Ende Januar machte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) Schlagzeilen: Der Dachverband der Biolandwirtschaft kündigte in einem Schreiben an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner an, aus der Borchert-Kommission auszusteigen, falls die Kriterien für die Schweinehaltung in Stufe 3 unterhalb der Vorgaben des Ökolandbaus angesiedelt würden.
Jetzt zeigt eine exklusive Abfrage von agrarheute unter führenden Agrarpolitikern aller Fraktionen: In der Politik findet die Forderung nach einer eigenen Ökostufe wenig Anhänger. Sogar SPD und Grüne wollen eine gemeinsame Premiumstufe für Schweine aus besonders tierwohlgerechter, konventioneller und ökologischer Schweinehaltung.
Der BÖLW hatte noch einen zweiten Kritikpunkt aufgeworfen: Die Entscheidung über die Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung dauere zu lange. In diesem Punkt hat Niedersachsen diese Woche die Initiative ergriffen. Über den Bundesrat will das Land einen schnellen Beschluss über die Einführung einer Tierwohl-Abgabe auf Milch und Fleisch herbeiführen.
Bundesrat soll Einführung einer Tierwohl-Abgabe vorantreiben
Die niedersächsische Bundesratsinitiative zielt darauf ab, den Landwirten die Mehrkosten für höhere Tierwohlstandards zu honorieren. Eine Abgabe auf Fleisch, Milch und andere tierische Produkte soll das zentrale Finanzierungselement werden. Die Abgabe soll helfen, die Nutztierstrategien von Niedersachsen und des Bundes umzusetzen.
„Wer als Verbraucher am Fleischtresen steht, sollte sich keine Gedanken machen müssen, wie das Tier gehalten, transportiert und geschlachtet wurde, sondern sich auf generell hohe Tierwohlstandards verlassen können“, erklärte Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast. Da der Mehraufwand für höhere Standards aber nicht an der Ladenkasse zu erlösen sei, benötige man eine staatliche Tierwohl-Abgabe.
Unionspolitiker favorisieren Umlage nach Vorbild des EEG
Unter Agrarpolitikern der großen Koalition herrscht durchaus Bereitschaft, noch vor der Bundestagswahl im September über ein Finanzierungskonzept zu entscheiden. Aus der CDU/CSU-Fraktion sprachen sich sowohl Agrarsprecher Albert Stegemann als auch Gitta Connemann gegenüber agrarheute für eine Umlagefinanzierung aus. Vorbild könnte das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sein.
Der Koalitionspartner SPD bleibt etwas unscharf: Matthias Miersch und Susanne Mittag bekräftigten, die Ergebnisse des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung sollten vor der Wahl so weit wie möglich umgesetzt werden. Sonst werde man erfahrungsgemäß „wieder von vorne anfangen“, so Mittag, die Tierschutzbeauftragte der SPD-Fraktion. Wie die Finanzierung konkret aussehen soll, ließen die Sozialdemokraten in ihren Stellungnahmen offen.
Connemann für Ökostufe, von der Marwitz dagegen
Je konkreter die Sachverhalte, desto größer ist allerdings die Meinungsvielfalt in der Politik. Das zeigt die Abfrage von agrarheute zum Streit in der Borchert-Kommission um die Einstufung der Öko-Schweinehaltung in das staatliche Haltungskennzeichen.
Der CDU-Abgeordnete Hans-Georg von der Marwitz erinnert an den Grundsatzbeschluss der Borchert-Kommission, dass es keine eigene Stufe für Ökobetriebe geben solle. Sollten die Haltungskriterien der Stufe 3 aber unterhalb des ökologischen Landbaus angesetzt werden, müssten die unterschiedlichen Kosten bei der Tierwohlprämie berücksichtigt werden. Die Notwendigkeit einer exklusiven Öko-Stufe ergebe sich daraus nicht.
Das sieht Gitta Connemann, ebenfalls CDU, anders. Aus ihrer Sicht spricht Vieles für eine eigene Öko-Stufe. Darum kann Connemann sich auch mehr Stufen als die bisher vorgesehenen drei vorstellen.
Haltungskennzeichnung wird umfassender sein als die Öko-Kriterien

Für die SPD-Tierschutzbeauftragte Susanne Mittag ist es „nicht zwangsläufig, die Stufe 3 an die EU-Ökoverordnung zu koppeln“. Die Kriterien müssten es den Tieren ermöglichen, ihre natürlichen Verhaltensweisen stressfrei und weitestgehend ausleben zu können. Das müssten nicht zwangsläufig die Kriterien des Ökolandbaus sein.
Mittag unterstreicht, die Tierwohlkennzeichnung werde viel umfassender sein, da sie von der Geburt bis zu Transport, Schlachtung und Verarbeitung alle Zwischenschritte labeln werde.
Kompromissbereit zeigt sich der SPD-Abgeordnete Matthias Miersch: „Mir ist wichtig, dass die Borchert-Kommission schnell ein umsetzbares Ergebnis erreicht, das alle beteiligten Verbände mittragen können.“
Ostendorff: Entscheidung ist gefallen
Für den agrarpolitischen Sprecher der Grünen, Friedrich Ostendorff, ist die Entscheidung über die Einstufung der Öko-Schweine mit dem Grundsatzbeschluss der Borchert-Kommission längst gefallen.
Eine eigene Stufe für Bio wäre wünschenswert gewesen, so Ostendorff. Die jetzige Ausgestaltung der Stufe 3 sei aber offen für ökologisch und konventionell wirtschaftende Betriebe. Entscheidend sei, dass der jeweilige Betrieb für seinen Mehraufwand vergütet werde. Die Stufe 3 dürfe Biobetriebe nicht benachteiligen.
FDP und Linke für einheitlichen Ansatz
Aus der FDP-Fraktion unterstrichen die Abgeordneten Christian Dürr und Gero Hocker gegenüber agrarheute, dass eine Vereinheitlichung der Stufe 3 vermeiden könne, den Kampf um begrenzte Marktanteile unnötig anzuheizen.
Kirsten Tackmann, die agrarpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, nannte es logisch, wenn die Kennzeichnung alle Standards einbeziehe. Ein Zerwürfnis mit den Ökoverbänden wäre zudem ein schlechtes Omen und hinterließe Zweifel an der Ernsthaftigkeit, die Probleme wirklich lösen zu wollen.
Der AfD-Abgeordnete Peter Felser hat die Anfrage unserer Redaktion nicht beantwortet.
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