Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Schweinezucht

Zuchtsauen von morgen: Robust, langlebig und futtersparend

Ferkel im Ferkelnest
am Donnerstag, 05.01.2023 - 05:00 (Jetzt kommentieren)

Die Schweinehaltung soll nachhaltiger werden und arbeitet daran. Der Grundstein dafür wird bereits in der Zucht gelegt. agrarheute hat Zuchtunternehmen befragt, wie sie das Thema in ihren Zuchtzielen etablieren.

Die gesamte Schweinebranche steht derzeit im Sturm. Die sinkende Nachfrage nach Schweinefleisch, der Inflationsdruck, wachsende Verbraucheransprüche und fehlende Planungssicherheit machen Schweinehaltern zu schaffen. Gleichzeitig wächst von allen Seiten die Anforderung an die Landwirtschaft, nachhaltiger zu werden und zu agieren – auch in der Schweinehaltung.

Bereits in der Zucht kann dafür der Grundstein gelegt werden. agrarheute hat bei Zuchtunternehmen nachgefragt, inwieweit sich das Thema Nachhaltigkeit in den aktuellen Zuchtwerten widerspiegelt und welche Rolle dabei funktionale Merkmale wie Nutzungsdauer, Gesundheit und Futterverwertung sowie nicht funktionale Merkmale wie Mütterlichkeit und Verhalten spielen. Außerdem gaben die Zuchtunternehmen Auskunft darüber, wohin sich der Trend in der Schweinezucht aus ihrer Sicht entwickeln wird.

Zuchtunternehmen setzen auf ausgewogene Selektion

Von agrarheute wurden folgende Zuchtunternehmen befragt: Danish Genetics beziehungsweise Deutsche Breeders, die BHZP, Topigs Norsvin, Suisag, DanBred, German Genetics und PIC Deutschland. Alle Unternehmen setzen in der Ausrichtung ihrer Zuchtwerte auf eine ausgewogene Selektion. So hat Danish Genetics das Zuchtprogramm in die Kategorien Effizienz, Wachstum, Muttereigenschaften, Fortpflanzung, Schlachtkörperqualität und Robustheit unterteilt. Das Zuchtunternehmen gibt an, dass diese Schwerpunkte gewählt wurden, weil ihre Kombination zu einer nachhaltigeren Zucht mit Gewinn für die Verbraucher, einer geringeren Umweltbelastung und einem besseren Tierschutz führe. Das Unternehmen achtet darauf, wie sich die einzelnen Zuchtmerkmale gegenseitig verstärken können, anstatt sich auf einzelne Merkmale zu konzentrieren.

Das Unternehmen BHZP setzt ebenfalls auf eine ausgewogene Selektion. Dabei wird größter Wert darauf gelegt, dass alle wichtigen Merkmale miteinander abgestimmt werden. Dazu gehören zum einen ökonomisch relevante Merkmale, die eine hohe Effizienz mit Nachhaltigkeit in Einklang bringen. So führt beispielsweise eine gute Futterverwertung direkt zur Ressourcenschonung und mindert die Nährstoffausscheidungen. Zum anderen bezieht das Unternehmen funktionale Merkmale mit ein, da gesunde und robuste Tiere die Grundlage für eine effiziente Schweinehaltung sind. Darüber hinaus hat das Unternehmen bereits vor einigen Jahren im Rahmen der Leistungsprüfung standardisierte Tests und eine darauf fußende Zuchtwertschätzung etabliert, um Tiere mit einem ruhigen Grundcharakter zu selektieren. Das soll das Verhalten der Tiere gegenüber dem Menschen und auch untereinander verbessern. Damit will BHZP einen Beitrag dazu leisten, dass die Tiere in Stresssituationen weniger schnell zum Schwanzbeißen neigen.

German Genetics setzt den Fokus in der Zucht verstärkt auf den Maternalfaktor, der für mehr abgesetzte Ferkel und weniger Ferkelverluste sorgen soll. Zudem soll züchterisch die Lebensleistung der Sau verbessert werden, indem Wert auf die Anzahl der Ferkel gelegt wird, die eine Sau in ihrem Leben aufzieht. Mit der Eberlinie Hermens sollen verstärkt die Zunahmen und die Futterverwertung verbessert werden, um Ressourceneffizienz in Zeiten hoher Futterkosten umzusetzen. Die Eberlinie Gentleman ist darauf selektiert, dass Schwanzbeißprobleme reduziert werden können.

Das Balanced-Breeding-Programm von Topigs Norsvin hat laut Aussage des Unternehmens oberste Priorität. Dabei werden nicht nur die ökonomisch wichtigen Merkmale, sondern vor allem die Merkmale zum Wohl des Tiers berücksichtigt. In den Mutterlinien ist nicht nur die Anzahl der gesamt geborenen Ferkel, sondern eine klare Differenzierung in lebende und tot geborene Ferkel entscheidend. Ziel ist es, die Anzahl der Ferkel durch eine Reduzierung der tot geborenen Ferkel zu erhöhen. Zudem werden die Geburtsgewichte erfasst, um möglichst homogene Würfe zu erhalten, sodass jedes Ferkel eine realistische Chance hat, sich zu entwickeln. In den Mutterlinien wird zudem auf die Mütterlichkeit geachtet. Dazu gehören zum Beispiel Merkmale wie Überlebensrate der Ferkel, Anzahl und Qualität der Zitzen, Wurfgewicht und Variation der Gewichte. Wichtig dabei ist, dass die geborenen Ferkel von der Sau selbst aufgezogen werden sollen. Dazu gehört die Milchleistung der Sau, die anhand des Gewichts nach drei Wochen erfasst wird. Für Sauen ist zudem das Merkmal Langlebigkeit etabliert und in allen Linien des Unternehmens wird das Merkmal Robustheit verfolgt.

