In spezialisierten Milchviehbetrieben werde in der Regel mehr Stickstoff (N) und Phosphor (P) über Futtermittel als über Düngemittel importiert. Diese Auffassung vertritt Prof. Friedhelm Taube. Er fordert deshalb ein radikales Umsteuern in der deutschen Milchviehwirtschaft.
Der Direktor des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung an der Universität Kiel sieht die Zukunft in einer Milcherzeugung auf Gründlandstandorten. Im Interview mit Nachrichtendienst Agra-Europe fordert er deshalb unter anderem einen maximalen Viehbesatz von 1,4 Großvieheinheit (GV) je Hektar (ha) statt 2 GV/ha.
Gentechnikfreie Fütterung führt zu Phosphorüberschuss
Der Kieler Wissenschaftler begründet seine Forderung nach einem geringeren Viehbesatz so: Vor allem auf Maisflächen drohe schnell eine Überdüngung. Aufgrund einer zu geringen Wurzelmasse sei eine erhöhte Nitratbelastung die Folge. Beim Grünland sei das nicht der Fall.
Gleichzeitig führe die gentechnikfreie Fütterung mit Rapsschrot zu höheren Phosphorsalden. Viele spezialisierten Milchviehbetriebe würden den aus fachlicher Sicht geltenden Grenzwert von 4,3 kg/ha überschreiten. Seit 2020 sei diese Obergrenze aber zum Bedauern des von Friedhelm Taube nicht mehr in der Düngeverordnung festgeschrieben.
Eine zukunftsträchtige Milchviehhaltung holt mindestes 75 Prozent der Energie aus dem Grundfutter
Mindestens 75 Prozent des Energie- und Eiweißbedarfs der Milchkuh müssten laut des Wissenschaftlers künftig über das Grünlandfutter bereitgestellt werden. Das sei allenfalls auf typischen Grünlandstandorten wie im Allgäu oder in der Wesermarsch der Fall.
Derzeit liege der Energieanteil aus Grünlandfutter gerade einmal bei 30 Prozent. Dem Wissenschaftler zufolge werde deshalb die Rohmilcherzeugung in Deutschland deutlich sinken müssen. Weder aus Gründen der Ernährungssicherheit noch aus gesundheitlicher Sicht sei das gegenwärtige Produktionsniveau zu rechtfertigen.
Taube prangert Fehlentwicklung in Milchviehhaltung an
„Die Milch verlässt das absolute Dauergrünland und wandert auf Ackerstandorte“, kritisiert der Institutsleiter. Eine Strategie, wie Milchviehhalter überzeugend Ökosystemleistungen bereitstellen, sei nicht erkennbar.
Stattdessen nehme man in Kauf, dass die beiden wichtigsten Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Milcherzeugung nicht mehr erfüllt würden: Zum einen wertvolles Ackerland als wichtigste Ressource für die pflanzliche Ernährung der Menschheit zu schonen, zum anderen entsprechen die Haltungsformen nicht den Ansprüchen eines ursprünglichen Steppentieres und ebenso nicht den Erwartungen einer kritischen Öffentlichkeit. Sie fordert laut Taube einen bedeutenden Anteil an Weidehaltung ein.
Gezielte Förderung für Umstellung auf Weidehaltung nötig
Friedhelm Taube plädiert für eine Kombination von „Fordern und Fördern“, um den Umstieg der Milchproduktion zu gestalten. Dazu sind Förderinstrumente notwendig, die dem Grünland zugutekommen.
Im Vorfeld der Agrarministerkonferenz Ende März fordern Agrar-, Tierschutz- und Umweltverbände die Ökoregelung ab 2024, um eine zweistufige Grünlandprämie zu erweitern.
Als ein zentrales Instrument sieht der Kieler Wissenschaftler das Label „Grünlandmilch“ als gemeinsame Initiative der Milcherzeugerverbände und des Handels.
Hier ist Ihre Meinung gefragt
Werden Sie Teil unserer Community und diskutieren Sie mit! Dazu benötigen Sie ein myDLV-Nutzerkonto.