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Milchproduktion

Ratgeber: Welches automatische Melksystem passt zu mir?

am Samstag, 13.12.2014 - 10:00 (Jetzt kommentieren)

Der Trend geht immer mehr zu automatischen Melksystemen. Mittlerweile sind die Melkroboter auch technisch gut ausgereift. Bei der Anschaffung sollte jedoch einiges bedacht werden. Wir geben eine Übersicht zu den verschiedenen AMS.

Die Anschaffung eines automatischen Melksystems (AMS) sollte gut durchdacht sein und zum Betrieb passen. Es gilt beispielsweise zwischen unterschiedlichen Kuhverkehrsystemen zu wählen. Ab einer gewissen Herdengröße kann auch über ein automatisches Melkkarussell nachgedacht werden. Fragen nach der Wirtschaftlichkeit und einem betriebsnahen Service sollten beantwortet werden. Die hohen Investitionskosten eines Melkroboters rechnen sich erst bei einer Auslastung von mehr als 650.000 Kilo Milch pro Jahr.
  
Wer automatische Melksysteme einsetzen möchte, sollte ein hohes Verständnis für Technik mitbringen. Der Betrieb eines Melkroboters erfordert eine teilweise vollständig andere Arbeitsweise, die umfassende EVD-Kenntnisse erfordert. Es ist in jedem Fall empfehlenswert, sich die Systeme in der Praxis bei Kollegen anzusehen.
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Melksystem von Herdengröße abhängig

Die Wahl des automatischen Melksystems hängt von mehreren Faktoren ab. Eine Melkbox ist beispielsweise für 60 bis 70 Kühe angelegt. Ab einem Bestand von 250 Kühen steht bei diesem System die Wirtschaftlichkeit in Frage. Einerseits weil die Anschaffungskosten von mehr als vier Melkboxen sehr hoch sind. Andererseits weil aufgrund der dann erforderlichen dezentralen Anordnung der Melkautomaten die arbeitswirtschaftlichen Vorteile verloren gehen können. Ab einer Herdengröße von 250 Kühen sollte über ein automatisches Melkkarussell oder einen größeren Gruppenmelkstand nachgedacht werden.
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Kuhverkehrssystem: Frei oder gelenkt?

Bei den verschiedenen Kuhverkehrsystemen scheiden sich die Geister. Jedes hat seine Vor- und Nachteile.  Die Wahl, ob freier, selektiver oder gelenkter Kuhverkehr, muss jeder Landwirt für sich und seinen Betrieb individuell entscheiden.
 
Freier Kuhverkehr

Bei dem System mit freiem Kuhverkehr haben die Kühe jederzeit Zugang zu allen Funktionsbereichen im Stall. Die Tiere können so oft sie wollen fressen oder den Melkstand aufsuchen. Für einen reibungslosen Ablauf ist Voraussetzung, dass die Melkbox für die Kühe gut sichtbar ist. Bei der Planung sollten die Laufgänge großzügig (mind. 2 Meter) und viel Platz vor und im Melkroboter eingeplant werden.
 
Vorteile:
  • Gutes Tierverhalten und Kuhkomfort
  • Ständiger Zugang zum Fressbereich, hohe Futteraufnahme
  • Geringere Investition (keine “intelligenten Tore”) 
Nachteile:
  • Bei Überbelegung mehr Arbeitsaufwand durch Nachtreiben.
  • Kühe ohne Melkanrecht können den Roboter blockieren
  • Eventuell ungleiche Melkintervalle (besonders am Laktationsende)
  • Bei hohen Gaben an Kraftfutter in der Melkbox steigt die Gefahr der Pansenübersäuerung 
Gelenkter Kuhverkehr
 
Beim gelenkten Kuhverkehr haben die Kühe keinen freien Zugang zum Melkroboter. Hier ist der Zutritt zu einzelnen Stallbereichen nur über die Melkbox möglich. In der Regel sind Liege- und Fressbereich getrennt. Alle Tiere müssen somit bestimmte Tore im Stall aufsuchen, um zum Futter bzw. in den Liegebereich zu gelangen.
 
Selektiv Gelenkter Kuhverkehr (Feed First)
 
Bei selektiv gelenkten Kuhverkehr hängt der Zugang zur Melkbox vom Melkanrecht ab. Tiere, die ein Melkanrecht haben, müssen sich zuerst melken lassen, um in einen anderen Stallbereich zu kommen. Kühe ohne Melkanrecht gehen sofort in den Liegebereich. Das Selektionssystem bietet dem Landwirt die Möglichkeit den Futterzugang variabel zu gestalten. Bei Feed First werden die Tiere über Selektionstore zuerst in den Fressbereich geleitet (zuerst Grundfutter fressen - dann melken).
 
Vorteile:
  • Weniger Arbeitsaufwand für das Nachtreiben
  • Weniger Tiere blockieren den Roboter
  • Gleichmäßigere Melkintervalle bei allen Tieren
  • Hohe Futteraufnahme und Kuhkomfort
  • Geringere Aufnahme von Kraftfuttermengen bei Tieren möglich 
Nachteil:
  • Unübersichtlicher für die Kühe durch Tore und Absperrgitter
  • höherer baulicher und finanzieller Aufwand

Den richtigen Standort wählen

Der Einfluss ob der Kuhverkehr frei oder gelenkt durchgeführt wird, ist häufig von geringerer Bedeutung, so die Landwirtschaftskammer Niedersachsen: Wichtig sind unter anderem der Standort des Melkautomaten, die Gebäudeverhältnisse, die Tiergesundheit und das Fütterungssystem.
 
