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Milchproduktion

Milchforum: Chancen überwiegen bei liberalisiertem Milchmarkt

am Dienstag, 18.03.2014 - 16:53 (Jetzt kommentieren)

Berlin - Die zunehmende Liberalisierung des Milchmarktes wird von den deutschen Marktbeteiligten als Chance begriffen; gleichwohl bleiben die damit verbundenen Risiken präsent.

Auf dem 5. Berliner Milchforum erklärte der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Bernhard Krüsken, der russische Importstopp zeige, wie flüchtig das Geschäft sein könne. Die Branche benötige dringend eine Exportstrategie. Die behördlichen und betrieblichen Strukturen hätten Ausbaupotential. Die Vorschläge zur Unterstützung der Erschließung neuer Märkte seien zu begrüßen; sie dürften jedoch keinesfalls mit einer Kürzung der Ressourcen im Veterinärbereich einhergehen.
 
Der DBV-Vizepräsident und Präsident des Landesbauernverbandes (LBV) Brandenburg, Udo Folgart, betonte, die drohende Superabgabe für deutsche Milchviehalter im letzten Quotenjahr zeige einmal mehr, dass die Quote ein Relikt der Vergangenheit sei und die weitere Entwicklung behindere. Mit Hilfe einer Absenkung der Fettkorrektur hoffe die Branche, die Strafzahlung abzuwenden.
 
Der Abteilungsleiter der Generaldirektion Landwirtschaft der EU-Kommission, Dr.Willi Schulz-Greve, lenkte den Blick auf die vorrangige Intention der Liberalisierung: Sie solle zunächst Verbrauchern in den Partnerländern ein größeresAngebot verschaffen. Positive Effekte für die Erzeuger gebe es, wenn die Betriebe markt- und wettbewerbsfähig seien. Für den Generalsekretär des Europäischen Milchindustrieverbandes (EDA), Alexander Anton, ist die Marktöffnung der Welt bereits in vollem Gang. Der Hauptgeschäftsführer vom Milchindustrieverband (MIV), Eckhard Heuser unterstrich, Export bedeute immer in einem gewissen Maße Verdrängung, ermögliche aber auch Wettbewerb und Entwicklung. Außenschutz gehe dagegen nicht gleichzeitig mit einer Entwicklungshilfe für arme Länder einher.

Eigenes Leitbild entwickelt

Krüsken sprach sich für einen "vernünftigen Umgang" mit Preisen und Marktinformationen sowie deren Bewertung aus. Es bringe nichts, darauf zu spekulieren, wann und wie tief der Milchmarkt fallen werde. Enttäuscht zeigte sich der DBV-Generalsekretär über die jüngsten Preissenkungen der Discounter bei Butter. Nach den gemeinsamen Überlegungen zur Initiative Tierwohl hätte Krüsken ein anderes Verhalten vom Handel erwartet. Das sei nun das falsche Signal.
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Bezüglich der Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) warnte der Generalsekretär davor, neben natürlichen Benachteiligungen zusätzlich die Standorte gesetzlich und rechtlich zu benachteiligen. Unabhängig davon müsse sich die Branche der gesellschaftlichen Diskussion stellen und dieAkzeptanz der Landwirtschaft allgemein sowie der Tierhaltung im Besonderen sicherstellen. Hier sei zu bemerken, dass auch dieMilchviehhalter zunehmend in den Fokus der Nichtregierungsorganisationen rückten. Krüsken forderte die Branche auf, nach vorne zu gehen und ein eigenes Leitbild zu entwickeln. Die Weiterentwicklung der Tierhaltung bedeute aber dabei nicht, dass man "allen Zurufen hinterher" renne. Die Landwirte müssten nach praktikablen Lösungen suchen, die sich rechneten.

