Sie haben eine Untersuchung zum Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung durchgeführt. Wie viele Betriebe wären von einem Verbot betroffen?
Leider wurden Angaben zu Haltungsverfahren und Weide bisher nur im Jahr 2010 erhoben. Damals hielten 31.500 Betriebe 650.000 Kühe in ganzjähriger Anbindehaltung. Deren Verteilung ist innerhalb Deutschlands ganz unterschiedlich. 75 Prozent aller Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung von Milchkühen liegen in Bayern. In Niedersachsen und Hessen sind es zum Beispiel nur 3 Prozent.
Sie gehen davon aus, dass es in acht Jahren noch 13.500 Betriebe mit Kühen in ganzjähriger Anbindehaltung gibt. Worauf beruht diese Annahme?
Die meisten Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung haben deutlich weniger als 50 Kühe. In dieser Gruppe ist der Strukturwandel besonders ausgeprägt. Um abzuschätzen, wie viele Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung im Jahr 2027 noch existieren werden, haben wir für 80 Prozent der Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung den Strukturwandel aus der Gruppe der Betriebe mit weniger als 50 Kühen übertragen. Danach kann davon ausgegangen werden, dass in acht Jahren noch etwa 13.500 Betriebe mit etwa 270.000 Kühen in ganzjähriger Anbindehaltung vorhanden sein werden.
Wir haben außerdem untersucht, wie die Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung, die im Jahr 2027 wahrscheinlich immer noch Milchvieh halten, strukturiert sind. Dafür haben wir Betriebe mit Betriebsleitern, die dann 70 Jahre oder älter sind und keinen Nachfolger haben, nicht in die Auswertung einbezogen. Dabei kam heraus, dass die Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung deutlich kleinere Herden haben. Sie haben zu rund 36 Prozent ein höheres Einkommen aus außerbetrieblichen Quellen und zu 40 Prozent Einkommenskombinationen. Nur 22 Prozent haben ein Einkommen, das ausschließlich aus der Landwirtschaft kommt.
Fünf Optionen bei einem Verbot der Anbindehaltung
Welche Möglichkeiten haben die betroffenen Betriebe, um mit einem Verbot umzugehen?
Es gibt fünf Optionen. Eine ist das Angebot von Weidegang, eine andere der Bau eines Laufhofs. Weitere Möglichkeiten sind der Um- oder Neubau eines Laufstalls. Ist keine dieser Möglichkeiten umsetzbar beziehungsweise wirtschaftlich, werden die Betriebe die Milchviehhaltung einstellen.
Sind Anpassungen für die Betriebe überhaupt sinnvoll?
Das ist davon abhängig, wie der Standort des Betriebs ist, wie die Bausubstanz ist oder ob es sich um einen jüngeren Landwirt handelt, für den sich die Investition lohnt. Bei älteren Milchviehhaltern stellt sich die Frage, ob sie einen Nachfolger haben. Wir haben hierzu Experten befragt. Sie schätzen, dass 35 Prozent der Betriebe keine der vorgestellten Alternativen umsetzen können.
Wie hoch schätzen Sie die Folgekosten eines Verbots für die Betriebe?
Das ist von Betrieb zu Betrieb wirklich sehr unterschiedlich. Wir kalkulieren mit Mehrkosten von etwa 0,26 bis zu 13,42 Cent/kg Milch.
Das sind riesige Schwankungen. Woran liegt das?
Das liegt an den Unterschieden in den Kosten für die verschiedenen Optionen: Einen Laufhof zu bauen ist zum Beispiel viel günstiger als einen neuen Boxenlaufstall. Außerdem spielen unzählige einzelbetriebliche und standortbezogene Faktoren eine Rolle. Das reicht von geänderten Kostenstrukturen durch betriebliches Wachstum über höhere Arbeitskosten bis hin zu den Folgekosten der Investition. Hinzu kommen erhöhte Kapitalkosten, die Ausgaben für ein mögliches Genehmigungsverfahren oder eine eventuelle Aussiedlung des Betriebs.
Die Landwirte könnten mit einer Reihe von Maßnahmen unterstützt werden, sodass sie die Kosten für die Umstellung von der ganzjährigen Anbindehaltung in ein anderes Verfahren nicht alleine stemmen müssen. Infrage kommen dafür neben der Investitionsförderung auch Prämien für Weide und eine betriebsindividuelle Beratung. Diese Maßnahmen würden für einen Übergangszeitraum von zehn Jahren zwischen 221,5 und 286,6 Mio. Euro kosten. Darin enthalten sind 10 Mio. Euro für Beratung und 16 Mio. Euro für jährlich auszuzahlende Weideprämie. Die Kosten des Agrarinvestitionsförderungsprogramms von Laufhof- und Stallbauten würden bei einem Zuschuss von 40 Prozent der Investitionskosten 260 Mio. Euro betragen. Bei einem Fördersatz von 30 Prozent läge die Summe bei 195 Mio. Euro. Jährlich müssten also für alle Fördermaßnahmen 22,2 bis 28,7 Mio. Euro öffentliche Mittel bereitgestellt werden.
Mehr interessante Beiträge rund um das Thema Haltung finden Sie im aktuellen Heft agrarheute Rind 06/19.
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