Als Anfang 2018 die Afrikanische Schweinepest (ASP) in die deutschen Nachbarländer Polen und Tschechien vorgerückt war, führte agrarheute ein Interview mit dem Präsidenten des Friedrich-Loeffler-Instituts, Prof. Dr. Thomas C. Mettenleiter. Es ging um die Verbreitung der Seuche und arum, wie man ihr begegnen kann.
Jetzt steht die ASP tatsächlich unmittelbar vor der deutschen Grenze. Und die Inhalte des Gesprächs sind aktueller denn je. Wir haben Prof. Mettenleiter deshalb um eine Aktualisierung gebeten und präsentieren dieses Interview jetzt.
Herr Prof. Mettenleiter, besteht noch die Chance, dass Deutschland von der Afrikanischen Schweinepest (ASP) verschont bleibt?
Der Verlauf von Tierseuchen lässt sich nicht vorhersagen. Durch die im letzten Jahr erfolgte Einschleppung des Erregers nach Belgien und die kürzliche Ausbreitung nach Westpolen sieht das FLI das Risiko eines Eintrags nach Deutschland aber als hoch an: Die Seuche steht quasi vor der Haustür.
Wie bewegt sich das Virus vorwärts?
Virusreservoir ist die Wildschweinpopulation, der Erreger wird hier von Schwein zu Schwein übertragen. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Bei der rapiden Ausbreitung über große Distanzen, wie wir sie mittlerweile in etwas über zehn Jahren erlebt haben, hat der Mensch eine wesentliche Rolle gespielt. Die Verbreitung vor allem entlang von Hauptverkehrsstraßen lässt sich auch epidemiologisch gut nachvollziehen.
Landwirte und Jäger hierzulande fordern dennoch, die Wildschweinbestände deutlich zu dezimieren. Halten sie diese Maßnahme für zielführend?
Anders als in der Ursprungsregion Afrika, wo einzelne infizierte Tiere das ASP-Virus verbreiten, ohne selbst zu erkranken, braucht es in Europa die Wildschweinpopulation als Erregerreservoir. Das Virus wird dabei von Tier zu Tier weitergegeben. Das einzelne Schwein spielt eine eher untergeordnete Rolle, weil es schnell stirbt. Deshalb ist es durchaus sinnvoll, die Dichte der Wildschweine hierzulande zu verringern.
Wie wirkt sich eine Bestandsdezimierung im Seuchenfall aus?
Im Falle eines Ausbruchs ist das erste Ziel, dass sich das Virus möglichst nicht ausbreiten kann. Hierfür muss um den Seuchenherd in der infizierten Kernzone – in der zunächst Jagdruhe herrschen sollte, um die Tiere nicht zu zerstreuen – herum die Wildschweindichte drastisch reduziert werden. Dafür ist natürlich ein Anfangszustand mit wenigen Wildschweinen besser. Wir reden hierbei aber nicht von einem einmaligen Abschuss einer bestimmten Anzahl Tiere, sondern von einer intelligenten, nachhaltigen Bestandsregulierung.
Sind Wildschweine gegenüber der Afrikanischen Schweinepest genauso empfindlich wie Hausschweine?
Ja, sie erkranken genauso schnell und sterben ebenso häufig wie unsere Hausschweine. Es hängt natürlich auch vom körperlichen Zustand des Tieres ab, aber von den infizierten sterben etwa 90 Prozent.
Rund 10 Prozent der ASP-infizierten Schweine sterben also nicht an der Krankheit. Bleiben sie Virusüberträger?
Sie können das Virus eine bestimmte Zeit tragen, scheinen aber bei der weiteren Entwicklung der Infektion keine Rolle zu spielen. Diese Tiere sind dann vor einer Neuansteckung mit dem identischen Virus geschützt.
Was sind eigentlich die entscheidenden Unterschiede zwischen Klassischer und Afrikanischer Schweinepest?
Das sind völlig verschiedene Erreger. Außer dass beides Viren sind, haben sie wirklich gar nichts miteinander zu tun. Allerdings führen beide zu sehr ähnlichen Krankheitssymptomen, die sich klinisch nicht voneinander unterscheiden lassen.
Bislang gibt es keinen Impfstoff gegen die ASP. Ist da etwas in Aussicht?
Nicht in einer überschaubaren Zukunft. Ein wirklich praxisrelevanter Impfstoff müsste schnell wirken und er müsste verhindern, dass Tiere zu Virusträgern werden, ohne zu erkranken, denn das würde das Problem nur verschärfen. Alle bisherigen Kandidaten erfüllen diese Anforderung nicht. „Goldstandard“ wäre eine Vakzine wie die gegen die Klassische Schweinepest (KSP), die dafür gesorgt hat, dass wir seit 2006 keinen KSP-Ausbruchbei Nutzschweinen mehr zu verzeichnen hatten. Der Impfstoff ist gut oral zu verabreichen und führt innerhalb weniger Tage zu einer belastbaren Immunität, ohne dass Tiere zu „stillen“ Überträgern werden. Von so etwas sind wir bei der ASP leider meilenweit entfernt.
