24. Juli 2020: 20 neue Corona-Fälle bei Tönnies
Der Schlachtbetrieb der Firma Tönnies in Rheda-Wiedenbrück hat vor wenigen Tagen erst die Schlachtung wieder hochgefahren. Jetzt gib es unter den Beschäftigten scheinbar eine neue Infektionswelle.
Eine Specherin des Kreises Gütersloh bestätigte gegenüber den Medien, das 20 Personen aus dem Arbeitsumfeld der Firma positiv getestet wurden. Die betroffenen Arbeiter seien in den vergangenen Tagen im Werk tätig gewesen.
Heute um 11 Uhr soll der Krisenstab deswegen erneut zusammen kommen. Gestern nachmittag habe der Kreis von den positiven Ergebnissen erfahren.
Laut Tönnies seien in den vergangenen Tagen alle Produktionsmitarbeiter getestet worden. Von rund 7.300 Tests seien 30 positiv. Von diesen 30 seien 22 Personen bereits bei einer Reihentestung positiv getestet worden, es handle sich daher um "altpositive Fälle".
24. Juli 2020: Coronavirus über weiter Distanzen übertragen
Wissenschaftler haben den SARS-Cov-2-Ausbruch beim Schlachtunternehmen Tönnies in Rheda-Wiedenbrück untersucht und nun die Studienergebnisse erstmals veröffentlicht. Die Ergebnisse rekonstruieren, wie es zu den initialen Ausbrüchen im Mai 2020 kommen konnte:
- Die Übertragung der Aerosole konnte über mehr als 8 m nachgewiesen werden. Ausgangspunkt war ein einziger Mitarbeiter, der mögliche Superspreader.
- Die hauptsächliche Übertragung fand im Zerlegebereich für Rinderviertel statt. Dort wird die Luft umgewälzt und auf 10 °Celsius runtergekühlt.
- Dementsprechend scheint die Wohnsituation der Arbeiter als Grund für die Corona-Übertragung nachrangig
- Alle positiv getesteten Personen in dem Infektionscluster im Mai 2020 teilen sich eine Kombination aus acht Mutationen, die zuvor noch nicht beobachtet wurde.
Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchte gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und dem Heinrich-Pette-Instituts, Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI) die Ursprünge der massenhaften Corona-Fälle in dem Schlachtunternehmen.
„Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Bedingungen des Zerlegebetriebs – also die niedrige Temperatur, eine geringe Frischluftzufuhr und eine konstante Luftumwälzung durch die Klimaanlage in der Halle, zusammen mit anstrengender körperlicher Arbeit – die Aerosolübertragung von SARS-CoV-2-Partikeln über größere Entfernungen hinweg förderten“, sagt Prof. Adam Grundhoff, Mitautor der Studie und Forschungsgruppenleiter am HPI.
„Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Faktoren generell eine entscheidende Rolle bei den weltweit auftretenden Ausbrüchen in Fleisch- oder Fischverarbeitungsbetrieben spielen. Unter diesen Bedingungen ist ein Abstand von 1,5 bis 3 Metern alleine ganz offenbar nicht ausreichend, um eine Übertragung zu verhindern.“
26. Juni 2020: Die Rolle eines Gottesdienstes und der Umluftkühlung bei der Corona-Infektion
Inzwischen wird mit Hochdruck an der Ursache für den starken Corona-Ausbruch bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück geforscht. Daran arbeiten Wissenschaftler der Uni Bonn in Abstimmung mit dem Robert Koch-Institut (RKI) und dem Landesamt Gesundheit.
Hygieniker Prof. Dr. Martin Exner von der Universität Bonn sagte, dass nach neuesten Erkenntnissen die Umluftkühlung bei der Verbreitung des Coronavirus eine Rolle spielt. Die Lüftungsanlage sei der Hotspot für die Keime. Sie zieht die Luft aus den Raum, kühlt sie runter und bringt die Luft zurück in den Raum. Eine Filterung der Luft gäbe es nicht. Dies wurde beim Hygienekonzept bisher nicht beachtet.
Dem Unternehmen Tönnies und den Behörden gibt der Wissenschaftler keine Schuld. Sie hätten getan, was bisher Stand der Technik und gute fachliche Praxis war. Es sei nicht bekannt gewesen, dass solche Belüftungsanlagen auch kleinste Tröpfchen, sogenannte Aerosole, in Bewegung halten können.
Abhilfe könnten laut Exner Hochleistungsfilter oder auch die Behandlung mit UV-Strahlen schaffen. Außerdem müsse trotz körperlich harter Arbeit weiterhin ein Mundschutz getragen und Abstand gehalten werden. Daran, dass das bei Tönnies auch getan wurde, gäbe es Zweifel.
Auch auf den Ursprung des Infektionsgeschehens gibt es neue Hinweise. In den Fokus rückt laut Medienberichten unter anderem ein Gottesdienst am 17. Mai im niedersächsischen Dissen. Dieser wurde von Mitarbeitern des Tönnies-Schlachthofs und des Zerlegebetriebs Westcrown besucht. Außerdem hätten sich am Tag zuvor Mitarbeiter beider Unternehmen in einem Restaurant getroffen. So hätte das Virus von einen auf den anderen Schlachthof überspringen können.
