
In einem Jahr müssen Ferkelerzeuger für ihren Betrieb eine der Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration gewählt haben. Dabei spielen die Kosten der jeweiligen Methode eine wichtige Rolle. Doch oft sind diese Mehrkosten unklar. Mandes Verhaagh vom Thünen-Institut in Braunschweig hat genauer nachgerechnet.
Sie haben die Wirtschaftlichkeit der Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration untersucht. Was war dabei die größte Herausforderung?
Die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration zu berechnen, ist insgesamt eine komplexe Aufgabe. Das liegt zum einen daran, dass die Alternativen, Ebermast und Immunokastration, eine Umstellung für die Mastbetriebe und auch für die nachgelagerte Wertschöpfungskette bedeutet.
Zum anderen gibt es für die Verfahren der chirurgischen Kastration unter Betäubung noch rechtliche Fragen. Für die Injektions- narkose muss geklärt werden, ob der Landwirt die Nachkontrolle der Narkose selbst durchführen kann. Auch müssen Landwirte wissen, ob die Möglichkeit besteht, dass die Lokalanästhesie langfristig noch zugelassen wird. Daher kann man an dieser Stelle nur theoretische Fragestellungen beantworten.
Haben Sie die ökonomische Bewertung der Alternativen für Praxisbetriebe berechnet?
Ja, wir haben die ökonomischen Auswirkungen in zwei aktuellen Studien berechnet. Im Thünen Working Paper 110 haben wir die vier in der Praxis verfügbaren Alternativen, Ebermast, Immunokastration und die Narkoseverfahren mit Isofluran und Ketamin/Azaperon sowie die derzeit nicht zugelassene Lokalanästhesie, betrachtet und die Auswirkungen für regionstypische Ferkelerzeuger- und Schweinemastbetriebe kalkuliert. Im Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) PraxiKaPIK/A haben wir unter anderem die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Vollnarkose mit Isofluran und Ketamin/Azaperon sowie die Lokalanästhesie mit Procain für die chirurgische Ferkelkastration auf konventionellen Betrieben in Nordrhein-Westfalen analysiert.
Was ergaben diese Analysen? Welche ist die günstigste Alternative?
Über alle Verfahren betrachtet hat die Immunokastration den größten wirtschaftlichen Vorteil, allerdings unter der Bedingung, dass die Tiere mit der „normalen“ Preismaske abgerechnet werden. Dieser Punkt führt momentan entlang der Wertschöpfungskette zu Diskussionen und die Beteiligten beurteilen die geimpften Tiere unterschiedlich.
Bei der Immunokastration profitieren Landwirte von einer besseren Leistung der Tiere. Die Tageszunahmen und die Futterverwertung führen zu einer höheren Produktivität der männlichen Tiere und können die Kosten der Impfung kompensieren. Voraussetzungen dafür sind eine getrenntgeschlechtliche Aufstallung und höhere Durchgangszahlen.
Bei der Ebermast ist keine Behandlung der Tiere notwendig. Warum schneidet dieses Verfahren nicht am günstigsten ab?
Das ist eine wichtige und für mich entscheidende Frage. Wenn wir über den Aspekt Tierschutz sprechen, stehen die nicht operativen Verfahren Impfung gegen Ebergeruch und Jungebermast vor den anderen Alternativen. Das könnte langfristig für die Verbraucher wichtig sein.
Wie bereits gesagt, ist bei der Immunokastration der ökonomische Vorteil vom Abrechnungssystem abhängig. Bei der Ebermast ist durch die Einführung der Eberpreismaske dieser Aspekt bereits eingetreten. Die Landwirte profitieren nicht mehr von der verbesserten Leistung der Jungeber, weil die Abrechnung sie mit deutlichen Abschlägen belegt. Der deutliche Mehraufwand für das Management der Tiere wird nicht honoriert.
Welche Einschränkungen sehen Sie bei der Immunokastration oder Ebermast?
Da muss man zwischen der landwirtschaftlichen Erzeugung, der Schlachtung und der Verarbeitungsindustrie unterscheiden. Auf Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe ist der zeitliche Mehraufwand in der Produktion zu nennen. Zudem schränkt die Ebermaske den wirtschaftlichen Spielraum für die Ebermast erheblich ein. Hinzu kommt momentan häufig die Unsicherheit für die Mäster, ob die Schlachthöfe ihre geimpften Eber abnehmen.
Wenn Landwirte sich doch für eine chirurgische Kastration entscheiden: Welches Verfahren ist hier am wirtschaftlichsten?
Von den in der Praxis verfügbaren chirurgischen Verfahren ist die Anwendung der Isoflurannarkose am günstigsten. Sollte der Landwirt dieses Verfahren in Zukunft selbst anwenden können, lassen sich die Kosten dadurch weiter reduzieren. Am günstigsten ist die Lokalanästhesie, doch die steht Landwirten in Deutschland nicht zur Verfügung.
Wie bewerten Sie die Lokalanästhesie? Könnte sie für Ferkelerzeuger eine wirtschaft- liche Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration sein?
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist die Lokalanästhesie sinnvoll, da sie die geringsten Mehrkosten für den Ferkelerzeuger verursacht. Allerdings wird – nach aktuellem Forschungsstand – die notwendige Schmerzausschaltung nicht erreicht. Zudem fehlt eine Arzneimittelzulassung für die Ferkelkastra-tion. Somit ist momentan die Anwendung der Lokalanästhesie keine Alternative und keine gangbare Lösung für die nahe Zukunft.
Wie schneiden die beiden Vollnarkoseverfahren in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit ab?
Die Injektionsnarkose ist ein sehr teures Verfahren; sie verursacht Mehrkosten von rund 5 bis knapp 13 Euro je männlichem Ferkel. Eine Anwendung durch den Landwirt hierbei ist ausgeschlossen. Auf kleineren Betrieben sind die Mehrkosten proportional höher. Die Inhalationsnarkose wirkt sich weniger stark aus. Hier fallen zusätzliche Kosten von 1,50 bis rund 3 Euro je männlichem Ferkel an.
Welche Kosten schlagen hier besonders zu Buche?
Das ist eindeutig: Die meisten Kosten verursachen der notwendige Aufenthalt des Veterinärs, die Arzneimittel für die Narkose und die zusätzliche Arbeitszeit für den Landwirt. Bei der Injektionsnarkose mit Ketamin/Azaperon schlafen die Ferkel lange Zeit nach, was den Einsatz des Veterinärs in die Länge zieht, denn er muss bis zum Erwachen der Ferkel anwesend sein.
Wie könnten die Kosten bei der chirurgischen Ferkelkastration gesenkt werden?
Bei der Isoflurannarkose kann der Sachkundenachweis zur Anwendung der Narkose durch den Landwirt die Kosten effektiv reduzieren. Um die Kosten bei der Injektionsnarkose zu senken, wäre denkbar, dass der Landwirt die Nachkontrolle selbst durchführen könnte. Das würde die Mehrkosten reduzieren.
Interview: wiebke.herrmann@agrarheute.com
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