Der Standort des Melkautomaten sollte so gewählt werden, dass er vom Stall aus gut einsehbar, frei zugänglich und gut erreichbar ist. Altgebäude mit engen, dunklen Wegen oder Sackgassen wirken sich negativ auf den Kuhverkehr aus und reduzieren die mögliche Anzahl Melkungen des Melkautomaten. Auch ist bei vorhandenen Stallungen häufig das Problem, nicht genügend günstig gelegene Liegeboxen für das automatische Melksystem zur Verfügung haben. Die Wege zwischen Liegebox und Melkautomat sollten kurz sein.
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Gestaltung der Zu- und Ausgänge

Werden Melkroboter in Umbauten integriert, handelt es sich meist um eine klassische dreireihige Aufstallung, in der dann im freien Kuhverkehr gearbeitet wird. Wichtig ist hierbei die Gestaltung des Zu- und Ausgangs in und aus dem Melkaustomaten. Unabhängig von der Melkbox kosten nicht optimal gestaltete Zu- und Ausgangsbereiche Zeit.
  • Der gerade Zu- und Ausgang in und aus dem AMS hat hinsichtlich des Betretens und des Verlassens zeitliche Vorteile, benötigt aber in der Breite mehr Platz gegenüber der klassischen 450-Variante.
  • Der beidseitige Zu-und Ausgang zur Melkbox ermöglicht zum Beispiel eine Selektion direkt aus der Melkbox heraus.
  • Beim Mehrboxensystem von GEA Farm Technologies ist mit der Installation der zweiten beziehungsweise dritten Box ein selektiver Kuhumstrieb mit Vorwarteraum empfehlenswert, um eine optimale Auslastung des Melksystems sicherzustellen.
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Mehr Boxen sparen mehr Zeit

Laut der niedersächsischen LWK ermöglicht der Melkautomat (Einboxenanlage) einem Betrieb mit 75 Kühen (Herdengröße) gegenüber einem 2 x 6 Fischgrätenmelkstand im Mittel eine Zeiteinsparung von etwa 35 Prozent. Diese bezieht sich auf die Gesamtarbeitszeit für das Melken, die Boxenpflege und das Herdenmanagement etc. Somit spart ein Betrieb in dieser Größeneinheit etwa 1 bis 1,5 Stunden pro Tag. Bei Betrieben mit mehreren Melkautomaten ist die Arbeitszeiteinsparung dementsprechend größer. Darüber wie sich das Arbeitszeiteinsparpotential auf Betrieben mit mehr als 4 Einzelboxen verhält, liegen bislang wenige Erfahrungen vor, so die Kammer.

Tipp: Betriebsnaher Service!

Bei der Entscheidung für einen Melkroboter ist das Vorhandensein eines betriebsnahen Hersteller-Service unabdingbar. Wenn der Melkroboter eine technische Störung hat oder komplett ausfällt, kann nicht mehr gemolken werden. In diesem Fall muss der Servicetechniker zeitnah vor Ort sein, um den Roboter wieder schnell in den Betrieb nehmen zu können.

Banken finanzieren gerne AMS

Für ein automatisches Melksystem ist eine höhere Investition erforderlich. Die Anschaffungskosten für einen Melkautomaten mit einer Einzelbox, einem Milchprobeentnahmegerät und einem Selektionstor liegen bei etwa 135.000 Euro (Stand 2012; LWK Niedersachsen). Dazu können Kosten für die Milchkühlung, für eine Kraftfutterabrufstation, für die Tiererkennung (z.B. Halsbänder) und für den Einbau des Melkautoamten hinzukommen.
 
Banken finanzieren AMS jedoch relativ bereitwillig, da die Technik auch gebraucht noch an Wert behält und weiterverkauft werden kann. Umgekehrt lassen sich günstig Gebrauchtgeräte bei Händlern und Gebrauchtbörsen finden. Die Preise für gebrauchte Melkroboter liegen zwischen 60.000 und 90.000 Euro.
 

Automatisches Melkkarussell im Praxiseinsatz

Im April 2013 hat ein Unternehmen erstmals in Deutschland ein vollautomatisches Melkkarussell in Betrieb genommen. Im Rahmen eines Innovationsprojektes wird der Betrieb des automatischen Melkkarussell mit 24 Melkplätzen unter Praxisbedingungen in der Laproma AG in Schloßvippach begleitet.
 
Mit diesem Roboterkarussell können bis zu 90 Kühe pro Stunde gemolken werden. Insgesamt fünf Roboter-Arme erledigen die komplette Melkarbeit. In regelmäßigen zeitlichen Abständen wurden über mehrere Melkzeiten der Erfolg der Reinigungsroboter (TPM) sowie der Anhängeroboter (AK) analysiert. Seit der Installation der Kameras konnte ein durchgehend hoher Erfolg für das Anhängen aller Zitzen beobachtet werden, so das Fazit der Beobachter. So wurde der Anteil Kühe geringer, die ein 2. Mal das Karussell betreten müssen. 850.000 Euro kostete die neue Melktechnik die Erzeugergesellschaft.

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