Update 23. Juni 2020: Lockdown im Kreis Gütersloh
Inzwischen konnten in Rheda-Wiedenbrück 6.650 Proben auf das Coronavirus untersucht werden. 1.553 Mitarbeiter haben sich infiziert. Hinzu kommen einige Fälle im familiären Umkreis.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet hat daraufhin heute Vormittag den Lockdown über den gesamten Kreis Gütersloh verhängt. Dieser soll zunächst bis zum 30. Juni gelten - teilweise auch für den benachbarten Kreis Warendorf.
Damit gelten ab sofort dieselben Schutzmaßnahmen wie im März. Zum Beispiel dürfen sich wieder nur Menschen aus einer Familie oder einem Hausstand beziehungsweise zwei Personen zusammen in der Öffentlichkeit aufhalten.
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Update 20. Juni: Betrieb bleibt 14 Tage geschlossen
In der Fleischfabrik im westfälischen Rheda-Wiedenbrück waren mehr als 1.300 Arbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die Produktion wurde vorerst für 14 Tage gestoppt. Um die Ausbreitung einzudämmen, wurden auch schon Schulen und Kitas schlossen, laut Landesregierung wurde für 7000 Menschen Quarantäne angeordnet.
Laut des Kreises Gütersloh werden das nochmal rund 5.350 Corona-Tests sein. Dabei wird der Kreis von 13 Bundeswehrkräften mit medizinischer Vorkenntnis und zwölf Soldaten für die Dokumentation unterstützt.
Die Reihentestung werde voraussichtlich bis zum 23. Juni andauern. Nach Abschluss der Tests und auf Basis der Ergebnisse wollen der Kreis und Tönnies die Lage neu bewerten.
Unterdessen gehen Virologen laut Radio Gütersloh davon aus, dass die Kälte Hauptursache für die hohe Zahl der Infektionen ist. So sieht zum Beispiel Christian Drosten in den Kühlschrank-ähnlichen Temperaturen die Hauptursache für die Ausbreitung. Es sei auffallend, wie oft es in der Fleischindustrie solche Ausbrüche gebe.
Sein Kollege Hendrick Streeck sieht das ähnlich. Auch die Virologin Isabella Eckerle bezweifelt, dass die Heimatbesuche der osteuropäischen Mitarbeiter die Ursache für die Corona-Infektionswelle sind. Für sie sind die Kälte und die Luftfeuchtigkeit verantwortlich.
Update 18. Juni: 657 Corona-Infizierte bei Tönnies
Die Zahl der Mitarbeiter im Schlachtunternehmen Tönnies, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben, ist weiter gestiegen. Nachdem jetzt 983 Tests ausgewertet sind, waren 657 positiv und 326 negativ, wie ein Sprecher des Kreises Gütersloh mitteilte.
Inzwischen würden sich alle Personen, die auf dem Werksgelände gearbeitet haben, in Quarantäne befinden. 7.000 Menschen sind davon betroffen. Zudem verkündigte der Landrat, dass alle Schulen und Kitas im Landkreis geschlossen werden.
Stand 17. Juni: Krisenstab tagt wegen Neuinfektionen bei Tönnies
Im Kreis Gütersloh spitzt sich die Lage beim Schlachtunternehmen Tönnies in Rheda-Wiedenbrück dramatisch zu: Verschiedene Medien berichten von 400 Neuinfektionen mit dem Coronavirus. Demnach tagt sei 10 Uhr der Krisenstab des Landkreises.
1.000 Mitarbeiter des Schlachhofs wurden auf Covid-19 getestet. Von 500 ausgewerteten Tests seinen bereits 400 positiv, wie Radio Gütersloh berichtet. Laut Landrat Sven-Georg Adenauer werde nun alles dafür getan, einen Shutdown im Landkreis zu verhindern. Dazu soll der Betrieb des Schlachthofs Tönnies soweit wie möglich heruntergefahren werden.
Bei den ersten Massenstests auf das Covid-19-Virus in Schlachtbetrieben in ganz Nordrhein-Westfalen waren nur sehr wenige Mitarbeiter aus einem Teilbetrieb des Zerlegebetriebs für Sauen und Schweine am Tönnies-Standort in Rheda-Wiedenbrück positiv getestet worden.
Update 17. Juni, 13 Uhr: Schulen und Kitas schließen, Shutdown bei Tönnies?
Offizielle Meldungen, ob der Schlachthof ganz schließen muss, gibt es noch nicht. Auf tagesschau.de ist aber zu lesen, dass der Landrat dem Unternehmen mit Schließung gedroht habe, sollte Tönnies die Coronainfektionen nicht in den Griff bekommen. Außerdem dürfen Viehhändler nach WDR-Informationen nur noch bis 14 Uhr anliefern. Auch das deutet auf Einschränkungen hin.
