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Milchviehfütterung

Kompakt füttern: So gehts!

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am Mittwoch, 13.11.2019 - 05:00 (Jetzt kommentieren)

Totale Mischrationen für Milchvieh kennt jeder. Seit ein paar Jahren schwappt ein neuer Trend aus Dänemark zu uns: Compact Feeding. Was das bedeutet und wie es funktioniert, haben wir uns auf einem Praxisbetrieb im Emsland angesehen.

Milchviehhalter

Es ist 16:00 Uhr. Langsam fährt Martin Wille rückwärts in den Stall. Der Landwirt aus Bippen im Landkreis Osnabrück muss mit dem Traktor etwas korrigieren, damit der Auswurf des Mischwagens so am Futtertisch positioniert ist, dass er die Ration für den ganzen Tag ablegen kann. Jetzt steht der Wagen richtig, Wille öffnet den Schieber und stellt die Schnecken im Mischer an. Das Futter quillt aus der Luke, der Landwirt bewegt Schlepper und Mischwagen langsam nach vorne und das Futter fällt am Fressgitter auf den Futtertisch.

Gewöhnungsbedürftiger Mix

Die Mischration macht dabei einen breiigen Eindruck. Und das soll auch so sein. Denn Martin Wille füttert eine so genannte Kompakt-TMR. Sie besteht aus kurz geschnittenem Grundfutter, gemischt mit in Wasser eingeweichter Konzentrat- und Getreidemischung. Die Idee, Kühe mit einem Futterbrei zu versorgen kommt aus Dänemark. Der dänische Wissenschaftler und Berater Niels Bastian Kristensen entwickelte das Konzept. Die kompakte Fütterungsform soll verhindern, dass Kühe das Futter selektieren können und gezielt das Kraftfutter herausfressen. Martin Wille hat 2016 begonnen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. „Am Anfang haben wir Wasser in die Ration gegeben. Die Empfehlung kam von unserem Tierarzt“, erläutert der 36 jährige. Das Ergebnis sei aber noch unbefriedigend gewesen. „Durch das Wasser klebte das Konzentratfutter an den Wänden und löste sich in großen Brocken ab. Die Folge war, dass Kühe entweder zu wenig oder viel zu viel Kraftfutter erhielten. Azidoseprobleme waren vorprogrammiert. Der Landwirt feilte mit seinem Tierarzt an der Mischung. Dabei zeigte sich schnell, dass der alte Mischwagen für das kompakte Füttern nicht gut geeignet war: Zu viel Platz zwischen Schnecke und Behälter und alles, was am Rand festklebte, wurde nicht richtig gemischt. Daher hat sich Wille im Oktober letzten Jahres dafür entschieden, einen Mischwagen anzuschaffen, der für das kompakte Füttern ausgelegt ist. Seitdem funktioniert das Mischen besser und die Leistungen in der Herde sind noch einmal um knapp 250 Liter gestiegen auf jetzt 12020 Liter bei stabilen Inhaltsstoffen.
 

Wasser und Mischzeit

Beim Umsetzen des Konzepts hilft ihm sein Tierarzt Dr. Arnd Grottendieck. Der Veterinär hat die Fütterungsmethode in Dänemark auf Praxisbetrieben studiert und war sehr angetan. „Wir denken, dass das etwas für jeden Betrieb sein kann. Aber die Landwirte müssen dafür sehr diszipliniert sein. Denn nur, wenn Mischreihenfolge und Mischdauer exakt eingehalten werden, funktioniert das System gut“, sagt Grottendieck. Bei Martin Wille klappt es jetzt. Seine Mischreihenfolge: Zuerst kommt Kraftfutter und Getreideschrot in den Wagen. Anschließend stellt er die Mischschnecken auf 26 Umdrehungen in der Minute und vermischt die Komponenten mit Wasser. Die Umdrehungen der Mischschnecke kontrolliert er mit Hilfe eines digitalen Mischschneckendrehzahlanzeigers am Bedienpult des Mischwagens. Damit die Mischung optimal vermischt wird, werden in Abhängigkeit des Befüllgrades des Mischwagens und der Komponenten unterschiedliche Schneckendrehzahlen empfohlen. Rund 15 Minuten braucht es, bis 1350 Liter Wasser im Mischwagen sind. Idealerweise lässt er den Brei ein bis zwei Stunden vorquellen. Würden Kraftfutterpellets gefüttert, läge die Einweichzeit bei 12 Stunden. Bei der Wasserzugabe gilt die Regel, ein Liter Wasser auf ein kg Konzentrat-Getreide-Gemisch. Das Ziel: die Gesamtration soll auf 36 bis 38 Prozent Trockensubstanz eingestellt sein. Bei Wille liegt sie derzeit höher. Der Grund liegt in der wetterbedingten Futterknappheit. Das veranlasste ihn dazu, Biogasmais einzukaufen, dem es jedoch an aerober Stabilität fehlt. „Zuviel Wasser in der Ration erwärmt die Mischung zu stark. Das versuche ich zu verhindern, indem ich Propionsäure hinzugebe und die Wassermenge reduziere“, sagt Wille. Die Wassermenge liegt daher momentan knapp unterhalb der Hälfte von dem, was eigentlich für eine kompakte TMR empfohlen wird.

