Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Praxisfall

Ödemkrankheit beim Ferkel: Gute Erfolge dank Impfung gegen Shiga-Toxin

Dr. Heiner Enneking überprüft mit einer Mitarbeiterin den Impferfolg gegen das Shigatoxin.
am Donnerstag, 01.06.2023 - 05:00 (Jetzt kommentieren)

Immer wieder und immer stärker litten die Ferkel im Flatdeck unter der Ödemkrankheit. Erst die Impfung gegen das Shigatoxin half nachhaltig – auch gegen Ohrrandnekrosen.

Ein bis zwei Wochen nach dem Einstallen zeigte sich immer wieder das gleiche Bild: Viele Ferkel litten an der sogenannten Ödemkrankheit. Dr. Heiner Enneking von der Tierarztpraxis Dümmerland betreut den Betrieb.

Der Hoftierarzt sagt: „Neben der Ödemkrankheit waren Ohrrandnekrosen eine weitere Herausforderung. Bis zu 20 Prozent der Ferkel einer Gruppe waren betroffen.“ Dementsprechend hoch seien zwischenzeitlich auch die Verluste gewesen.

Impfung gegen Shigatoxin statt Antibiotika

Deshalb führte der Tierarzt die Impfung gegen das Shigatoxin ein. Vorher musste er über mehrere Wochen immer wieder mit dem Antibiotikum Colistin in der Ferkelaufzucht arbeiten, aber das konnte auf Dauer keine Lösung sein. Colistin stehe seit einiger Zeit verstärkt im Fokus, da es zwar nicht zu den sogenannten Reserveantibiotika zählt, aber genauso bewertet wird.

„Inzwischen können wir in der Regel komplett auf Colistin verzichten. Auch das ist ein Zeichen für den Erfolg der Impfung“, sagt der Hoftierarzt. Heute lägen die Verluste im Flatdeck bei 3 Prozent. Vor der Impfung habe es Durchgänge mit 6 bis 8 Prozent Verlusten in den Gruppen mit Ödemkrankheit gegeben. Einige hätten sogar bei über 10 Prozent gelegen.

Streptokokken oder Shiga-Toxin?

Doch wie fing es an? Mit Streptokokken hat der Betrieb immer mal wieder Probleme gehabt. Als dann aber die Ausfälle dramatisch in die Höhe gingen, wurde durch entsprechende Laboruntersuchungen die Ödemkrankheit schnell bestätigt. Ursache sind shigatoxinbildende Escherichia (E.)-coli-Bakterien.

Eigentlich sind E. coli Umweltkeime, die überall zu finden sind. Es muss nicht extra ein Eintrag von außen stattfinden. Teilweise wird das Shigatoxin in Ställen nachgewiesen, ohne dass es Probleme mit der Ödemkrankheit gibt.

Ödemkrankheit: dicke Augen und zentralnervöse Störungen

Besonders auffällig bei den betroffenen Tieren sind oftmals „dicke Augen“ (Lidödeme) und zentralnervöse Störungen. Bei Sektionen erkennt man zudem häufig Ödeme an den inneren Organen.

In der histologischen Untersuchung (Betrachtung von Gewebeproben unter dem Mikroskop) des Zentralnervensystems zeigen sich ebenfalls Hinweise auf die Ödemkrankheit. Sie sind klar von entzündlichen Veränderungen, wie sie infolge von Glässer- oder Streptokokkeninfektionen auftreten, abzugrenzen.

Eindeutig ist die Diagnose, wenn der Nachweis von Shigatoxin aus dem Darminhalt per PCR vorliegt. Der PCR-Test beruht auf der sogenannten Polymerase-Kettenreaktion. Dabei wird im Labor versucht, gewünschte Erbsubstanz (in diesem Fall des shigatoxinbildenden E. coli) zu vervielfältigen und so nachzuweisen.

Futter anpassen, Rohprotein senken

Die Impfung ist ein Kostenfaktor für den Landwirt. Deshalb kann man zunächst versuchen, das Futter anzupassen. Das Absenken des Rohproteingehalt und insbesondere das Reduzieren der Pufferkapazität des Futters sowie ein Säurezusatz kann die Vermehrung toxinbildender Colikeime im Magen-Darm-Trakt reduzieren.

Der Erfolg dieser Maßnahmen ist aber begrenzt – je nach Schwere des Auftretens hilft irgendwann nur noch die Impfung. Dabei müssen Schweinehalter den Vorlauf von mehreren Wochen berücksichtigen. Die Impfung ist in der ersten Lebenswoche der Ferkel (empfohlen wird am vierten Lebenstag) am sinnvollsten. Werden ältere Ferkel geimpft, sind die Erfolge nicht mehr so hoch. Insgesamt ist nach dem Entschluss zur Ferkelimpfung noch über einen Zeitraum von fast zwei Monaten mit Problemen zu rechnen.

So funktioniert die Impfung

Um Erfolge zu sehen, muss wirklich jedes Ferkel einmal gegen das Shigatoxin geimpft werden. Sie funktioniert anders als übliche Impfungen: Es wird erreicht, dass die Ferkel weniger anfällig für das Shigatoxin sind. Nachweisbar ist es nach wie vor in den Tieren, so der Tierarzt. Die Impfung neutralisiere das Shigatoxin in dem geimpften Tier. Schweinehalter können aber keinen typischen Herdenschutz aufbauen. Alle Ferkel, die nicht geimpft werden, können erkranken.

Es sei eine der wenigen Impfungen, die wie ein Schalter funktioniere. Klappt sie, war der Auslöser für die Symptome das Shigatoxin und das Problem ist gelöst. Hilft die Impfung nicht, muss es sich um eine andere Erkrankung handeln, sagt Heiner Enneking.

In dem von ihm betreuten Betrieb trat ein erfreulicher Nebeneffekt auf: Die Ferkel zeigten weniger Ohrrandnekrosen. Das verdeutliche, wie relevant die Stabilisierung des Darms hinsichtlich dieser Problematik sei. Der Effekt halte aber leider nicht die ganze Aufzucht an. Es gilt, weiter an den Ursachen zu forschen und sie abzustellen.

Weniger Ohrrandnekrosen dank Impfung

Die Einführung der Impfung wurde von der beratenden Tierärztin des Herstellers begleitet. „Die Shigatoxine sorgen für Schäden in den kleinsten Kapillaren. Diese befinden sich auch in den Ohren. Mich interessierte deshalb, ob zwischen den ungeimpften und den geimpften Tieren hinsichtlich der Ohrrandnekrosen Unterschiede bestehen.“

Dazu schaute sie sich die letzte Gruppe ungeimpfter Ferkel an und verglich sie mit den ersten geimpften Ferkeln im gleichen Alter. „Die Indikation für diese Impfung ist einzig und allein die Ödemkrankheit. Uns interessiert es aber sehr, ob man in der Hinsicht eventuell eine Verbesserung findet.“ Sie stellte fest, dass tatsächlich in der Summe weniger, aber auch weniger starke Ohrrandnekrosen auftraten.

Die Impfung hilft also zuverlässig gegen die Ödemkrankheit, sodass weniger beziehungsweise kein Antibiotikum wie Colistin mehr eingesetzt werden muss. Zudem kann man von einer Stabilisierung des Darms und einer Verbesserung nach der Impfung hinsichtlich der Ohrrandnekrosen sprechen.

Kommentare

agrarheute.comKommentare werden geladen. Bitte kurz warten...