
Ende November wurde die Studie PraeRi veröffentlicht. Sie untersuchte die Tiergesundheit, Hygiene und Biosicherheit in deutschen Milchkuhbetrieben. „Die Studie entstand aus einem Verdacht einer vorherigen Untersuchung“, sagt Prof. Dr. Martina Hoedemaker im agrarheute-Interview.
„Die damalige Studie beschäftigte sich mit dem Auftreten von Clostridium Botulinum auf Milchkuhbetrieben. Schon in dieser Studie zeichnete sich ab, dass die Betriebe vor allem in Bezug auf die Hygiene und auf das Auftreten von Lahmheiten nachbessern mussten. Das konnten wir in der Botulismus-Studie sowohl auf den Versuchs- als auch auf den Kontrollbetrieben beobachten.“ Diese Beobachtungen der Studie veranlassten das Bundeslandwirtschaftsministerium dazu, die Situation auf deutschen Milchviehbetrieben mit der Studie PraeRi genauer zu untersuchen.
So wurde die Studie durchgeführt
Die Studie wurde repräsentativ in drei Regionen Deutschlands durchgeführt. In der Region Nord waren Niedersachsen und Schleswig-Holstein vertreten. Bayern repräsentierte die Region Süd. In der Region Ost waren alle östlichen Bundesländer bis auf Sachsen miteinbezogen. „Es gibt eine gewisse Regionalisierung der Milchviehhaltung in Deutschland. Diese Einteilung wurde so gewählt, um die Milchviehhaltung in Deutschland repräsentativ wiederzugeben“, sagt Hoedemaker.
Die Studie erfasste das gesamte Betriebsmanagement und die Tiergesundheitsdaten. Zum Teil wurden Einzeltiere untersucht. Die Zahl der untersuchten Kühe und Kälber belief sich auf über 100.000 Tiere. Bei den Kälbern wurden zum Teil klinische Untersuchungen durchgeführt. Bei den Kühen wurde die Körperkondition und die Hygiene beurteilt sowie der Bewegungsscore erfasst. Außerdem wurde geschaut, ob die Tiere Hautschäden oder Sprunggelenkläsionen hatten.
„Daneben haben wir zum Teil klinische Untersuchungen durchgeführt“, sagt Hoedemaker. Bei den Kühen erfassten die Wissenschaftler die Körperkondition und die Hygiene sowie den Bewegungsscore. Außerdem wurde geschaut, ob die Tiere Hautschäden oder Sprunggelenkläsionen hatten. „Wir haben mit unserem Vorgehen versucht, alle Aspekte, die auf einem Milchkuhbetrieb von Bedeutung sind, zu erfassen. Teilweise geschah das über ein Interview mit dem Landwirt, teilweise über Tieruntersuchungen und zuletzt auch über Hilfsparameter wie den Analysen der Tankmilch oder aus der Auswertung der Milchleistungsprüfung“, erklärt Prof. Dr. Martina Hoedemaker.
Allgemeine Ergebnisse
Die Studie ergab, dass es über alle Regionen Probleme gab, die unabhängig von der Region auf vielen Betrieben auftraten. Dies betraf beispielsweise Stoffwechselerkrankungen, Lahmheiten oder auch die Kälbergesundheit. Zudem stellten die Wissenschaftler fest, dass die Landwirte häufig die Tiergesundheit nicht ausreichend dokumentieren. Daher war das Studienteam auf verschiedene andere Datenquellen angewiesen.
Ergebnisse: Stoffwechsel und Fütterung
Die Wissenschaftler stellten fest, dass das Ketoserisiko mit etwa 30 Prozent in den Betrieben recht hoch ist. „Noch höher ist das Risiko für eine ungenügende Rohfaserversorgung, also Pansenazidose“, erklärt Hoedemaker. „Es liegt bei etwa 40 bis 50 Prozent. Es ist also offenbar für viele Betriebe schwierig, die Tiere leistungs- und gleichzeitig wiederkäuergerecht zu füttern. Das zeigt sich auch darin, dass wir bei der Bestimmung der Körperkondition, insbesondere bei den Frühlaktierenden, viele unterkonditionierte Tiere festgestellt haben.“
Ein weiterer Aspekt war die Qualität der Silagen. Bei der mikrobiologischen Untersuchung der angeschnittenen Silagen zeigte sich auf jedem dritten Betrieb Verderb. „Damit war die Grundfutterqualität als wichtiger Bestandteil der Milchkuhration nicht zufriedenstellend“, sagt Hoedemaker.
