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Rückblick EuroTier

„Die Ungewissheit für Schweinehalter war auf der EuroTier spürbar“

Nach vier Jahren und Corona-bedingter Pause fand die EuroTier im vergangenen November wieder in Präsenz in Hannover statt.
am Dienstag, 03.01.2023 - 05:00 (Jetzt kommentieren)

Die EuroTier 2022 fand in einer für Schweinehalter sehr schwierigen Zeit statt. Wir haben mit einigen jungen Schweinehaltern gesprochen, die sich besonders für die Innovationen in den Schweinehallen interessierten und trotzdem mit Sorge in die Zukunft blicken.

Nach vier Jahren öffnete die EuroTier im November wieder ihre Tore auf dem Messegelände in Hannover. Zeitgleich fand wie gewohnt die EnergyDecentral statt. Über 1.800 Aussteller aus 57 Ländern zeigten richtungsweisende Innovationen der Tierhaltungsbranche.

Damit setzt die EuroTier ein wichtiges Zeichen für die zukünftige Entwicklung der Tierhaltung – besonders in der derzeit wirtschaftlich angespannten Lage. Neben der Ausstellung fanden im Rahmen der EuroTier über 400 Fachveranstaltungen und Konferenzen statt.

Unter dem Leitthema „Transforming in Animal Farming“ präsentierte die DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) zusammen mit ihren Partnern ein abwechslungsreiches Ausstellungs- und Fachprogramm. Dabei standen auch zukunftsweisende, technische Innovationen im Fokus, die Produktivität mit mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit ermöglichen sollen – insbesondere aus den Bereichen Digitalisierung, Automatisierung und Robotik.

Die meisten Aussteller kamen aus Deutschland, gefolgt von den Niederlanden, Italien, Frankreich, Spanien, Dänemark, Belgien, Österreich, der Türkei und Großbritannien. Darüber hinaus waren China, Irland und die USA mit einer großen Anzahl an Innovationen vertreten. Auch Aussteller aus dem arabischen Raum, wie Ägypten, Marokko und Algerien, waren Teil der Messe in Hannover. Der Anteil internationaler Aussteller lag bei 60 Prozent. Nach einer langen, Corona-bedingten Zwangspause für eine Messe in Präsenz und regem Austausch an den Ständen ziehen die Aussteller eine positive Bilanz.

 

Schweinehalter Matthias

Bei den Besuchern hingegen zeigten sich gemischte Gefühle. agrarheute hat einige Junglandwirte befragt, mit welchen Erwartungen und Wünschen sie die Messe besucht haben. So kam der 27-jährige Matthias, Schweinehalter aus Nordrhein-Westfalen, mit einer eher gedrückten Stimmung auf die EuroTier. „Die Stimmung auf der Messe ist ruhiger als in den Jahren zuvor“, sagte er im Interview. „Teilweise ist es auch leerer, vor allem in den Schweinehallen.“

Für den jungen Schweinehalter ist die derzeitige Marktlage eine große Herausforderung. Er sieht sie als schwer einsehbar. „Ich hoffe, dass ich in einigen Jahren nicht mit der Landwirtschaft aufhören muss und meinen elterlichen Betrieb noch lange weiterführen kann“, sagt er.

EuroTier 2022: Schweinehalter ernüchtert

Laut einer Umfrage der DLG waren rund 94 Prozent der Besucher trotz der derzeitigen Marktlage mit dem Ausstellungsangebot zufrieden. Besonders interessierte die Befragten das Angebot an Futter- und Betriebsmitteln. Darüber hinaus waren Zucht, Stall- und Hallenbau sowie Haltungs- und Fütterungstechnik gefragte Themenschwerpunkte bei den Besuchern. Rund 39 Prozent der Besucher kamen aus dem Ausland.

