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Milchviehfütterung

Milchviehfütterung: Warum Schwefel in der Mischration so wichtig ist

Futtermischwagen
am Sonntag, 08.05.2022 - 05:00 (Jetzt kommentieren)

Schwefel wurde in der Milchviehfütterung bisher eher vernachlässigt. Dabei zeigen aktuelle Untersuchungen, dass die Gehalte in Mischrationen teilweise viel zu hoch sind und man sich mit dem Schwefel mehr beschäftigen muss.

Schwefel gilt heute nicht nur als ein Hauptnährstoff in der pflanzlichen Erzeugung, sondern gehört neben Phosphor, Calcium, Magnesium, Natrium, Kalium und Chlor zu den sieben lebensnotwendigen Mengenelementen in der Rinderfütterung. Schwefel sollte in jeder Rationsberechnung berücksichtigt und bei Futtermitteluntersuchungen bestimmt werden. Schwefel ermöglicht bedeutende Stoffwechselprozesse und spielt eine große Rolle für die Stabilität und Gesundheit einer Herde.
Besonders groß ist die Bedeutung bei der Bildung von Eiweißen und als Bestandteil von endogenen Antioxidanzien. Schwefelmangel hat daher gravierende Auswirkungen:

  • Er stört die bakterielle Proteinsynthese im Pansen. Besonders Methioninmangel begrenzt die bakterielle Proteinbildung und mindert die Intensität der Pansenfermentation.
  • Er erhöht die Wiederkauzeit und sorgt für erhöhten Speichel- und Tränenfluss.
  • Er vermindert die Futteraufnahme mit den bekannten Folgen.
  • Er erhöht die Zahl an somatischen Zellen in der Milch.
  • Er mindert die Zelluloseverdaulichkeit.
  • Er vermindert das antibiotische Potenzial, denn bei Schwefelmangel werden nicht genug Glutathionperoxidasen synthetisiert. Sie drängen als endogene Antioxidanzien freie Radikale zurück und schützen den Organismus vor den negativen Folgen von oxidativem und nitrosativem Stress. Außerdem stärken sie die Immunität und die Abwehrkräfte bei Haltungs- und Fütterungsfehlern sowie bei Infektionen.
  • Er stört die Keratinbildung in den Klauen (ungenügende Festigkeit), was zu vermehrtem Auftreten von Klauenrehe führt.

Als ein anionisch wirkendes Element (wie Chlor) und damit als „Gegenspieler“ der Alkalien Kalium und Natrium kommt es bei Schwefelmangel zu einer erhöhten DCAB und damit zu einem erhöhten Gebärpareserisiko. Und Schwefel erhöht bei längerem Mangel die Abgangsrate.

Bereich des Optimums ist klein

Bei Stoffwechseluntersuchungen kann mit folgenden Referenzwerten gerechnet werden:

  • für Serum: 750 bis 1.200 mg S/l,
  • für Harn: 350 bis 2.000 mg S/l.

Die angegebenen Grenzwerte zeigen sowohl die negativen Wirkungen von Schwefelmangel als auch die gesundheitlichen Schäden bei einem Überangebot. Besonders beim Schwefel ist der Bereich einer optimalen Versorgung relativ klein. Er liegt zwischen 1,5 und 2,2 g S/kg Trockensubstanz (TS) der Gesamtration. Eine weitere Besonderheit ist der enge Abstand zwischen optimaler Versorgung und dem Bereich, bei dem bereits mit negativen Auswirkungen gerechnet werden muss. Schon ab einem Gehalt von 3 g S/kg TS geht die Futteraufnahme merklich zurück.

Liegt der Gehalt über 4 g S/kg TS, kommt es zum Ungleichgewicht mit anderen Mineralstoffen. Hier sei besonders Kupfer und Selen genannt, bei denen ein Schwefelüberschuss die Absorption stark einschränkt, sodass sekundärer Kupfer- und Selenmangel auftritt.

Ein Überangebot an Schwefel wiederum senkt die Futteraufnahme. Ab 4 g S/kg TS kommt es zu gesundheitlichen Störungen und subklinischen sowie klinischen Erscheinungen. Dazu gehören:

  • Pansenfermentationsstörungen,
  • antagonistische (gegensätzliche) Wirkungen auf Kupfer und Selen, eventuell auch Mangan und Zink: Dabei führt schon ein geringer Schwefelüberschuss zu Kupfermangel, da sich schwerlösliches Kupfersulfid im Pansen bildet,
  • niedrige DCAB,
  • vielfältige Stoffwechselstörungen, die sich aus der Funktion des Schwefels im Stoffwechsel ergeben,
  • starke Leberbelastung: Die aus dem Futter und der Tränke aufgenommenen Schwefelverbindungen werden im Pansen zu Sulfid (H₂S) abgebaut und für die bakterielle Proteinsynthese genutzt beziehungsweise absorbiert und über die Leber verstoffwechselt. Portal anflutendes Sulfid (durch die Pfortader direkt der Leber zugeführt) wird in der Leber wieder zu Sulfat oxidiert. Abhängig von der Schwefelquelle werden 30 bis 80 Prozent absorbiert. Die Ausscheidung erfolgt über Kot, Harn und Milch,
  • Schwefel aus der Gülle: Er kann auch über die Atmung unter Umgehung der Leber in den Stoffwechsel gelangen.

