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Biosicherheit

Extreme Hygiene gegen ASP: So machen es Schweinehalter in Russland

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am Montag, 31.05.2021 - 10:15 (Jetzt kommentieren)

Wie arbeiten Schweinehalter in Russland unter dem Eindruck der ASP? Ein Beispiel dafür ist Lipetsk 9 – vor allem für Biosicherheit und Effizienz. Die Farm gehört zum zweitgrößten Schweinefleischproduzenten des Landes.

Unglaubliche Weite, schier endloser Himmel, fruchtbares Land, kaum Dörfer und kilometerlange Straßen, die schnurgerade sind: Ist man in der Region Lipetsk unterwegs, fängt man an, das Potenzial Russlands zu erahnen. Denn trotz der Dimensionen hier – es ist nur eine von vielen Regionen im größten Land der Welt.

Hier, in der Nähe von Dankov, liegt der Ferkelzuchtbetrieb Lipetsk 9. Er ist Teil der großen Intergration Cherkizovo. Das familiengeführte Unternehmen ist russlandweit die Nummer Eins, gemessen an der gesamten erzeugten Fleischmenge, und Nummer Zwei beim Schweinefleisch.
Genau genommen handelt es sich um zwei getrennte Anlagen (Lipetsk 8 und Lipetsk 9), die sich an einer Straße gegenüberstehen. Sie werden als Betrieb Dankov Lipetsk 89 zusammengefasst und bieten insgesamt Platz für 13.500 Sauen. Lipetsk 8 und 9 teilen sich einen Eingang und eine zentrale Futteranlieferung, alles andere ist streng voneinander getrennt. Der Betrieb Dankov Lipetsk 89 wurde 2016 gebaut, die ersten Jungsauen 2017 aufgestallt.

Sauber und modern

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Die Ställe sind modern und sauber, es gibt auffällig wenig Insekten. Jede Anlage hat ihren eigenen Farmmanager und beschäftigt 33 Mitarbeiter. Von außen ähneln sie mit ihren riesigen Ventilatoren und ihren weißen, großzügig angelegten Wirtschaftsgebäuden US-Anlagen.

Es gibt aber Unterschiede, die typisch für Russland im Jahr 2021 sind: Das Farmgelände ist von Zäunen umgeben. Futtermittel-Lkws müssen ihre Ladung außerhalb dieser Zäune abliefern. Jeder, der einen der Betriebe betreten will, muss sich ausweisen – kontrolliert von einem uniformierten Sicherheitsmann. Es folgt der erste Schuhwechsel, dann das obligatorische Einduschen. Fotokameras oder anderes Equipment muss für einen halbe Stunde unter UV-Licht.

Der ASP-Ausbruch

Diese hohen Biosicherheitsmaßnahmen dienen dem Schutz vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Sie sind die Konsequenz aus Ausbrüchen innerhalb der Integration. Zuerst war ein Schweinemastbetrieb mit 36.000 Plätzen in der Region Orel betroffen. Es folgten vier weitere Standorte. 87.500 Schweine mussten gekeult werden. Alles in allem beliefen sich die Verluste laut Brad Heron auf über 25 Mio. US-Dollar (umgerechnet 20,6 Mio. Euro).
Brad Heron ist Amerikaner und kam 2014, kurz vor dem ersten Ausbruch, nach Russland, um die Abteilung Schweinefleisch innerhalb des Unternehmens zu leiten. „Wir konnten das Jahr nur kompensieren, indem wir die meisten anderen Mastschweine später und somit schwerer schlachten ließen.“ Trotz des holprigen Starts ist er auch nach über sieben Jahren noch in Russland aktiv.
Der Einfluss der US-Philosophie auf die Schweinehaltung ist in den Farmen Cherkizovos deutlich erkennbar. So arbeiten verschiedene Fachkräfte aus Amerika auf den Betrieben. Außerdem ist eine amerikanische Stallbaufirma an der Ausstattung der Ställe beteiligt.

Farm in Russland: Alles für die Biosicherheit

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In einem Punkt unterscheiden sich die Farmen in Russland jedoch erheblich von denen in den USA: Die Biosicherheitsmaßnahmen übertreffen den US-Standard. „Wir dachten vor dem Ausbruch im Jahr 2014, wir hätten unsere Biosicherheit ziemlich gut im Griff“, sagt Heron. „Als die ASP das erste Mal zuschlug, merkten wir: Es reicht nicht. Wir haben einiges gelernt.“

So sei der Mensch selbst ein erhebliches Risiko. Der Transport von Lebendvieh war ebenso eine Schwachstelle wie die staatlichen und ausgelagerten Tests, deren Auswertung zu lange dauerten. Das führte zu einer langen Liste von Maßnahmen. Hier einige Beispiele:

  • Für den Transport der Vermehrungstiere wurden umgerechnet fast 8,3 Mio. Euro in Langstrecken-Lkws mit Filteranlagen investiert. Alle Lkws zum Futter- und Tiertransport werden per GPS überwacht.
  • Es gibt Biosicherheitsaudits. Verstöße werden monatlich zusammengefasst.
  • Das Unternehmen hat für rund 4,3 Mio. Euro ein eigenes Zentrallabor in der Nähe von Moskau errichtet. Dort werden rund 800 Schweineproben pro Woche untersucht.
  • 1,24 Mio. Euro wurden in den Kauf von 45 Verbrennungsöfen investiert, um tote Tiere vor Ort entsorgen zu können.
Cherkizovo hat eine hocheffiziente und moderne Integration aufgebaut und gute Rückschlüsse aus den ASP-Ausbrüchen gezogen. Außerdem lässt die direkte Nachbarschaft zu China auf steigende Nachfrage hoffen – vor allem nach Jungsauen, um die Zuchtherden wieder aufzufüllen.

Laut Brad Heron erfüllt das Unternehmen außerdem bis auf das Absetzalter alle EU-Tierwohlstandards.

Mit Material von Vincent ter Beek / Pig Progress

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