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Milchproduktion

Schweiz: SMP-Milchproduzenten verlassen Branchenorganisation

am Donnerstag, 06.10.2011 - 09:10 (Jetzt kommentieren)

Bern - In der Schweizer Milchwirtschaft kracht es gewaltig: Die Milchproduzentenvertretung SMP hat in ihrer Vorstandssitzung beschlossen, aus der Branchenorganisation Milch (BOM) auszutreten.

Die Vorstandssitzung fand bereits in der Vorwoche statt. Hauptgrund für den Austritt ist die von der BOM beschlossene Senkung des Richtpreises um vier Rappen, die als "Provokation" empfunden wird. Außerdem schreite der notwendige Abbau der hohen Butterlager viel zu langsam voran, wird betont. Der Schweizerische Bauernverband (SBV) zeigt Verständnis für den Austritt und stellt fest, dass die Branchenorganisation offenbar die nötige Stabilisierung des Milchmarktes nicht gewährleisten könne. Die Branchenorganisation wurde im Juni 2009 als gemeinsame Plattform der Schweizerischen Milchwirtschaft gegründet, um nach Abschaffung der Produktionsquoten die Marktstabilität zu erhalten und eine möglichst hohe Wertschöpfung sowie die Erhaltung der Marktanteile auf den in- und ausländischen Märkten zu gewährleisten.
 
Gründungsmitglieder waren rund 50 regionale und nationale Organisationen der Milchbauern und -verarbeiter sowie Einzelfirmen der Industrie und des Detailhandels. Mit dem Zusammenschluss wurden über 95 Prozent der eidgenössischen Milchmenge erfasst, wodurch der BOM ein hoher Stellenwert innerhalb der Branche zukam. In den vergangenen zwei Jahren hat sie es aber nicht geschafft, Lösungen für den liberalisierten Milchmarkt zu finden. Es seien vielfach Entscheidungen gefällt worden, die in der Praxis nicht umgesetzt werden konnten, betonen Experten in der Schweizer "Bauernzeitung".
 
Aufgrund der innerhalb der BOM vorhandenen Interessengegensätze habe die Effizienz der Organisation gelitten. Maßnahmen gegen die Überproduktion bei Milch und die stark gestiegenen Butterlager wären nicht wirksam geworden, die Folge sei ein starker Druck auf die Erzeugerpreise gewesen.

Milchbauernvertretung sieht Preissenkung als Provokation

Das Fass zum Überlaufen brachte vergangene Woche der Beschluss der BOM, den Milch-Richtpreis für die Monate November und Dezember um vier Rappen (umgerechnet 3,3 Cent) auf 64 Rappen je kg zu senken. "Der neue Richtpreis berücksichtigt die inländische Marktsituation und insbesondere die Wechselkursproblematik im Exportgeschäft sowie den zunehmenden Importdruck", argumentierte die Branchenorganisation. Der Vorstand der Schweizer Milchproduzenten (SMP) sieht das gänzlich anders: "Diese Preissenkung ist vom Markt her nicht gerechtfertigt und bei der aktuellen Einkommenssituation der Milchbauern unhaltbar. Damit geht Wertschöpfung verloren, ohne dass der Markt wirklich entlastet wird", stellte der SMP-Vorstand dazu fest.

Situation auf Schweizer Milchmarkt äußerst angespannt

"Die Situation auf dem eidgenössischen Milchmarkt ist für die Bauernfamilien, trotz ansprechender europäischer und internationaler Marktlage, seit einiger Zeit äußerst angespannt. Unter dem permanenten Druck der Butterlager erbringen die Milchproduzenten zusätzliche finanzielle Sonderleistungen zur Stabilisierung der Marktlage. Emmentaler-Milchlieferanten haben rückwirkende Erzeugerpreise von teilweise unter 50 Rappen hinzunehmen - ohne erkennbare Aussichten auf Besserung", gibt der SMP-Vorstand in einer Aussendung zu bedenken.
 
Die Branchenorganisation beschließe einerseits die Umsetzung von weiteren Marktstabilisierungs-Maßnahmen, welche zu 100 Prozent durch die Milchbauern bezahlt würden und senke gleichzeitig den Richtpreis um vier Rappen. Den Milchproduzenten sei dies nicht erklärbar. Die Zielsetzung der BOM, die Wertschöpfung der Branche zu fördern, werde so als "reine Worthülse" missbraucht", kritisierte SMP-Vizepräsident Peter Gfeller. Der vorgeschlagene Marktentlastungs-Mechanismus biete keine ausreichende Sicherheit, dass mit den Mitteln effektiv eine effiziente Butterlager-Entlastung stattfinden könne.
 
Vor diesem Hintergrund habe der Vorstand der Schweizer Milchproduzenten beschlossen, aus der aktuellen BOM auszutreten. Man sei überzeugt, dass eine gute Zusammenarbeit in der Branche erforderlich ist und sei auch bereit, neue funktionierende Strukturen auszuhandeln, so der Vorstand. Die SMP behält sich außerdem "jegliche Maßnahmen vor, sollten die in der Branchenorganisation beschlossenen Preissenkungen tatsächlich umgesetzt werden". 

Bauernverband: BOM nicht handlungsfähig

Rückendeckung für diesen Schritt kommt vom Schweizerischen Bauernverband (SBV). Auch er hat "kein Verständnis für den tieferen Milch-Richtpreis". Für ihn steht fest, "dass die Branchenorganisation Milch in der heutigen Konstellation offensichtlich die nötige Stabilisierung des Marktes nicht gewährleisten kann". Es sei widersprüchlich, in der jetzigen Phase des Marktaufbaus den Richtpreis zu senken, kritisiert der SBV in einer Erklärung. Die wirtschaftliche Situation der Milcherzeuger sei sehr angespannt. Eine weitere Reduktion des Produzentenpreises wäre nicht zu verantworten.
 
"Für den SBV ist eine funktionierende Branchenorganisation eine wichtige Voraussetzung für einen transparenten und funktionierenden Markt. Wir erachten es deshalb als vordringlich, dass in der BOM unverzüglich Maßnahmen umgesetzt werden, damit deren Funktionsweise auch bei der Molkereimilch gegeben ist. In der aktuellen Zusammensetzung und mit den heutigen Strukturen ist die BOM offensichtlich nicht handlungsfähig und erreicht die gesetzten Ziele nicht", stellt SBV-Präsident Hansjörg Walter fest.
 
Demonstrativ hinter die Beschlüsse der Branchenorganisation stellt sich der Dachverband der gewerblichen Käsereien, Fromarte; er will die Zusammenarbeit fortsetzen. Auch die Vereinigung der Schweizer Milchindustrie empfindet den Austritt der SMP als Fehler. Wie es in der Branchenvertretung BOM nun weitergeht, steht noch nicht fest. Deren Präsident, Markus Zemp, erklärte in einer ersten Reaktion gegenüber der Schweizer "Bauernzeitung", man müsse nun eine Standortbestimmung vornehmen. Von der Neuausrichtung der BOM bis zu deren Auflösung seien alle Optionen zu prüfen. In zwei bis drei Wochen soll das weitere Vorgehen in einer außerordentlichen Vorstandssitzung festgelegt werden.

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