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Kuhortung

Praxistest: Digitale Ohrmarke im Einsatz

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am Donnerstag, 21.11.2019 - 09:00 (Jetzt kommentieren)

Kühe haben es faustdick hinter den Ohren. Zumindest seit der Einführung von Smartbow. Mit der digitalen Ohrmarke soll der Landwirt den Gesundheitszustand seiner Tiere jederzeit im Blick behalten. Wir haben uns in der Praxis einmal umgehört, was der Alleskönner wirklich kann.

Kaum ist das Telefonat beendet, brummt das Handy von Jan Ahrenshop schon wieder. Aber diesmal ist es kein Mitarbeiter, sondern eine seiner Kühe, die sich meldet, oder sagen wir eher indirekt meldet. Das Kuhüberwachungssystem Smartbow zeigt an: Wiederkaualarm bei Kuh Nr. 19. Sie ist eine von 500 Tieren im niedersächsischen Milchviehbetrieb Ahrenshop.

Smartbow ist nicht nur ein Chip, den die Kuh spazieren trägt; es ist die Zukunft im Stall – ein Datensammler und Sender für die Komplettüberwachung im Stall, Big Brother für die Kuh sozusagen. Die digitale Ohrmarke registriert über die Ohraktivität den Gesundheitszustand der Kühe, wie die Wiederkauaktivität. Die Daten leiten Empfänger im Stall an den lokalen Server im Milchviehbetrieb weiter. Dort werden sie analysiert. „Ist beispielsweise die Wiederkauaktivität bei einer Kuh zu niedrig, warnt mich das System vor und ich kann mir dann am Futtertisch das Tier ansehen“, sagt Jan Ahrenshop. Seit einem Jahr ist das Kuhüberwachungssystem bei ihm im Einsatz.

Gesundheit ist nicht das Einzige, was das System erkennt. „Auch den richtigen Zeitpunkt für die Besamung gibt Smartbow an – inklusive Brunstverlauf. Bei 500 Tieren im Stall ist es fast unmöglich zu sehen, wann eine Kuh brünstig ist.“ Mithilfe der digitalen Ohrmarke weiß der Landwirt gleich, welches Tier besamt werden muss, und kann darauf reagieren. Aber der Milchvieh- halter weiß nicht nur, welches Tier brünstig ist, sondern auch, wo es sich aufhält. „Bei der Tierzahl die richtige Kuh im Stall zu finden, ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Die Zeit habe ich einfach nicht“, sagt er. Smartbow ortet die Kuh in Echtzeit. Dadurch lässt sich jede Bewegung und die Position kontinuierlich verfolgen. Dabei lernt das System vom individuellen Verhalten und von den Aktivitätsmustern der Kühe und passt sich daran an. Der Hersteller verspricht, dass Smartbow das Tierwohl verbessert und gleichzeitig Kosten einspart.

Knapp 134 Euro kostet die Gesundheits- und Brunstüberwachung pro Kuh bei einer Herdengröße von 100 Tieren. Für insgesamt 156 Euro gibt es die Tierortung noch dazu (siehe pdf „Smartbow im Faktencheck“). Natürlich gibt es dafür auch andere, billigere Lösungen. Landwirt Ahrenshop weiß das auch. „Aus Sicherheitsgründen wollte ich keine Halsbänder. An den Ohrmarken war ich schon länger interessiert. Doch ich habe gewartet, weil das System in der Anschaffung recht teuer ist.“
Laut Herstellerangaben halten die Batterien etwa zwei Jahre. Die Ohrmarke lässt sich aber wiederverwenden. „Am Anfang hatten wir ein paar Ohrmarken, die schneller an der Sollbruchstelle kaputt gegangen sind. Das Material wurde aber überarbeitet.“
Das Einziehen der Ohrmarken ist schnell erledigt. „Die weibliche Nachzucht ist bei uns ausgelagert. Sobald die Tiere wieder auf den Betrieb kommen, werden die digitalen Ohrmarken eingezogen. Der Sender kommt in das linke Ohr, weil unsere Fressgitter in der Regel nach rechts aufklappen und sich die Kühe die Ohrmarken nicht so schnell rausreißen.“ In Zukunft will der Landwirt das Loch für die Ohrstanzprobe verwenden, das bei der genomischen Selektion entsteht.

Nur für Android kompatibel

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Handhabung und Leistung — unterm Strich ist der Landwirt mit dem digitalen Helfer im Stall zufrieden. „Meine Erwartungen an das System waren sehr hoch, doch es nimmt mir mittlerweile viel Arbeit ab und es entwickelt sich stetig weiter. Ich mache keine Brunstbeobachtung mehr und verlasse mich komplett auf Smartbow“, sagt Jan Ahrenshop. Die Pregnancy Rate der Herde liegt bei 20 Prozent. „Wir rutschen aber nicht mehr darunter.“

Dank der Kuhüberwachung spart der Milchviehhalter auch Zeit. „Ich spare knapp 1 Stunde pro Tag. Ich brauche keine Kühe mehr markieren, die gebullt haben. Das System schickt mir eine Brunstmeldung und speichert die Kuh im System“, sagt der Milchviehhalter aus Niedersachsen.