Bei zu viel Schwefel im Pansen können große Mengen von gasförmigem Sulfid (H₂S) auftreten, die sich negativ auf den Stoffwechsel auswirken. Außerdem kann Schwefel eine Polioencephalomalazie auslösen (Appetitlosigkeit und schwere neurologische Symptome), die durch Vitamin-B₁-Gaben nicht zu therapieren sind (bei intensiv gefütterten Mastbullen und in der Lämmermast kommt es zu gleichen Anzeichen, die hier als Cerebrocorticalnekrose bezeichnet werden und durch Vitamin-B₁-Gaben vermindert werden können). Der Schwefelgehalt in den Futtermitteln hängt von der Pflanzenart, der Verfügbarkeit im Boden, dem Vegetationsstadium und der Düngung ab.

Ohne Schwefel kein Cystin

Über 80 Prozent des Schwefels liegen im Boden in organisch gebundener Form vor. Die Pflanze kann Schwefel aus dem Boden nur als Sulfat aufnehmen. Er wird in die Aminosäure Cystin eingebaut, aus der sich alle schwefelhaltigen Inhaltsstoffe (unter anderem Methionin und Glutathion) bilden. Leider liegen für den Schwefelgehalt in Futtermitteln nur unzureichende aktuelle Tabellen vor. Daher muss auf ältere Tabellenwerke oder wissenschaftliche Zusammenfassungen zurückgegriffen werden. Maissilage zeigt relativ niedrige und konstante Werte. Die Schwankungen liegen zwischen 0,7 bis 1,3 g S/kg TS. Bei Grassilagen liegen die Schwefelgehalte höher und schwanken von 1,8 bis 4,6 g S/kg TS. Der Anteil an Grassilagen mit über 3 g S/kg TS lag 2018 bei 21 Prozent und im letzten Jahr bei 8 Prozent.

Der Gehalt in den Mischrationen für Milchkühe zeigt im Schnitt der Proben einen relativ hohen Wert, der sich nur teilweise durch die enthaltenen Grassilagen erklärt. Vielmehr sind die hohen Werte durch proteinreiche Konzentrate und Mineralfutter bedingt. Mögliche Schwankungsbreiten zwischen 2 und 4 g S/kg TS machen deutlich, wie wichtig es ist, die angegebenen Höchstgehalte in Rationen einzuhalten. Sie zeigen auch, dass ein dringendes und aktuelles Problem vorliegt, das höchste Beachtung erfordert.

Schwefelgehalt im Wasser beachten

Die Erfahrungen bestätigen, dass bei maissilagebetonten Rationen und bei trockenstehenden Kühen mit hohem Stroheinsatz (Gehalt 1,2 bis 1,4 g S/kg TS Stroh) auf eine ausreichende Schwefelversorgung zu achten ist. Kessler (1996) empfiehlt bei maissilagebetonten Rationen, die mit Harnstoff ergänzt werden, zu je 100 g Harnstoff 3 bis 4 g Schwefel zusätzlich zu verabreichen und zwar in Form von Natrium- oder Kaliumsulfat.

Die Konzentrate zeigen je nach Herkunft einen sehr unterschiedlichen Schwefelgehalt. Besonders im Zusammenhang mit den Erkenntnissen zur DCAB bei trockenstehenden und auch bei laktierenden Kühen spielt die Schwefelversorgung eine zunehmend wichtige Rolle. Der teilweise hohe Einsatz von Rapsextraktionsschrot (die futtermittelspezifische Restriktion liegt bei unter 5 kg je Tier und Tag) und das Verwenden von Sulfaten im Mineralfutter erhöhen den Schwefelgehalt teilweise über den Grenzwert. Da Sulfat aus dem Tränkwasser in gleicher Weise in den Pansen- und Intermediärstoffwechsel einbezogen wird, muss die Schwefelaufnahme aus dem Tränkewasser in die Kalkulation einbezogen werden. Der zulässiger Grenzwert 500 mg Sulfat entspricht 167 mg S/l. Da diese Faktoren teilweise nur ungenügend beachtet wurden, hat das in verschiedenen Herden zu Leistungsrückgang und gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt. Daher wird dringend empfohlen:

  • den Schwefel grundsätzlich bei der Rationsberechnung zu berücksichtigen,
  • zu gewährleisten, dass die Grenzwerte für den Optimalbereich der Schwefelversorgung eingehalten werden, um sowohl ­Mangelzustände als auch Überschüsse zu vermeiden,
  • den Schwefelgehalt bei allen Grobfutteruntersuchungen, besonders der Silage, und im Tränkwasser regelmäßig zu ­bestimmen,
  • bei Mineralfuttermitteln die Schwefelgehalte der jeweiligen Mischung anzugeben.

Bei zugekauften Futtermitteln sollte bei der Angabe der Inhaltsstoffe der Schwefelgehalt mit aufgenommen werden.

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