Rudolf Aalderink geht langsam durch ein Abferkelabteil. Er schaut auf die frisch abgeferkelten Sauen und ihre Jungtiere. Sie säugen entspannt – es wirkt friedlich. Doch bei jeder Tierkontrolle begleiten den 53-jährigen Landwirt aus Bad Bentheim Zweifel. Ob seine Leidenschaft für die Schweinehaltung von seinem Sohn in den kommenden Jahren weitergeführt werden kann, steht noch nicht fest.
Dabei ist in dem Familienbetrieb in dieser Hinsicht bereits alles geklärt: Der 20-jährige Fabian Aalderink absolviert derzeit eine landwirtschaftliche Ausbildung und will ab dem kommenden Jahr nach einem Praxisjahr die Fachschule besuchen. „Anschließend möchte ich gern in den Betrieb miteinsteigen und langfristig die Sauenhaltung weiterführen“, sagt er. „Aber die Baugenehmigung für die im Moment geplanten Tierwohlauflagen in den Ställen könnten uns hierbei im Wege stehen“, befürchtet sein Vater.
Baugesetze behindern Entwicklung
So wie Familie Aalderink geht es vielen Schweinehaltern – besonders in den viehstarken Regionen in Nordwestdeutschland. Gesellschaft und Politik fordern immer mehr Tierwohl in den Ställen und die Landwirte sind bereit, es umzusetzen. Doch gesetzliche Regelungen, vor allem im Baugesetzbuch und in der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft), stehen diesen Vorhaben häufig entgegen, wie agrarheute berichtete.
Die Vereinigung des Emsländischen Landvolks hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das prüfen sollte, inwieweit sich Baugesetze und Tierwohlvorgaben gegenseitig behindern. Das Ergebnis: Das Baugesetzbuch verstößt gegen die in der Verfassung festgeschriebenen Interessen des Betreibers einer Tierhaltungsanlage. Damit greift es in die Eigentums- und Berufsfreiheit der Landwirte ein.
Umbau und Erweiterung
Auch im Fall der Familie Aalderink ist die betriebliche Entwicklung durch die aktuelle Gesetzgebung behindert. „Vor zwölf Jahren konnten wir noch einen Bauantrag für eine Modernisierung und Erweiterung unserer Ställe stellen“, erinnert sich Rudolf Aalderink, während er einer stehenden Sau im Ferkelschutzkorb über den Rücken streicht.
Dank der damaligen Umbaumaßnahmen ist Rudolf Aalderink heute gut aufgestellt. „Unser Besamungsbereich ist sehr knapp angelegt, dafür haben wir damals den Wartebereich sehr großzügig geplant. Unser großes Problem sind die Abferkelbuchten. Wir verfügen über 60 Abferkelplätze, die jeweils 4,5 m² groß sind. Für die derzeit geplanten Auflagen sind sie damit viel zu klein“, betont der Sauenhalter.
Mehr Platz gefordert
In einem Verordnungsentwurf fordert Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner zukünftig deutlich größere Abferkelbuchten. Dann sollen der Sau in einer Bewegungsbucht rund 5 m² Grundfläche zur Verfügung gestellt werden. Hinzu kommen noch die Lauf- und Liegeflächen für die Ferkel. „Die Abferkelbuchten sind dann mehr als 7 m² groß“, sagt Rudolf Aalderink. „Das können wir in unserem Stall nicht umsetzen, ohne den Bestand abzustocken.“
Damit aber auch Fabian Aalderink in Zukunft wirtschaftlich und unter den geforderten Tierwohlbedingungen Schweine halten kann, müsste der Sauenstall abgerissen und an gleicher Stelle wiederaufgebaut werden. „Die Tierplatzzahlen würden sich durch diese Baumaßnahme nicht verändern. Wir würden gleich viele Tiere auf einer größeren Stallfläche halten“, sagt Fabian Aalderink. Allerdings sei es fraglich, ob sie dafür eine Baugenehmigung bekämen. Zudem verlieren sie nach der jetzigen Gesetzgebung im Baurecht den Bestandsschutz für die Anlage. Das würde bedeuten, dass sie Änderungen der Haltungsvorgaben direkt beträfen – ohne Übergangsfrist.
Zielkonflikt lösen
Familie Aalderink fehlt damit Planungs- sicherheit, wie sie ihre Schweinehaltung in Zukunft weiterführen kann. „Zudem kostet die notwendige Baumaßnahme sehr viel, ohne dass wir am Ende einen wirtschaftlichen Vorteil von dieser Investition haben“, sagt Rudolf Aalderink. „Das muss sich am Ende wenigstens dadurch ausbezahlen, dass wir auch in Zukunft weiter Schweine halten können.“
Wie viele andere Schweinehalter wünscht er sich, dass der Zielkonflikt zwischen Bau- und Umweltgesetzen und mehr Tierwohl gelöst wird. „Wenn die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung geändert wird, müssen auch die Gesetze angepasst werden, die direkt davon betroffen sind“, sagt Fabian Aalderink. „Wir Landwirte wollen mehr Tierwohl umsetzen, aber dafür müssen wir auch die Rahmen- bedingungen erhalten“, ergänzt sein Vater, während er die Tür zum Abferkelabteil schließt.
Die gesamte Reportage "Tierwohl versus Baurecht" ist in agrarheute Schwein 08/19 erschienen.
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