Handel mit widersprüchlichem Verhalten

Unverständnis über die Preissenkungen des Handels äußerte auch Folgart. Der Handel nutze die saisonal typische Delle des Fettmarktes zu Jahresbeginn, um die Molkereiabgabepreise für Butter in seinem Sinne zu gestalten. Der Lebensmitteleinzelhandel habe medienwirksam und mit Blick auf die bevorstehenden Verhandlungen mit den Molkereien für Käse und Trinkmilch die Verbraucherpreise für Butter gesenkt. Dabei habe sich der Fettmarkt inzwischen längst wieder stabilisiert. Für weitere Preissenkungen sieht der DBV-Vizepräsident daher keinenAnlass. Zudem stehe die Billigpreis-Taktik im eklatanten Widerspruch zumerklärten Ziel der Landwirtschaft, der Verarbeiter und des Lebensmittelhandels, die Milcherzeugung in Deutschland nach vorne zu bringen, stellte Folgart fest. Für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion in Deutschland müssten alle Glieder der Erzeugungs- und Vermarktungskette gut ineinandergreifen.
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Als treibende und stützende Kraft bezeichnete Folgart das Exportgeschäft. Der Rohstoff Milch sei weiterhin gefragt. Aus der Exportorientierung heraus ergäben sich jedoch neue Fragen für die Milchviehalter zur Konkurrenzfähigkeit des eigenen Betriebes und den Aktivitäten der Nachbarmärkte. Verbesserungspotential müsse gesucht und genutzt werden. Folgart betonte, bei der Erschließung neuer Märkte gehe es nicht vordergründig um die Verdrängung der dortigen Produktion, sondern um die Befriedigung der wachsenden Nachfrage und dass man das Geschäft nicht anderen exportierenden Ländern überlassenwolle. Erfreut zeigte sich der DBV-Vizepräsident darüber, das Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt wie schon sein Vorgänger Dr. Hans-Peter Friedrich den Export "zur Chefsache" erklärt habe.

Eigene Interessen schützen

MIV-Vorsitzender Dr. Karl-Heinz Engel unterstrich, es sei wichtig zu wissen, was in den Märkten passiere, aber es müsse nicht alles kommentiert werden. In der Vergangenheit hätten zu viele Einzelinformationen keinem der Beteiligten geholfen. Es gelte eine Balance zu finden. Das "Ende derWelt herbeizureden", sei dabei kontraproduktiv. Engel erinnerte daran, dass deutsche Produkte ein hohes Image hätten und unter anderem für hohe Sicherheitsstandards stünden. Diese Vermögen sollte man gemeinsam nutzen. Sicherlich werde man volatile Preise haben, aber die Grundrichtung stimme, so Engel. Die Milchwirtschaft sei sich mit dem DBV einig, dass man von offenen Märkten profitiere. Man müsse allerdings auch auf seine eigenen Interessen achten und diese schützen.
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Schulz-Greve räumte neben den Vorteilen des freien Handels auch Risiken der Liberalisierung ein. Die Unternehmen dürften nicht verpassen, sich auf die verstärkte Konkurrenz vorzubereiten.Wichtig sei zudem, die Märkte nicht zu schnell zu öffnen, sonst drohe Destabilisierung. Auf der anderen Seite müsse man sich darüber im Klaren sein, wem die bisherige Regulierung geholfen habe, betonte Schulz- Greve. Sie habe Anpassungen verhindert und eine Spirale von staatlichen Eingriffen geschaffen. Zudem habe das System Etablierte gefördert und den Zugang neuer tatkräftiger Produzenten und Verarbeiter verhindert. Bezüglich von Verhandlungen über Freihandelsabkommen stellte der Kommissionsbeamte fest, diese mögen mitunter schwierig sein, seien aber besser als keine Regelung. Trotz zahlreicher bilateraler Abkommen und Verhandlungen bleibe die Welthandelsorganisation (WTO) demungeachtet weiterhin ein wichtiges Instrument, vor allem im Hinblick auf China und Russland.

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