyme führt zum Abbau von Plastik
Im Vergleich zu ähnlichen Forschungsarbeiten, bei denen meist einzelne Mikroorganismen untersucht wurden, stellten Ribitsch und ihre Kollegen fest, dass die Pansenflüssigkeit effektiver war. Das könnte darauf hindeuten, dass die mikrobielle Gemeinschaft einen synergistischen Vorteil hat.
"In der Natur werden komplexe Moleküle wie Lignin, ein Bestandteil von Holz, durch Enzymkaskaden abgebaut, einer Zusammenarbeit mehrerer Mikroorganismen. Wir gehen davon aus, dass es auch ein Zusammenspiel mehrerer aus dem Rinderpansen isolierter Enzyme brauchen wird, um einen Gesamtabbau von Polyester zu gewährleisten", erklärt Projektleiterin Doris Ribitsch.
Weg zum industriellem Plastikabbau ist noch weit
Die Forschungsarbeiten wurden bisher im Labormaßstab durchgeführt. "Aufgrund der großen Mengen an Pansen, die täglich in Schlachthöfen anfallen, wäre eine Hochskalierung leicht vorstellbar", sieht Ribitsch den Prozess auch als industriell umsetzbar. Ribitsch gibt jedoch zu bedenken, dass es noch ein längerer Weg von der Rumenflüssigkeit zu großindustriellem Plastikabbau sein wird. Noch sind mikrobielle Gemeinschaften als potenzielle umweltfreundliche Ressource des Plastikrecyclings zu wenig erforscht. „Wir müssen in weiteren Projekten die Enzyme auf ihre Aktivität und Spezifität hin untersuchen: Wann und unter welchen Bedingungen sind die Enzyme aktiv? Welches Enzymgemisch arbeitet am effizientesten?“, verrät Ribitsch. Dass der Prozess jedoch funktioniert und damit ein neuer Weg im Plastikrecycling beschritten werden könnte, haben die acib- und BOKU-Forscher bereits bewiesen.
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