
Zwischen Paletten, verrosteter Landtechnik und Plastikmüll steht ein Eimer mit Weizenkörnern. Am Rand des Eimers erahnt man die Umrisse zweier balancierender Ratten, die sich näherkommen. Sie vollführen ein kurzes Gefecht. Man hört ein lautes Quieken und Rascheln, dann sind die Tiere verschwunden und alles ist wieder still. „Dass sich die Tiere hier tummeln, wundert mich nicht“, sagt Michael Prior.
Der 47-Jährige ist IHK-geprüfter Schädlingsbekämpfer aus dem nordrhein-westfälischen Nordkirchen. Auf dem Milchviehbetrieb, auf dem sich die Szene abspielt, ist er erst seit Kurzem im Einsatz. „Hier gibt es viel zu viele Versteckmöglichkeiten. Dazu kommt der offene Zugang zu Futter und ausreichend Wasserstellen – perfekte Bedingungen für Ratten“, sagt Prior.
Ratten sind vorsichtig
Als Lebensmittelerzeuger sind Landwirte verpflichtet, dem Treiben der Nager Einhalt zu gebieten, doch das ist nicht so einfach. Zum einen sind die Tiere äußerst vorsichtig. Das Auslegen von Gift und Fallen muss wohlüberlegt sein. Zum anderen wird das Bekämpfen immer schwieriger, weil ein Teil der Ratten gegen die Blutgerinnungshemmer resistent ist, die als Giftköder dienen. Davon ist vor allem die erste Generation der sogenannten Antikoagulanzien betroffen. Hierzu gehören die Wirkstoffe Chlorphacinon, Coumatetralyl und Warfarin. Die Gerinnungshemmer erhöhen die Durchlässigkeit der Blutgefäße und die Tiere verbluten innerlich. Das hat den Vorteil, dass der Prozess über mehrere Tage abläuft. Die Artgenossen vermuten nicht den Köder als Ursache und entwickeln daher auch keine Scheu gegen das Gift.
Um die deutlich stärkeren Antikoagulanzien der zweiten Generation anzuwenden (hierzu gehören die Wirkstoffe Bromadiolon, Brodifacoum, Difenacoum, Flocoumafen und Difethialon), muss man über einen entsprechenden Berufsabschluss oder einen Sachkundenachweis verfügen. Ausgebildete Land- und Forstwirte mit Pflanzenschutzanwenderschein gelten als Verwender mit Sachkunde und dürfen entsprechende Schadnagerprodukte zur Bekämpfung von Ratten und Mäusen einsetzen. Die Sachkunde wird unter anderem deshalb verlangt, weil die giftigeren Produkte auch für Nichtzieltiere gefährlich werden können.
Wann braucht es Expertenrat?
Da es so schwer ist, den Nagern beizukommen, lohnt es sich bei hohem Befall, einen Schädlingsbekämpfer zurate zu ziehen, so einen wie Michael Prior. Er hat mittlerweile 20 Jahre Erfahrung und kennt die Schliche und Tricks der Nager.
Im ersten Gespräch mit dem Landwirt versucht er, die Situation auf dem Betrieb zu erfassen. Der Landwirt schildert, dass es mittlerweile so schlimm sei, dass die Ratten tagsüber über den Hof huschen. Man sehe überall Kotecken und er habe auch schon eine tote Ratte im Wassertrog der Kühe gefunden.
In einer ersten Begehung macht sich Prior ein Bild von der Lage. Mit welchem Tier hat er es zu tun? „Es sind Wanderratten. Die kleinere und leichtere Hausratte nutzt ihren Schwanz zum Balancieren. Die Wanderratte hingegen zieht ihn hinter sich her. Hier sieht man Schmierspuren von den Tieren, und da sind nicht nur Trittsiegel, sondern auch Spuren vom nachgezogenen Schwanz zu sehen.“ Von Trittsiegeln spricht der Experte, wenn er Fussabdrücke der Tiere findet. Anhand von Frassspuren schätzt er den Befall ein. Dieser liegt auf dem Betrieb mindestens im mittleren dreistelligen Bereich.
Auf Grundlage der erfassten Spuren werden gemeinsam mit dem Landwirt die Maßnahmen festgelegt. „In der Regel machen wir mit den Betrieben langfristige Verträge über mindestens ein Jahr. Alles andere ist wenig sinnvoll, denn die Bekämpfung von Ratten ist langwierig“, erklärt Prior. Die Kosten liegen je nach Aufwand zwischen 100 und 5.000 Euro. Landwirte sollten bei der Auswahl eines sachkundigen Schädlingsbekämpfers darauf achten, dass er nach DIN 16636 zertifiziert ist.