Ressourcen sparen und Futtereffizienz steigern

Das Schweizer Zuchtunternehmen suisag setzt in puncto Nachhaltigkeit auf die Futterverwertung. So ist ein geringerer Futterverzehr laut Angaben des Unternehmens mit rund 20 Prozent im Zuchtziel der Vaterlinien verankert, um die Futterverwertung zukünftig noch weiter zu verbessern. Außerdem setzt das Unternehmen auf das Reduzieren von Tierverlusten, denn sie sind aus ethischer und nachhaltiger Sicht negativ. Verendete Tiere haben Ressourcen verbraucht, dienen aber letztlich nicht der menschlichen Ernährung. Zudem wird in der Schweiz seit Jahren auf geringe Ferkelverluste und Resistenzen gegen E. coli gezüchtet. In den Schweizer Mutterlinien wird darüber hinaus Wert auf die Ferkelaufzuchtrate der Saugferkel gelegt.

Das Unternehmen DanBred setzt bereits seit Jahren auf hochfruchtbare Sauen mit großen Würfen. Die Tiere sind zudem auf eine besondere Futtereffizienz gezüchtet. Sie kommen Untersuchungen zufolge auch mit reduzierten Phosphormengen in der Mast gut zurecht und erbringen gute Leistungen. So könne der direkte Nährstoffanfall auf den Betrieben reduziert werden.

Bei PIC ist die Futterverwertung sowohl in den Eber- als auch in den Sauenlinien verankert. In den Mutterlinien wird dabei die Frage verfolgt, wie viel Futter benötigt wird, um ein Qualitätsferkel zu erzeugen. Dabei spielt laut PIC unter anderem die Reife der Jungsau eine wichtige Rolle. Ist ihre Futtereffizienz gut, kann sie früher belegt werden. Für das Zuchtunternehmen spielt die tatsächliche Futterverwertung in der gesamten Kette – von der Sau bis zum schlachtreifen Mastschwein – eine wichtige Rolle. Zudem steht die Robustheit der Sauen im Fokus. In diesem Merkmalskomplex vereint das Zuchtunternehmen unter anderem das Fundament der Tiere und die Langlebigkeit der Sauen. Für das Bewerten der Fundamente hat PIC ein standardisiertes Verfahren entwickelt. Dabei werden verschiedene Gelenkspunkte mittels Video erfasst und von einer angelernten künstlichen Intelligenz bewertet. So kann nach Angaben von PIC sichergestellt werden, dass alle Sauen in ihren Fundamentnoten gleich bewertet werden.

Zucht auf Mütterlichkeit braucht mehr Forschung

Bei Topigs Norsvin hat das Zuchtziel Mütterlichkeit schon lange eine hohe Priorität im Zuchtziel. In der Vergangenheit stand das Merkmal Erdrückungsverluste zum Mindern der Saugferkelverluste im Fokus. Dies wird vor dem Hintergrund von Bewegungsbuchten und freiem Abferkeln auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Zusätzlich erfasst das Unternehmen im Projekt IMAGEN in Zusammenarbeit mit der Universität Wageningen Verhaltensmerkmale. In einem Maststall wurden Kameras über den Buchten mit Futterstationen platziert und die Tiere werden rund um die Uhr genau beobachtet. Ziel des Projekts ist es, jedes Schwein tierindividuell verfolgen zu können und eine künstliche Intelligenz zu entwickeln, die das Sozialverhalten der Tiere erfassen kann.

Suisag merzt seit Jahren aggressive Sauen, die Ferkel oder Menschen angreifen. So konnte das Unternehmen nach eigenen Angaben die Sauen über Generationen hinweg ruhiger und ausgeglichener züchten.

Bei PIC wird eine Sau gezüchtet, deren Mütterlichkeit sich darin zeigt, dass sie in der Lage ist, ihre Ferkel weitestgehend ohne menschliche Eingriffe aufzuziehen. Das Unternehmen weist aber auch darauf hin, dass es in der Praxis mit Bewegungsbuchten oder sogar freiem Abferkeln wieder vermehrt auf den tierindividuellen Mensch-Tier-Kontakt ankommt. Messbar sei dieses Merkmal aber noch nicht. Dafür benötige es weitere züchterische Grundlagenforschung. Im Bereich Sozialverhalten sehen auch die anderen Zuchtunternehmen zukünftig noch große Herausforderungen, denn dieses Merkmal kann nur indirekt züchterisch bearbeitet werden. Auch die Futterverwertung wird in Zukunft weiterhin eine wichtige Rolle spielen, denn das Schonen vorhandener Ressourcen ist nicht nur bei hohen Futterkosten wichtig, sondern auch ein gesellschaftlicher und politischer Anspruch an die Schweinehaltung. In beiden Merkmalskomplexen können Schweinehalter in Zukunft weitere Forschungsarbeit erwarten.

Klimaneutrales Fleisch: Diese Schweine sind gut für die CO2-Bilanz

Kommentare

agrarheute.comKommentare werden geladen. Bitte kurz warten...