Noch immer wird der Spiegel-Artikel "Zum Wohl der Tiere" heiß diskutiert. Viele Landwirte fühlen sich unter anderem durch diese Aussage zu Unrecht an den Pranger gestellt:
"Damit sich die Ware nicht beschädigt, werden, ohne zu zögern, Schweineschwänze und Hühnerschnäbel gekürzt, Kälberhörner ausgebrannt. Das sei Tierschutz, glauben die Bauern."
Die Autorin untermauert diese These dadurch, dass der wissenschaftliche Beirat des Landwirtschaftsministeriums 2015 eine Bestandsaufnahme der Tierhaltung in Deutschland angefertigt hat. Das Ergebnis: Die jetzige Tierhaltung sei nicht zukunftsfähig. Außerdem attestiert die Autorin, dass das Tierschutzgesetz ein Tierleid ohne triftigen Grund verbietet.
Streitpunkt Tierleid
Streitpunkt sind die Themen Schwanz kupieren, Schnäbel kürzen und Enthornen vor allem deshalb, weil die Autorin darin ein Leid der einzelnen Tiere sieht, während Landwirte mit diesen Maßnahmen das Leid ihrer Nutztiere durch Verletzungen vermeiden wollen. Es ist die unterschiedliche Interpretation des TierSchG §2/2:
"Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden."
Die § 5 und 6 des Tierschutzgesetzes, die die Eingriffe genau regeln, sieht die Autorin als Ausnahmen, die das Gesetz aufweichen.
Reaktionen und Fakten zum Schwanzkupieren
Auf der Facebook-Seite von agrarheute meldeten sich viele User, die ihre eigenen Erfahrungen zu den Themen schildern.
Julius Install fasst zusammen, warum noch immer viele Landwirte Schwänze kupieren: "Ich denke das Problem, welches die Landwirte haben ist die Langfristigkeit ihrer Entscheidungen. Entscheiden Sie sich zum Beispiel in der Schweinemast dazu die Schwänze nicht zu kopieren, kann das für gute fünf Monate schlimme Folgen für Mensch und Tier haben. Wir haben das in unseren Ställen auch schon gehabt, dass sich die Schweine gegenseitig die Schwänze blutig gebissen haben. Das Schlimmste, was hierbei passieren kann, ist, dass sie durch die Verletzung des Rückenmarks lahm im Kreuz werden und eine Notschlachtung die letzte Lösung ist. [...] Ich denke, dass viele Landwirte Alternativen ergreifen würden, wenn es gewährleistet ist, dass man zumindest nicht mehr Schaden hat als sonst, denn den meisten Landwirten liegt das Wohl des Tieres am Herzen, auch wenn es leider fast immer anders dargestellt wird..."
Nicht umsonst laufen derzeit viele Forschungen, wie sich das Schwanzbeißen vermeiden lässt. Unter anderem die Agrarwissenschaftler der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft untersuchen unter anderem, welche Materialen sich positiv auf das Schwanzbeißen auswirken. Ihre Versuche zeigten jedoch auch, dass sich das Beißen nicht ganz vermeiden lässt. Auch Tierärzte warnen davor, überstürzt aus dem Kupieren von Ferkelschwänzen auszusteigen. Dies könne zu Tierschutzproblemen führen.
Hier erfahren Sie alles zum Kupieren von Schweineschwänzen und Schwanzbeißen.
Fakten zum Schnabelkürzen
"Ohne zu zögern Hühnerschnäbel kürzen", schreibt die Autorin weiter. Das wird in vielen Betrieben nicht mehr geschehen. In Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern ist das Schnäbelkürzen mittlerweile verboten. Auch der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft, der Bundesverband Deutsches Ei und der Verband Deutscher Putenerzeuger haben in einer Vereinbarung erklärt, auf das Schnabelkürzen verzichten zu wollen. Dennoch kann es zu Federpicken und Kannibalismus in der Hühnerhaltung kommen. Dazu gibt es entsprechende Beratung.
Fakten zur Enthornung
2015 beschlossen die Agrarminister, dass Kälber künftig vor der Enthornung ein Beruhigungsmittel bekommen sollen. Zuvor war lediglich die Verabreichung von Schmerzmitteln Pflicht. Liegt eine Verordnung vom Tierarzt vor, kann der Landwirt das Seditiva selber verabreichen. Beispielsweise in Hessen und Schleswig-Holstein ist dieser Beschluss bereits in die Praxis umgesetzt. Welche Arbeitsschritte bei der Sedation und Gabe eines Schmerzmittels notwendig sind, berichtete die dlz im September 2016.
Leserreaktionen: "Tieren Schmerzen zufügen tut in der Seele weh."
Dass den Landwirten der Austausch zu diesen Themen wichtig ist, zeigen auch die Reaktionen unserer Leser. So schreibt Mei Käfer: "Warum Tiere ggf. Artgenossen verletzen hat aber mehrere Faktoren als nur Platz und Freiland. Die Auslöser sind nicht so einfach zu erklären, weshalb die Kürzung oder Amputation als Prävention gesehen wurde. Die Frage, ist ja nicht ob "verkrüppelt" oder nicht sondern: Gibt es Alternativen? Lassen sich im Falle des Auftretens Maßnahmen gezielt ergreifen, um das Auftreten schnell und effektiv zu beseitigen? Wie hoch sind Präventionskosten und Bekämpfungskosten? Schadet es Tieren auf Dauer, schränkt es ihre natürlichen Verhaltensweisen ein oder zeigen Sie als Folge abnormales Verhalten? Also man sieht, kein leichtes Thema, bei dem es sich sicher mehr lohnt als nur aus einer Perspektive direkt ja oder nein zu brüllen."
Dirk von Salzen würde das Lösungskonzept der Spiegel-Autorin sofort umsetzen - mit einem großen ABER: "Ich würde sofort den Betrieb umstellen und auf Subventionen verzichten. Es müsste mir nur jemand vorrechnen, wovon ich dann leben soll. Woher kommt wohl der ganze Wohlstand? Eines der reichsten Länder der Welt hat kein Geld um die Nahrungsmittel direkt zu vernünftigen Preisen zu bezahlen."
Martin Schoelzel fühlt sich von dem Spiegel-Zitat zu Unrecht beschuldigt: "Ich bin stolz, ein Landwirt zu sein, und ich habe zu den Tieren und zur Natur immer eine persönliche Bindung gehabt. Kein Landwirt tut seinen Tieren oder dem Pflanzenbestand irgendetwas Schädigendes an. Und den Tieren Schmerzen zufügen zu müssen ist erstens gesetzlich geregelt und zweitens tut es einem selbst jedes Mal in der Seele weh! Jeder vermeidet sowas, so gut es geht..."
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