Ratten richtig ködern

Nachdem die Formalitäten geregelt sind, macht sich Prior auf den Weg und verteilt die Köderboxen. An Stellen, an denen besonders viele Frassspuren zu finden sind, bringt er entsprechend mehr Köderboxen aus. Die Faustformel „eine Box je 10 m“ sei dabei nur ein Näherungswert.
„Ich stelle die Boxen dort auf, wo ich sehe, dass Ratten ein- und ausgehen, Nester haben oder sich verstecken“, erklärt er. „Ratten haben eine ausgeprägte Abneigung gegen Neues. Neophobie nennt man das. Diese Angewohnheit gehört zu ihrem Überlebensprogramm. Daher nutzt man am Besten gebrauchte Boxen. Sie sollten nicht beschädigt und verschließbar sein und man muss sie fixieren können.“
Außerdem verteilt Prior offene Köder. Das darf nur mit dafür zugelassenen Ködern gemacht werden. Sie befinden sich auf Köderbrettern und werden an Stellen, wo man die Nester der Ratten vermutet, zugriffsgeschützt und verdeckt ausgebracht. Der Vorteil: Der Schadnager muss keine Station betreten und damit auch keine Schwellenangst überwinden.
Von jeder Köderbox und jedem Köderbrett vermerkt Prior die Lage und die Menge an Köder, die dort ausgelegt wurde. „Das geht entweder auf einem Papierplan oder mit einem Programm auf dem Tablet“, erklärt er. Auf diesem Betrieb hat er Köderboxen mit Identifikationsnummern, die sich auf dem Plan eindeutig zuordnen lassen. Den Plan erhält der Landwirt anschließend gemeinsam mit der Dokumentation der eingesetzten Köder.
Besser mehr Köder auslegen
Wie beködert wird, hänge letztlich von der Situation vor Ort ab. In einem Nebengebäude, das der Schädlingsbekämpfer betritt, vermutet er einen mittleren bis hohen Befall. Hier wird bekämpft. Prior nutzt dafür ein neues Rodentizid (Selontra), das als Wirkstoff keinen Blutgerinnungshemmer enthält, sondern den Calciumstoffwechsel der Tiere durcheinanderbringt.
Der Wirkstoff Cholecalciferol erhöht den Calciumspiegel im Blut und führt zur Hyperkalzämie. 24 Stunden, nachdem die Tiere die letale Dosis aufgenommen haben, fressen sie nicht mehr und sterben dann. Prior legt sieben dieser Köder auf Brettern, aber auch in Boxen verteilt aus, mit je 140 g Ködermenge. Insgesamt kommen auf diese Weise knapp 2 kg Köder auf einer Fläche von rund 250 m² zusammen.
Der Kampf gegen Ratten ist langwierig
Die erste Kontrolle der Köderboxen und -bretter erfolgt nach zwei Tagen und danach wieder nach sieben Tagen. Bei jeder Kontrolle werden alle Köderplätze aufgefüllt. Stellt man fest, dass an bestimmten Stellen kein Fraß stattgefunden hat, kann man Köder an den entsprechenden Stellen einsammeln oder verringern. Der übrige Köder lässt sich dann an stärker frequentierten Fraßstellen einsetzen. „Man füllt so lange wieder auf, bis nichts mehr gefressen wird, denn Ratten fressen hierarchisch. Erst kommen die dominanten Tiere, anschließend die weniger dominanten. Wenn man alle erwischen will, muss das Angebot kontinuierlich vorhanden sein“, erklärt Rattenbekämpfer Prior.
Nach zwei Tagen haben die Tiere 150 g gefressen. „Das entspricht in etwa 15 Tieren. Es hätte mehr sein können, aber das freie Futter ist einfach eine große Konkurrenz“, merkt Prior an. Eine Woche später haben die Köder ihre Wirkung doch getan. „Rund 1 kg der neuen Ködermasse wurden gefressen. Damit haben wir 100 Tiere unter Kontrolle“, freut sich Prior. Auch der Landwirt gab schon eine positive Rückmeldung: Es sei mittlerweile schon viel ruhiger geworden in den dunklen Ecken.
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