Die Haltungstechnik muss zukünftig das Management und die Tiergesundheit unterstützen. Damit das gelingt, müssen heutige Haltungskonzepte weiterentwickelt und optimiert werden.
Das Wohlbefinden der Schweine steigern und ihre Lebensqualität verbessern – die Definition von Tierwohl scheint einfach zu sein, doch bei der konkreten Umsetzung wird es schwierig, denn oft ist nicht klar, wie genau der Begriff zu verstehen ist. Die Meinung von Experten und der Gesellschaft gehen dabei häufig weit auseinander. Hier muss ein Kompromiss gefunden werden, damit am Ende wirklich das Wohlbefinden der Schweine gefördert und nicht nur Tierwohl fürs Auge gemacht wird. Gleichzeitig müssen die Maßnahmen aber auch technisch machbar sein, ohne dass die Arbeitsproduktivität erheblich leidet.
Die bis heute im Stallbau umgesetzte Haltungstechnik unterstützt vor allem die Produktivität und hohe biologische Leistungen. Rückt dagegen in Zukunft stärker das Tierwohl in den Fokus, müssen viele Kriterien im Stallbau optimiert und weiterentwickelt werden. Vor allem für den Verzicht auf das Kupieren der Schwänze oder die Kastration ist das wichtig.
Stallhülle überdenken
Ein gesunder Bestand ist die Basis für wirtschaftliche Leistungen und für das Tierwohl. Die heutige Haltungstechnik kann bereits dazu beitragen, die Tiere gesund zu halten, und sie vor Erkrankungen schützen. Ein Schlüssel für Tiergesundheit und Umweltschutz liegt beim Luftaustausch, denn es sind weniger die Schadgase, sondern vor allem die luftgetragenen Keime, die die Gesundheit von Schweinen in Warmställen beeinflussen.
Alternative Außenklimaställe haben einen höheren Luftdurchsatz und schaffen ein Reizklima. Allerdings überfordern sie häufig die Anpassungsmechanismen jüngerer Tiere. Zukunftsfähig könnten Kombinationen beider Haltungsformen sein.
Die Haltung großer Schweinebestände ist ohne den Einsatz von Spaltenböden undenkbar. Spaltenböden müssen in Zukunft noch besser drainieren, denn die Buchtensauberkeit nimmt einen immer höheren Stellenwert ein. Sie bildet die Grundlage, um etwa Ebergeruch in der Mast zu reduzieren. Eine überarbeitete Ausformung der Balkenbreite und eine bessere Kotabrisskante können die Selbstreinigung des Bodens fördern. Zudem muss die Schlitzausformung angepasst werden, damit die Gefahr für Klauenverletzungen für große und für Fundamentverletzungen anfällige Sauen verringert wird.
Damit geht die Rolle des Fußbodens künftig deutlich über die Drainageeigenschaften hinaus. Ein Spaltenboden in modernen Ställen muss gut drainieren und den Boden sauber halten. Gleichzeitig muss er aber auch Schadgase aus dem Güllekeller zurückhalten und darf keine Verletzungs- gefahr für die Tiere darstellen.
Stallklima anpassen
Ein funktionaler Spaltenboden, der zukünftig noch mehr Schadgase abhält, kann dazu beitragen, die Luft im Stall zu verbessern. Trotzdem kommt der Belüftung in Warmställen in Zukunft eine wichtige Bedeutung zu, denn nur bei guter Luft kann der Bestand langfristig gesund erhalten werden.
Dabei sind vor allem die luftgetragenen oder an Staubpartikel gebundenen Keime wichtig. Sie beeinflussen nachweislich die Lungengesundheit der Tiere. Daher muss besonderer Wert auf den Luftaustausch gelegt werden. Vor allem das Entkeimen der Luft ist mit einem zu hohen technischen Aufwand verbunden. Einfacher und zielführender wäre es, wenn es gelingt, die Umluft vom Staub zu befreien, denn hier sind die Keime gebunden. In Zukunft sollten daher eine Konditionierung der Zuluft und eine schadstoffgesteuerte Abluft zum Standard werden.
Licht richtig steuern
Bei der Verminderung von Wärme im Stall müssen auch die Lichtquellen bedacht werden, denn natürliches oder künstliches Licht bedeutet immer auch Wärme. Die unterschiedlichen Lichtquellen im Stall sollten aufeinander abgestimmt werden und die natürliche Aktivität der Schweine fördern. Gleichzeitig darf die Lichtquelle weder Hyperaktivität noch Hitzestress auslösen.