Ergebnisse zu Lahmheiten
„Bei den Lahmheiten haben wir gute und valide Daten, weil wir die Tiere selbst gescort haben. Wir haben Lahmheitsprävalenzen von 20 bis 40 Prozent festgestellt – im Osten mehr als im Norden und Süden“, sagt die Wissenschaftlerin. Sie konnten außerdem viele Veränderungen an den Sprunggelenken und viele Tiere mit Verschmutzungen ausmachen. „Teilweise war es auf den Betrieben so, dass wir die Sprunggelenksläsionen nicht beurteilen konnten, weil die Tiere so dreckig waren. Nur etwa ein Drittel der Kühe hatte keine Veränderung an den Sprunggelenken und knapp 20 Prozent der Tiere hatte deutliche Veränderungen an den Sprunggelenken.“
Ergebnisse zur Kälbergesundheit
Bei den Kälbern stellten die Wissenschaftler eine hohe Mortalität von durchschnittlich 10 Prozent fest. „Die Versorgung der Bullenkälber war teils nicht so gut wie bei den Kuhkälbern – sowohl bei der Milchversorgung als auch bei der gesundheitlichen Versorgung“, fasst Prof. Dr. Martina Hoedemaker zusammen.
Bei den Kälbern war ein wichtiger Aspekt das Tiergesundheitsmanagement. „Zudem ist die Biestmilchversorgung ein nicht endendes Thema auf den Betrieben“, sagt Hoedemaker. Diese war oft nicht ausreichend. Hinzu kommt, dass das Tränkemanagement auf vielen Betrieben nicht den neueren Erkenntnissen entsprach. „Auf vielen Betrieben wird immer noch eine rationierte Tränke eingesetzt, statt auf eine ad libitum Tränke zu setzen. Damit werden das Wachstum und die Entwicklung der Kälber nicht optimal gefördert“, erklärt Hoedemaker.
Verbesserungsbedarf auf deutschen Milchviehbetrieben
Prof. Dr. Hoedemaker sieht aufgrund der Studienergebnisse Verbesserungsbedarf auf deutschen Milchviehbetrieben:
- Die Dokumentation der Krankheiten muss besser werden. Wichtig dazu sei ein regelmäßiges Monitoring, um die Tiergesundheit einheitlich zu erfassen. Dies könne zum Beispiel im Rahmen einer tierärztlichen Bestandsbetreuung erfolgen.
- Außerdem müsse sich auf den Betrieben die Kenntnis über Biosicherheit verbessern. Oftmals wurden wichtige Aspekte der Biosicherheit nicht eingehalten.
- Die Futterqualität sollte optimiert werden.
- Die Betriebe müssten sich damit beschäftigen, wie sie ihre Tiere leistungs- und gleichzeitig wiederkäuergerecht füttern können. Dies sei auf vielen Betrieben immer noch ein Gesundheitsrisiko.
- Die Kälbergesundheit und das Tränkemanagement müssten verbessert werden.
- Das Problem der Lahmheiten müsse sich auf den Betrieben verbessern. Das sei auch ein Tierschutzproblem.
Handlungsoptionen für Politik und Landwirtschaft
Aus den Ergebnissen der Studie haben die Wissenschaftler Handlungsoptionen für die Politik und Landwirtschaft erarbeitet. Dazu gehören unter anderem:
- Das Etablieren einer gesetzlich festgeschriebenen Hygieneverordnung für Rinder
- Eine nationale Tiergesundheitsdatenbank, um die Tiergesundheit auf den Betrieben einheitlich zu erfassen.
- Die Wissenschaftler schlagen monetäre Anreize für Betriebe mit einem guten Gesundheitsstaus vor.
- Es sollten genaue Kennzahlen für die Haltung und Gesundheit von Kälbern etabliert werden.
- Eine Dokumentationspflicht für den Einsatz von Antibiotika bei Milchkühen.
- Das Einführen einer betrieblichen Eigenkontrolle für Klauengesundheit und das Anerkennen des Klauenpflegers als Ausbildungsberuf.
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