Ein Manko gibt es aber doch: Smartbow läuft lediglich auf dem Computer und auf Android. „Wir haben bei uns nur Apple in der Familie, aber ich habe mir jetzt extra ein Android-Smartphone für den Betrieb angeschafft.“

Startschwierigkeiten

Auch Sebastian Thoma setzt auf die digitale Brunsterkennung. Der Landwirt hält 160 Milchkühe in Tirschenreuth. Die ersten Ohrmarken hat er im Juli 2016 gekauft. Zusätzlich hat er einen Premium-Servicevertrag abgeschlossen. Der Vorteil: Jährlich bekommt er 5 Prozent der Ohrmarken kostenlos zur Verfügung gestellt. „Bei 215 Ohrmarken sind das 17 Stück, die ich jedes Jahr erhalte, ob ich sie brauche oder nicht.“ Verliert eines der Tiere eine Ohrmarke, hat er gleich eine Reserve. Das ist für Thoma ein wichtiger Service. „Wir haben am Anfang sehr viele Ohrmarken verloren“, sagt er. Nicht selten kam es vor, dass Kühe ihren Kopf an den Tränken gewetzt und die Ohrmarken rausgezogen haben. An und für sich ist das kein Problem: Verliert eine Kuh ihre Ohrmarke, kann man das Gerät ganz leicht wieder am Ohr der Kuh befestigen. „Häufig war der Mistschieber schon vor mir da und hat die Ohrmarken im Güllekanal entsorgt“, sagt Sebastian Thoma. „Da hat man dann leider Pech gehabt.“ Nach einem Tipp von Smartbow bog er die Kanten an den Tränken um. „Seither ist Ruhe im Stall“, sagt der Landwirt.

Firmen kooperieren nicht

Ein weiteres Problem ist die Datenübertragung. „Unser Melktechnikprogramm läuft über GEA.“ Dort trägt der Landwirt alle Daten seiner Kühe ein, ebenso beim Landeskontrollverband und bei Smartbow. „Das war so zeitaufwendig“, sagt er. „Da hat das Aufschreiben länger als die Besamung im Stall gedauert.“ Eine Übertragung der Daten von GEA zu Smartbow und umgekehrt war nicht möglich. Der Grund: Die Firmen kooperieren nicht. „Das ist schade“, sagt der Landwirt. „Jeder kocht sein eigenes Süppchen.“
Was also tun? „In Smartbow haben wir fast keine Daten eingetragen“, sagt Thoma. So hatte er noch bis vor einem halben Jahr sehr viele Fehlalarme. „Jede Kuh, die ein bisschen aktiver als sonst war, hatte gleich einen Brunstalarm.“ Deshalb musste er die Daten von GEA und Smartbow vergleichen. „Ich habe immer mit dem Handy in der Hand geschaut, was sagt GEA und was sagt Smartbow – und das bei jeder Kuh. Das hat genervt“, sagt der Milchviehhalter.

Die Lösung: Vor einem halben Jahr hat er DSP Agrosoft gekauft. „Das Herdenmanagementprogramm fungiert als Headmaster“, erklärt Sebastian Thoma. Dort trägt er alle Daten ein. Einmal am Tag synchronisiert sich DSP Agrosoft mit GEA und Smartbow. „Der Headmaster sagt zum Beispiel, dass die Kuh Elsa trocken steht und leitet die Daten an GEA und Smartbow weiter“, sagt er. Gekostet hat das System 2.000 Euro. Seither ist aber die Fehlerquote bei der Brunsterkennung deutlich zurückgegangen.

Achtung! Die Kuh ruft an

Für Sebastian Thoma haben sich die Ohrmarken von Smartbow gelohnt. Seit er die Geräte verwendet, klappt die Brunsterkennung viel besser in seinem Betrieb. „Lieber investiere ich 30.000 Euro in ein System, das funktioniert, als dass ich täglich ins Blaue abwägen muss, ob eine Kuh rindert oder nicht“, sagt der ausgebildete Ultraschalltechniker. Eine verpasste Brunst kostet den Landwirt schließlich viel Geld – bis zu 150 Euro.
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Ein weiterer Vorteil der Ohrmarken: „Ich weiß immer genau, wie es meinen Kühen geht“, sagt der Landwirt. Im Stundentakt bekommt er Brunst- und Wiederkaualarme auf sein Handy geschickt. „Meine Mädels rufen mich sozusagen an – und zwar ständig“, sagt Thoma. Und das ist gut so. „Sticht mir ein Brunstalarm ins Auge, kann ich sofort reagieren.“

Fazit

Mit Smartbow den Gesundheitszustand der Kühe immer im Blick haben, und das in Echtzeit. Gerade in Großbetrieben erleichtert das System die Tierkontrolle und weist den Landwirt frühzeitig auf Brunsten und Krankheitssymptome hin.

Smartbow: Digitale Ohrmarke im Praxistest

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