Die Diskussion über die Impfung gegen Ebergeruch im Ökolandbau geht weiter. Ausgelöst wurde sie vom Ausschuss für ökologischen Landbau der EU-Kommission. Dieser vertritt die Auffassung, dass die Immunokastration nicht den Prinzipien des ökologischen Landbaus entspricht. Daraufhin hat die Länderarbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau (LÖK) offenbar beschlossen, Improvac im Ökolandbau zu verbieten.
agrarheute hat exklusiv bei der niedersächsischen Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast nachgefragt, welche Position sie vertritt. Denn von außen betrachtet schien alles klar: Improvac wird allgemein von Tierschützern und Tierärzten als die tierschonenste Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration angesehen.
Barbara Otte-Kinast: Dringend notwendig, an Impfung gegen Ebergeruch festzuhalten

Frau Otte-Kinast, warum ist die LÖK aktiv geworden? Wieso wird diskutiert, Improvac im Ökolandbau zu verbieten? Zumal die EU-Kommission ja betont hat, dass es für sie nicht verpflichtend ist und über die endgültige Auslegung noch entschieden werden müsse.
Die LÖK hat 2010 ausführlich und fachlich über den Einsatz von Improvac und seine Kompatibilität mit den Rechtsvorschriften im Ökolandbau diskutiert und festgehalten, dass „die Impfung mit Improvac für den Ökolandbau zulässig ist“.
Auf Anfrage des BMEL antwortete die EU-Kommission mit einem Schreiben vom 9. Juni 2020, dass sie die „Immunokastration nicht akzeptiert“. Dadurch ist die Diskussion wohl wieder in Gang gekommen.
Wie geht Niedersachsen mit dem Beschluss der LÖK um?
Aus meiner Sicht ergibt sich die dringende Notwendigkeit, an gefassten LÖK-Beschlüssen im Interesse aller Wirtschaftsbeteiligten festzuhalten.
Eine plötzliche Änderung dieser Rechtsinterpretation würde für die betroffenen Betriebe, sowohl Ferkelerzeuger als auch Mäster, eine wirtschaftliche Härte darstellen und den Tierschutz im ökologischen Landbau um Längen zurückwerfen. Insofern hat sich Niedersachsen dahingehend positioniert, die immunologische Kastration mittels Improvac für den Ökolandbau weiterhin zu gestatten, solange keine neuen fachlichen Erkenntnisse oder juristische Begründungen vorliegen, die Anlass geben, von den bisherigen Beschlüssen abzurücken.
Das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium hat seine Öko-Kontrollbehörde daher aufgefordert, diese Position auch im Rahmen der Umsetzung des Öko-Kontrollverfahrens in Niedersachsen zu berücksichtigen. Gleichzeitig wird Niedersachsen beim weiteren fachlichen Abstimmungsprozess mit den anderen Bundesländern darauf hinwirken, dass die Immunokastration auch für den ökologischen Landbau erhalten bleibt.
Was hören Sie aus den anderen Bundesländern?
Nach hiesiger Kenntnis und unter entsprechendem Vorbehalt der aktuellen Maßgabe in den anderen Bundesländern zeigt sich derzeit ein heterogenes Bild in der Bewertung von Improvac. Neben Niedersachsen tolerieren auch die Länder Berlin, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und das Saarland die Behandlung.
Bayern, Hamburg, Sachsen und Schleswig-Holstein beabsichtigen nach einer kurzen Übergangsfrist bis 1. September, die Improvac-Anwendung zu verbieten. In den anderen Ländern läuft noch der Abstimmungsprozess zwischen den Fachinstituten und Ministerien.
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Impfung gegen Ebergeruch im Ökolandbau erlaubt bleibt und wie sehen Sie die Chance dafür?
Aus den aktuellen Äußerungen der EU-Kommission, die bei der endgültigen Interpretation der Vorgaben der EU-Ökoverordnung auf den Europäischen Gerichtshof verweist, ergibt sich keine veränderte Fachrechtslage zur Bewertung der Immunokastration. Aus meiner Sicht besteht zurzeit kein Anlass, den Einsatz von Improvac im Ökolandbau zu verbieten.
Update 11. August 2020: Saarland will Immunokastratin im Öko-Bereich hoffähig machen

Unterstützung erhält Barbara Otte-Kinast aus dem Saarland. Auch ihr Amtskollege Reinhold Jost sieht in der Impfung gegen Ebergeruch aus fachlicher Sicht den einzigen tierschutzgerechten Weg und die einzige sinnvolle Alternative zur konventionellen betäubungslosen Ferkelkastration.
„Wenn wir uns nicht schnellst möglich einigen und das Verfahren als einheitliche Lösung auch für den Öko-Bereich etablieren, bleiben viele Betriebe bei konventionellen, blutigen Kastrationen von Ferkeln“, so der Vorsitzende der Agrarministerkonferenz (AMK) 2020. Er will deshalb die Impfung gegen Ebergeruch auf der AMK "hoffähig" machen.
Naturland und Rewe appellieren gegen ein Verbot von Improvac im Ökolandbau
Ein Impfverbot für Öko-Betriebe würde den Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration gefährden. Deshalb lehnt der Ökoverband Naturland in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit der Rewe Group, Pro Vieh und der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) die Entscheidung der LÖK ab.
Sie fordern die Agrarministerinnen und -minister der Länder dazu auf, das Verbot zu stoppen. Bundesministerin Julia Klöckner soll die deutsche EU-Ratspräsidentschaft dazu zu nutzen, sich in Brüssel aktiv für das Tierwohl einzusetzen.
Die Forderungen lauten:
- Überzeugen Sie die EU-Kommission, ihre wissenschaftlich nicht fundierte Ablehnung der Impfung für die ökologische Schweinehaltung zu revidieren.
- Schaffen Sie Sicherheit für die innovativen Öko-Betriebe, die sich frühzeitig um eine besonders tiergerechte Alternative zur Ferkelkastration bemüht haben.
Update: Bayern verbietet Improvac im Ökolandbau
Das bayerische Landwirtschaftsministerium folgt dieser Forderung nicht. Der Freistaat sieht einen zeitlich gestaffelten Ausstieg sowie eine Öko-Kontrolle mit Augenmaß vor. Ökobetriebe müssen ab dem 1. September geborene männliche Ferkel wieder chirurgisch mit Schmerzmittelgabe und Betäubung kastriert oder als Jungeber mästen.
Bayern hat sich nach Angaben des Münchener Agrarressorts bei diesem Vorgehen eng mit den anderen Bundesländern abgestimmt. Niedersachsen sei nach derzeitigem Kenntnisstand das einzige Bundesland, das die Immunokastration im Ökolandbau weiter dulden wolle.
Im Freistaat sind den Ministeriumsangaben zufolge rund zehn Ferkelerzeugerbetriebe eines Anbauverbandes von den Änderungen betroffen. Die meisten Ökoverbände hätten die Immunokastration in ihren Richtlinien ohnehin generell verboten.
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