Kritische Punkte

Auch wenn die Ergebnisse bei Martin Wille gut aussehen, ist das Konzept der Kompakt-TMR nicht unumstritten. Kritiker halten die Mischration für problematisch, erinnert sie doch mehr an Schweinefutter, denn an eine Ration, die man Wiederkäuern vorsetzen sollte. Die Lehrmeinung geht beispielsweise davon aus, dass zum Beispiel Gras eine Länge von mindestens 8 mm haben muss, damit es im Pansen eine Strukturwirkung hat. Bei Landwirt Wille, hat das Gras im Silo diese Länge und wird anschließend im Mischwagen ordentlich bearbeitet. Für den Tierarzt Grottendiek ist diese Kritik jedoch graue Theorie: „Wir betreuen mittlerweile 20 Betriebe, die Compactfeeding praktizieren. Wir sehen deutlich, dass die Milchleistungen ansteigen und die Inhaltsstoffe dabei stabil bleiben. Dazu kommt, dass auch die Klauenrehe zurückgeht. Und sie ist normalerweise ein deutlicher Anzeiger für Pansenazidose.“ Der Veterinär ist davon überzeugt, dass das intensivere Durchmischen nicht nur das Selektieren des Futters erschwert und damit zu einem stabileren pH-Wert im Pansen beiträgt, sondern durch die stärkere Zerkleinerung auch die Oberfläche der Futterpartikel erhöht werden und damit mehr Angriffspunkte für Pansenbakterien vorhanden sind. „Dadurch wird das Futter effektiver genutzt“, ist Grottendieck überzeugt.

Durch das intensivere Mischen kommt es aber auch zu einem größeren Verschleiß der Technik und einem höheren Dieselverbrauch. Rund 5.000 Euro für zusätzlichen Diesel kalkuliert Wille beim kompakten Füttern. Der Milchviehhalter ist jedoch überzeugt, dass die Kosten durch die Mehrleistung und die bessere Tiergesundheit wieder ausgeglichen werden. Außerdem könne man die Komponenten noch optimieren. „Wir lassen sowohl Grasssilage als auch den Mais so kurz schneiden, wie es eben geht. Das ist bei Gras eine theoretische Häcksellänge von 8 mm, bei Mais 4 mm, wobei der Cracker auf 1 mm eingestellt wird“, erläutert Wille. Außerdem erhofft er sich auch vom neuen Mischwagen eine Effizienzsteigerung und damit einen sinkenden Dieselverbrauch. So soll die verminderte Schneckendrehzahl zum Schluss des Mischprozesses, das Mischen verbessern und gleichzeitig Dieselaufwand und Verschleiß mindern.

Positive Erfahrungen

Nachdem Martin Wille die Ration auf dem Futtertisch abgelegt hat, kommen seine Kühe zum Fressen. Besonders eilig scheinen sie es nicht zu haben. „Seitdem ich die Fütterung umgestellt habe, ist es im Stall ruhiger geworden. Es gibt keine Rangkämpfe mehr am Fressgitter. Da die Tiere nicht selektieren können, ist weniger Druck da, zuerst am Futtertisch zu sein“, ist Willes Eindruck. Tierarzt Grottendieck stellt darüber hinaus fest, dass die Tiere jetzt deutlich besser in die Laktation kommen. Außerdem seien sie insgesamt in einer besseren Kondition. Das habe dazu geführt, dass die Schlachtgewichte von 330 auf mittlerweile 400 kg angestiegen seien. Der Grund: Seit der Umstellung ist die Trockenmasseaufnahme je Kuh und Tag von 23 auf 26 kg gestiegen.

Compact Feeding: Darauf kommt es an

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