Die mechanische („künstliche“) Enthornung stellt laut Tierschutzgesetz (i.S.d. § 6 TierSchG) eine Amputation dar. Die hier noch vorhandene (Ausnahme-)Regelung, Kälber ohne Betäubung enthornen zu dürfen, steht längst in der Diskussion. Mittelfristig könnte eventuell sogar ein Verbot der „künstlichen“ Enthornung in Deutschland anstehen oder zumindest erst nach einer tierindividuellen Betäubung durch einen Tierarzt erlaubt bleiben. Damit würde der notwendige Aufwand der „künstlichen“ Enthornung massiv ansteigen.
Hornlose Zucht auch für Beef on Dairy interessant
Bei einigen Fleischrinderrassen wie Aberdeen Angus, Polled Hereford oder Galloway ist die Hornlosigkeit seit Jahrzehnten dauerhaft genetisch fixiert. Bei vielen traditionell gehörnten Rinderrassen wie Charolais, Limousin, Weißblaue Belgier, Holsteins, Jerseys oder Fleckvieh existieren inzwischen hornlose Zuchtlinien, die mittlerweile gezielt genutzt werden können. Die Vorteile genetisch hornloser Rinder sind generell:
- ruhigeres Verhalten in der Herde,
- höhere Preise bei der Vermarktung,
- keine Kosten für Enthornung oder Folgebehandlungen.
Die gezielte Nutzung reinerbig hornloser Vatertiere ist nicht nur im Rahmen der Reinzucht von Milchkuhbeständen (Holstein, Fleckvieh u.a.), sondern in besonderer Weise auch im Rahmen der Gebrauchskreuzung (Beef on Dairy) zwecks Erzeugung hornloser Kälber zur Mast von Interesse. Für die Praxis sind vor allem reinerbig (= homozygote) hornlose Vatertiere (Genstatus: PP) von Interesse, da alle Nachkommen (bei Anpaarung an gehörnte Kühe, pp) hornlos (Genstatus: Pp) sind.
Bei der Auswahl der hornlosen Bullen über den Tellerrand schauen
Allerdings sind die Aktivitäten in den verschiedenen Zuchtprogrammen/KB-Organisationen sehr differenziert; beispielsweise das Angebot an reinerbig hornlosen Holsteinbullen. Überlegene Bullen findet man so weit verstreut im gesamten Bundesgebiet und darüber hinaus auch bei ausländischen Anbietern. Den praktischen Züchtern wird deshalb dringend empfohlen, sich nicht nur über das Angebot der vor Ort aktiven Besamungsstation zu informieren, sondern gezielt auch das Angebot anderer deutscher oder ausländischer Stationen zu prüfen. Das Niveau beispielsweise der angebotenen PP-Holsteinbullen ist - auf internationaler Ebene – inzwischen so hoch, dass ein breiter Einsatz der besten PP-Bullen umfassend empfohlen werden kann. Dabei gilt es, neben dem Hornstatus (gehörnt/ungehörnt) aber immer auch konsequent das Vererbungsmuster in den übrigen Merkmalen zu beachten.
Hat INRA-95 langfristig keine Zukunft?
Diese Aussage gilt in gleicherweise auch für die Nutzung von Fleischrindbullen im Rahmen der Gebrauchskreuzung, also Beef on Dairy. Hier sollte das Vorhandensein von Hornanlagen bereits aktuell ein K.-o.-Kriterium für ihren Einsatz sein. Damit haben Rassen, wie INRA-95, die nur Anlagenträger mit Behornung bereitstellen können, keine Zukunft für Beef on Dairy in Deutschland. Stattdessen bieten sich sehr gute, reinerbig hornlose Angus-Bullen als Kreuzungspartner beispielsweise in den reinrassigen Jerseyherden zur Verbesserung der Mastleistung speziell der männlichen Nachkommen und ihren Vermarktungsmöglichkeiten an. Denn behornte Fleischrindbullen (z.B. INRA-95) führen dazu, dass ihre Nachkommen (auch zur Mast) regelmäßig künstlich enthornt werden müssen und dies noch im Stall des Milchkuhhalters - da die 28-Tage-Regel gilt. Da die Rasse Deutsche Angus vollständig hornlos ist und zum Beispiel auch andere hornlose Fleischrindbullen-Alternativen längst vorhanden sind (z.B. hornlose Simmentaler), sollte man solche Hornträger schlichtweg durch deutsche Besamungsstationen dem Landwirt nicht mehr im Bereich "Beef on Dairy" anbieten. (Anm. der Redaktion: persönliche Auffassung des Autors).
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