Wie sehen denn die Bekämpfungsmaßnahmen bei einem Ausbruch im Wildschweinbestand aus?
Wir schauen natürlich, welche Erfahrungen unsere Kollegen in betroffenen Gebieten bereits gesammelt haben und was wir daraus für uns ableiten können. Im Osten Tschechiens ist es beispielsweise gelungen, die Seuche in einem relativ engen Gebiet von rund 20 km2 festzuhalten und letztlich zu tilgen. Diesem erfolgreichen Beispiel wollen wir bei einem Eintrag nach Deutschland folgen wie es in Belgien derzeit auch geschieht. Voraussetzung für eine erfolgversprechende Umsetzung ist natürlich eine möglichst frühe Erkennung. Aus diesem Grund müssen alle Unfalltiere, Fallwild und Wildschweine, die vor dem Abschuss krank wirkten, unbedingt auf ASP getestet werden.
Wird es bei Ausbrüchen in Hausschweinebeständen in Deutschland andere Maßnahmen geben als bei der Klassischen Schweinepest?
Nein. An den bewährten Seuchenschutzmaßnahmen der Schweinepestverordnung – einschließlich der Sperrbezirke und Beobachtungsgebiete – muss nichts geändert werden. Das gilt übrigens auch für die Vorbeuge. Eine sorgfältige Einhaltung der betrieblichen Biosicherheit bietet auch bei der ASP den besten Schutz. Hierzu dient die Schweinehaltungshygieneverordnung als gesetzliche Grundlage. Die Afrikanische Schweinepest ist übrigens deutlich weniger ansteckend als die Klassische, auch wenn ihr Verlauf schwerwiegender ist.
Wird im Falle eines ASP-Ausbruchs die Freilandschweinehaltung zum Auslaufmodell?
Das ist schwer vorherzusagen. Natürlich hat ein Wildschwein eher die Chance auf einen Kontakt mit Freilandhausschweinen als mit Tieren in einem Stall und so werden im Seuchengebiet Freilandhaltungen von Schweinen deutlich eingeschränkt oder sogar verboten werden. Aber wir sehen die weitaus größte Gefahr im Erregereintrag über den Menschen, über Futter- und Betriebsmittel und über Maschinen und Geräte. Und da gelten für Stall- und Freilandhaltungen dieselben Biosicherheitsregeln. Ein weiterer Risikofaktor sind übrigens Wildfleisch und Jagdtrophäen, viele Bauern sind schließlich auch Jäger. Deshalb gilt hier besondere Vorsicht, vor allem bei Jagdausflügen in Nachbarländer, die bereits von der Afrikanischen Schweinepest betroffen sind – auch wenn das Fleisch von Tieren, die außerhalb der reglementierten Regionen erlegt wurden, frei handelbar ist.
Wie kann man das Virus denn abtöten?
Das Virus ist bei normalen Umgebungstemperaturen sehr stabil, aber eine Erhitzung für einige Minuten über 70 °C reicht zu seiner Abtötung aus.
Stallkleidung bei 60 °C zu waschen reicht also nicht?
Doch, das ist eine Frage der Einwirkungsdauer. Bei 70 °C reichen wenige Minuten, aber ein Waschprozess bei 60 °C dauert ja länger. Außerdem sind dabei auch fettlösende Waschmittel beteiligt, die die Lipidhülle des Erregers zerstören.
Die ASP ist keine Zoonose. Besteht dennoch die Möglichkeit, dass der Erreger – ähnlich wie bei der Schweinegrippe – einen evolutionären Sprung macht und auch für Menschen gefährlich wird?
Höchst unwahrscheinlich. Das liegt unter anderem daran, dass das ASP-Virus der einzige Vertreter seiner Virusfamilie und genetisch sehr stabil ist. Zudem ist ASP sehr spezifisch und infiziert tatsächlich keine anderen Tiere außer Schweine. Eine Anpassung an andere Wirte über nur wenige Veränderungen im Erbgut, wie das bei Grippeviren immer wieder geschieht, ist hier also nicht zu erwarten.
Auch die Publikumsmedien interessieren sich im Moment für das Thema ASP. Begrüßen Sie das?
Ja. Aufklärungskampagnen innerhalb der Bevölkerung sind ein sehr wichtiges Mittel, denn wie gesagt: Der Mensch spielt bei der Erregerverschleppung die Hauptrolle. Und im Moment kann wohl niemand mehr in Deutschland sagen, er habe noch nie von ASP gehört.
Interview: sabine.leopold@dlv.de
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