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Tierhaltung

So diskutierte der Bundestag über Missstände in der Tierhaltung

am Donnerstag, 29.09.2016 - 10:30 (Jetzt kommentieren)

Die Grünen haben gestern im Bundestag eine Aktuelle Stunde zu 'Konsequenzen aus nicht tragbaren Verhältnissen in Tierställen' beantragt. Das waren die Argumente.

Bündnis 90/Die Grünen haben in der gestrigen Bundestags-Sitzung den Zusatzpunkt „Aktuelle Stunde zu Konsequenzen aus nicht tragbaren Verhältnissen in Tierställen“ beantragt. Anlass der Debatte waren die geheim gefilmten und veröffentlichten Aufnahmen der Tierrechtsorganisation Animal Rights Watch, über die in der ARD-Sendung Panorama berichtet wurde. Im Anschluss räumten Vertreter landwirtschaftlicher Verbände teilweise Versäumnisse in ihren Betrieben ein.

Parlaments-Fernsehen: Das war die Debatte

Position der Grünen

Friedrich Ostendorff, Die Grünen

Friedrich Ostendorff von den Grünen eröffnete die Diskussionsrunde und erklärte den Anlass: „Das Magazin Panorama zeigte in der ARD schreckliche und abstoßende Bilder aus dem Inneren der deutschen Mastindustrie. Die Menschen sind einmal mehr schockiert und entsetzt. Ein Desaster! Doch wer ist für diese Situation verantwortlich zu machen, Herr Minister (Christian Schmidt (CSU); Anm. d. Redaktion)? Die Betriebsleiter, die sich scheinbar nicht um ihre Tiere scheren? Tiere, die in den hermetisch abgeschotteten Hallen zu Kannibalen werden können und leider manchmal über einander herfallen?“

Er kritisierte

  • dass die Industrialisierung der Tierhaltung die Grenzen des Erträglichen überschritten habe
  • dass die Initiative Tierwohl seit dem Ausstieg des Tierschutzbundes Glaubwürdigkeitsprobleme habe
  • dass Agrarminister Christian Schmidt jahrelang "wertvolle Zeit vergeudet und die Interessen der Fleischindustrie zu seinem politischen Handeln erklärt" habe.

Ostendorffs Forderungen:

  • Die Ansprüche von Verbrauchern, Bauern und vor allem die Ansprüche der Tiere aber auch des Handels müssten in Einklang gebracht werden.
  • "Wir brauchen einen Neuanfang, um eine Tierhaltung zu entwickeln, die nicht nur Verlierer und millionenfaches Leid produziert" führte OStendorff aus.
  • Dass ein staatliches Tierwohlsiegel kommen soll, nehme Ostendorff dem Bundesagrarminister nicht ab.

Position von CDU/CSU

Dieter Stier, CDU/CSU

Dieter Stier (CDU/CSU) antwortete darauf, dass durchaus eine kritische Auseinandersetzung mit den von Panorama gezeigten Aufnahmen nötig sei. Er stimmte zu, dass das Tierwohl zu verbessern ist. Die gezeigten Aufnahmen seien Momentaufnahmen kranker Tiere, die bei Tieren auftreten können und nie ganz verhindert werden könnten. Keiner könnte jedoch beurteilen, inwiefern die Tiere gegen die Krankheiten behandelt werden.

Seine Schlussfolgerungen aus dem Beitrag seien aber völlig anders, er verurteilt das Vorgehen der Panorama-Redaktion:

  • Der Skandal sei, von den gezeigten Defiziten auf die gesamte deutsche Tierhaltung schließen zu wollen. Für Stier sei es „erschreckend, dass sich das beitragsfinanzierte öffentlich-rechtliche Fernsehen für eine solche Kampagne gegen die deutsche Landwirtschaft instrumentalisieren lässt.“
  • Der richtige Weg wäre nach Stiers Meinung gewesen, die Zustände umgehend dem zuständigen Veterinäramt zu melden.
  • "Wer Einbrüche unter Pressefreiheit deklariert, lebe außerhalb unserer Rechtsordnung" findet Stier.

Position der SPD

Wilhelm Priesmeier, SPD

Wilhelm Priesmeier ist tierschutzpolitischer Sprecher der SPD und Tierarzt. Er war „betroffen“ von den Bildern in Panorama und betont, dass seine Fraktion um die Schwierigkeiten in diesem Sektor wisse. Die Betriebe seien häufig überfordert in den Erwartungen der Gesellschaft und in den Handlungsmöglichkeiten. Seine Forderungen:

  • Das Tierschutzrecht müsse erweitert werden. Aktuell gebe es eine Schweinehaltungsrichtlinie von 1991 - und diese auch nur mit den damaligen Mindeststandards.
  • Im Europäischen Rechtsrahmen müssten gleiche Bedingungen für alle gelten.
  • "Wer höhere Tierwohl-Standards einhält, muss besser bezahlt werden. Dafür müssen die Produkte entsprechend gekennzeichnet sein" erklärte Priesmeier.

Position der Linken

Kirsten Tackmann, Linke

Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag, ist selbst Tierärztin und verurteilte den Zustand der in Panorama gezeigten Tiere. Sie wisse, dass es nicht in allen Ställen so aussehe. „Viele Tierhalter kämpfen seit Monaten ums Überleben und fühlen sich jetzt zu unrecht an den Pranger gestellt.“

Sie verurteile zwar das unbefugte Eindringen in Ställe und teile nicht die Position der Tierhaltungsgegner. Doch sie sehe sehr wohl die Probleme in der Nutztierhaltung: „Es macht Sinn, über die Botschaft zu diskutieren und nicht den Boten zu verteufeln.“ Ihre Hauptkritikpunkte:

  • Die Ursache der Probleme in der Nutztierhaltung sei, dass Tiere und menschliche Arbeitskraft zur Ware deklariert werden, die möglichst sein muss. Das sei ein Systemfehler.
  • Von diesem Systemfehler profitierten laut Tackmann nicht die Landwirte, die gerade ums Überleben kämpfen, sondern die Handels-, Molkerei- und Schlachtunternehmen, die nicht bereit sind, die Erzeugerpreise zu zahlen, die für gute Tierhaltung und Arbeitskosten gebraucht werden. „Ihr Geschäftsmodell beruht auf Ausbeutung und davor muss der Gesetzgeber schützen.“
  • Die Kontrollbehörden seienwachsender Erwartungen aus der Gesellschaft ausgesetzt und könnten die Anforderungen mit den bestehenden Gesetzen gar nicht durchsetzen.

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