Zudem berichten Landwirte agrarheute, dass sie von ihren Viehhändler schon über den Lieferstopp informiert worden sind. Schweine, die zum Beispiel Freitag vermarktet werden sollten, wurden jetzt schon geschoben. Andere Partien werden auf anderen Standorte umgeleitet.
Laut Radio Gütersloh haben erste Kommunen im Kreis, zum Beispiel Verl, bestätigt, dass sie die Schulen und Kindergärten wieder schließen müssen.
Update 17. Juni, 14 Uhr: LKW mit lebenden Schweinen fahren wieder vom Hof
Wie der WDR berichtet, sind inzwischen mehrere Tiertransporter mit lebenden Schweinen wieder vom Gelände in Rheda-Wiedenbrück gefahren. Ein Viehhändler aus Glandorf sagte gegenüber des WDR, dass die Schweine zu einem Tönnies-Schlachthof ins Emsland gebracht werden. Dort würden sie noch heute geschlachtet.
Ein Unternehmenssprecher habe der ISN gegenüber versichert, dass sich keine nennenswerten Mengen an Schlachtschweinen aufstauen werden. Am Standort in Rheda-Wiedenbrück würden wöchentlich etwa 140.000 Schweine geschlachtet. Diese Menge lasse sich an anderen Tönnies-Standorte umleiten. Andere Unternehmen würden zudem "Nachbarschaftshilfe" leisten.
Update 17. Juni, 16 Uhr: Tönnies stoppt Schlachtung in Rheda-Wiedenbrück
In einer Pressekonferenz hat der Landrat des Kreises Gütersloh, Sven-Georg Adenauer, verkündet, die Schließung des Tönnies-Schlachthofs in Rheda-Wiedenbrück angeordnet zu haben. Er betonte, dass er das macht, damit es im Kreis nicht zu einem Shutdown kommt und glaubt, dies auch verantworten zu können, da es sich um einen Hotspot handelt.
Dr. André Vielstädte, Leiter der Unternehmenskommunikation bei Tönnies, entschuldigte sich im Namen des Unternehmens für die entstandene Situation. "Es geht jetzt um den Schutz der Mitarbeiter und das Wohlergehen des Kreises, nicht um das Unternehmen." Er machte auch deutlich, dass es viele Wochen gelungen sei, mit einem frühzeitig eingeführten Hygiene-Konzept und zahlreichen Schutzmaßnahmen das Coronavirus aus dem Betrieb herauszuhalten.
„Doch jetzt hat es leider eine große Ausbreitung gegeben“, sagt Gereon Schulze Althoff, Leiter des Tönnies-Pandemie-Krisenstabs. Der Ausbruch könne viele Gründe haben. „Die werden wir gemeinsam mit dem Kreis Gütersloh prüfen.“ In den ersten Monaten der Pandemie verzeichnete Tönnies bei mehr als 13.000 Tests in der gesamten Unternehmensgruppe lediglich 128 positive Fälle.
Ursache für sprunghaften Anstieg der Corona-Infektionen wird untersucht
Schulze-Althoff betonte die Bedeutung des Schlachthofs als wichtiger Versorgungsbetrieb, wenn es um Fleisch geht. Der Shutdown sei schmerzlich für die Landwirte und Verbraucher, aber jetzt zähle die Gesundheit der Mitarbeiter und der Bevölkerung.
Wie das Virus in den Schlachthof kommen konnte, werde jetzt gründlich untersucht. Schulze-Althoff deutete aber an, dass die neue Reisefreiheit eine Ursache sein könnte. Denn alle, die jetzt positiv getestet wurden, waren vorher negativ. Aufgrund der zwei langen Wochenenden hätten viele Mitarbeiter verständlicherweise ihre Familien besucht.
Die Urlaubsrückkehrer wurden zwar getestet, aber das sogenannte Spreading könne auch vor den ersten Symptomen auftreten. Täglich würde laut Schulze-Althoff die fachliche Erkenntnis steigen. Die herbstliche Situation und die Aerosolbildung in den gekühlten Zerlegeräumen könnten zu der massenhaften Ausbreitung des Covid-19-Virus beigetragen haben.
Vielstädte machte deutlich, dass die Infizierten aus allen Nationalitäten und allen Bereichen des Unternehmens kämen. Die Werksverträge oder die Unterkunftssituation seien nicht ursächlich für die vielen Infizierten. Schließlich hätte es bei der Überprüfung der Unterkünfte durch den Kreis auch keine Beanstandungen gegeben.
Der Stopp der Schlachtung ist bereits am Mittwochmittag erfolgt. Sukzessive werden weitere Bereiche heruntergefahren. Nur so könne man die weitere Ausbreitung der Erkrankung im Betrieb minimieren. Adenauer rechnet mit einer Schließung von etwa 14 Tagen. Das werde aber zusammen mit allen Verantwortlichen und je nach Entwicklung der Infektionszahlen ständig überprüft.
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