Für viele Firmen war die Messe wieder ein voller Erfolg, so auch für den Hersteller von Futtermittelzusatzstoffen und Aminosäuren Evonik Industries. „Die EuroTier spielt eine wichtige Rolle in unserem globalen Messeauftritt. Den guten Ruf hat sie auch 2022 wieder bestätigt, denn auch dieses Mal haben wir viele internationale Kunden in Hannover getroffen“, zieht ein Sprecher von Nutrition bei Evonik Industries ein Resumee zur Messe.

Eine nüchternere Bilanz ziehen viele Schweinehalter. Ihnen merkt man im Trubel der Messe die angespannte Lage an. So ging es auch Nele und Moritz aus Niedersachsen. Die 25-jährigen Junglandwirte betreiben beide einen Sauenbetrieb im geschlossenen System. „Die Schweinehallen sind leer. Man bemerkt die Ungewissheit für die Schweinehalter. Auffällig ist auch, dass wenige ganz neue Innovationen präsentiert werden“, berichten sie im Interview mit agrarheute.

Sie hoffen, dass die Politik es möglich macht, dass Schweinehaltung in Deutschland auch in Zukunft möglich ist. Künftig wollen die beiden jungen Landwirte weitere Betriebszweige auf ihren Höfen aufbauen. Nele setzt dabei auf Tourismus. Sie vermietet bereits Ferienwohnungen auf ihrem Hof.

 Lara-Marie, 17 Jahre (links) und Marleen, 18 Jahre (rechts)

Ähnlich kritisch sehen auch Lara-Marie und Marleen aus Niedersachsen in die Zukunft. Die Schülerinnen eines Fachgymnasiums mit Schwerpunkt Agrar stammen beide von einem Familienbetrieb mit Schwerpunkt Ackerbau, den sie eines Tages übernehmen wollen. „Wir hoffen, dass es in der Landwirtschaft positiv weitergeht. Allerdings sollte man sich auf Schwierigkeiten einstellen.“

Der junge Schweinehalter Daniel aus Gütersloh ist ebenfalls besorgt. Er bewirtschaftet einen Betrieb mit 200 Sauen im geschlossenen System. „Auf lange Sicht denke ich, dass man mehr in Nischen investieren muss, da die Tierhaltung schwieriger wird.“ In Zukunft will er verstärkt auf Sonderkulturen setzen und mehr in den Pflanzenbau investieren.

DLG-Präsident Paetow: Tierhaltung ist essenziell

Die Zeiten für die Tierhaltungsbranche seien noch nie so herausfordernd und anstrengend gewesen wie in den zurückliegenden Jahren und würden dies sicherlich noch bleiben, erklärte DLG-Präsident Hubertus Paetow zur Eröffnung der EuroTier 2022. Für ihn ist die Tierhaltung in Europa und in Deutschland wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Lebensmittelerzeugung.

Fleisch, Eier und Milch seien wertvolle Komponenten der menschlichen Ernährung. Ohne Tierhaltung wäre der Agrarsektor nicht existenzfähig – weder konventionell noch ökologisch.

„Insbesondere der so wichtige Sektor der Schweineproduktion steht aktuell im Sturm. Die Nachfrage nach Schweinefleisch sinkt, getrieben von sich ändernden Verbraucherpräferenzen und Inflationsdruck. Auch die Exportmöglichkeiten sind wegen der Afrikanischen Schweinepest stark eingeschränkt und die Politik tut sich schwer mit einer konstruktiven Rolle“, betonte Paetow.

Weder die zukunftsorientierten und vor allem gesellschaftlich breit abgestimmten Vorschläge der Borchert-Kommission noch die Rahmenbedingungen für eine verlässliche Investition in nachhaltige Zukunftstechnologien seien auf Spur gesetzt worden. Das sei für die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe ein Desaster.

Es lägen gute Konzepte auf dem Tisch und große Teile der Schweinehaltungsbranche seien auch schon in Vorleistungen gegangen und hätten in moderne Ställe und Umbauten investiert, die Tierwohl sicherstellen. Gleichzeitig könnten sie mit ihnen Emissionen aus der Tierhaltung verringern und die Produktivität ihrer Betriebe auf einem wettbewerbsfähigen Niveau halten.

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