Die gesetzlich geforderten 80 Lux sind aber häufig kontraproduktiv für den Tierschutz und gegen die Natur der Tiere. Alle Schweine jeder Bucht und eines Abteils sollten hellere Bereiche zur Aktivität und dunklere Bereiche zur Ruhe vorfinden. Fenster müssen intelligent in Wände und gegebenenfalls auch in die Decken eingebaut werden.
Künstliches Licht muss sich dem Tagesrhythmus der Schweine anpassen. Deshalb sollte die Nachtbeleuchtung so angebracht werden, dass alle Schweine ungefähr von der gleichen Lichtmenge erreicht werden. Diese darf nicht größer als 10 Lux sein.
Liegekomfort
Schweine strukturieren die Buchten in Aktivitäts-, Ruhe-, Fress- und Kotbereich, wenn ausreichend Platz vorhanden ist – allerdings nur, wenn das Stallklima stimmt. Komfortliegeflächen lassen sich also nur in Verbindung mit einem verbesserten Temperaturkomfort in den Ställen umsetzen, denn eine angepasste Temperatur bewerten Schweine nachweislich höher als den Liegekomfort. Zudem funktionieren Komfortliegeflächen nur, wenn sie sich in das Haltungssystem einfügen. Sie können nicht nur auf die Weichheit und Verformbarkeit der Oberfläche des Fußbodens reduziert werden.
Unter thermoneutralen Bedingungen bevorzugen Schweine Böden mit möglichst wenigen oder optimal verteilten Schlitzen. Entscheidend für die Funktion solcher Systeme sind die Stalltemperatur und der strukturelle Aufbau der Bucht. Für Ferkel muss daher eine Zonenheizung eingebaut werden. Sauen und Mastschweine benötigen dagegen Maßnahmen, die die Wärmebelastung verringern, etwa eine konditionierte Zuluft oder aktive Kühlung des Stalls. Ein angepasstes Stallklima mindert bei den Tieren zudem Stress.
Ebenfalls stressmindernd wirkt eine feste Rangordnung. Sie regelt das Zusammenleben der Tiere in der Gruppe. Die Rangordung bei Schweinen ist entweder genau geklärt oder sehr lose. Die stabilsten Rangordnungsverhältnisse lassen sich in Gruppen mit etwa 20 Tieren beobachten. Dies entspricht etwa der Rottenstärke von Wildschweinen.
Echte Großgruppeneffekte mit loser Rangordnung entstehen, wenn 50 und mehr Tiere gruppiert werden. In den mittelgroßen Gruppen von 20 bis 50 Schweinen bleibt die Rangordnung lose. Das macht untergeordneten Schweinen Stress. Sie laufen Gefahr, in Megagruppen mit mehr als 200 Tieren unterzugehen.
Doch diese Großgruppen haben hinsichtlich der Buchtenstruktur Vorteile. Bei der Haltung von unkastrierten oder unkupierten Tieren sind dem aber Grenzen gesetzt, denn das Risiko, dass unerwünschtes Verhalten nachgeahmt wird, steigt. Wenn Wurfverbände erhalten bleiben, treten deutlich weniger Tätertiere auf. Daher ist es sinnvoll, bei der Haltung von unkupierten Schweinen die Gruppen so zu wählen, dass maximal drei Wurfgeschwistergruppen zusammenkommen.
Gleichzeitig müssen Systeme zur Tierbeobachtung und Früherkennung von Störungen genutzt werden, um Großgruppen besser zu managen. So können die Vorteile einer besseren Buchtenstrukturierung optimal genutzt werden.
Fazit
Mehr Tierwohl und ein angepasstes Management müssen in zukünftigen Ställen umgesetzt werden können. Das ist nur möglich, wenn die Haltungstechnik den Menschen unterstützt sowie körperliche Arbeiten und das Management erleichtern.
Die wichtigste Basis für das Tierwohl und die Wirtschaftlichkeit ist die Tiergesundheit. Besonders im Hinblick auf ein mögliches Kastrier- und Kupierverbot muss der Stallbau das unterstützen. Daher müssen die Haltungstechnik und die Bauplanung stetig weiterentwickelt und optimiert werden.
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