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Geflügel

Tierquälerei in bayerischer Putenmastanlage?

am Dienstag, 13.05.2014 - 18:30 (Jetzt kommentieren)

SOKO-Tierschützer aus Augsburg wollen bei einem Putenmäster im bayerischen Landkreis Dillingen Missstände aufgedeckt haben. Eine Strafanzeige wegen Tierquälerei liegt vor. agrarheute.com hat recherchiert.

"Flatternde Tiere werden weggeworfen, Tiere brutal niedergeknüppelt, Tiere für den Verkauf ab Hof geschächtet und schwerstverletzte Puten leiden Tag für Tag im Massenstall." So steht es wörtlich in der Pressemitteilung der Tierrechtsorganisation SOKO. Die zugehörigen Bilder sind am Sonntagabend auf RTL in Spiegel-TV veröffentlicht worden. Mit versteckter Kamera haben die SOKO-Tierschutzermittler Aufnahmen bei einem Putenmäster aus dem bayerischen Landkreis Dillingen gemacht.
 
Die gezeigten Missstände konnte die Polizei vor Ort nicht feststellen. Auch die regelmäßigen Kontrollen durch den Amtstierarzt blieben bis dato ohne Einwände. Es werden Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aufnahmen laut. Inzwischen hat sich der Verabreitungsbetrieb Hubers Landhendl geäußert und den Vertrag  mit dem Lieferanten auf Eis gelegt. Die Vorwürfe prüft nun die Staatsanwaltschaft.

Aufnahmen aus einem Betrieb in Dillingen

Die aktuellen Aufnahmen aus einem Betrieb in Dillingen sollen "selbst die schlimmsten bisher bekannten Bilder aus der Putenmast übertreffen", schreibt die Tierrechtsorganisation in ihrer Pressemitteilung. "Wahllos drischt ein Arbeiter mit einem Knüppel auf die Puten ein, Tiere mit deutlichen Lebenszeichen werden zu den Toten in die Mülltonne geworfen. Vor der Tür schlitzt der Arbeiter teils verletzte Puten systematisch bei vollem Bewusstsein auf", heißt es im SOKO-Wortlaut aus der Mitteilung vom 12. Mai.

Die "SOKO Tierschutz" aus Augsburg hat sich auf investigative Recherchen zum Thema industrielle Landwirtschaft spezialisiert. Im vorliegenden Fall wollen die Tierschützer die Zustände bei Lieferanten von Hubers Landhendl dokumentierten. Zu den Kunden gehören Rewe, Edeka, Netto, Penny Höhenrainer, Vinzenz Murr, viele Metzgereien und das Oktoberfest.
Über zwölf Monate recherchierten die Tierschützer nach eigenen Angaben zu dem Thema und dokumentierten die Mast und Tötung der Tiere auf den Farmen, Antibiotikaeinsatz und das Verladen der Tiere.

Tierschützer müssen Gelände räumen

Am 30. April, noch vor der Ausstrahlung des Fernsehbeitrags, war die "SOKO Tierschutz" erneut auf dem Betrieb und hat die Polizei hinzugerufen. Wie Manfred Thiel, Sprecher der Polizei in Dillingen, sagte, konnte die Streife vor Ort keine Missstände feststellen. "Die Tierrechtsorganisation wollte uns Beweismittel zukommen lassen." Das sei aber bisher nicht geschehen, so Thiel gegenüber agrarheute.com.
 
Vor Ort sei es für die Beamten primär um die Tatsache gegangen, dass sich die SOKO-Tierschützer illegal auf dem Gelände aufhielten. Der Putenmäster habe eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch gestellt. Die Tierschützer erhielten die Aufforderung, das Gelände zu räumen, so Thiel.

Strafanzeige gegen Geflügelhalter gestellt

Gleich nachdem die Vorwürfe bekannt wurden, schaltete das Umweltministerium die zuständigen Behörden vor Ort ein.  Es habe sie "zu einer schnellstmöglichen und umfassenden Aufklärung der Vorwürfe aufgefordert", erklärt ein Sprecher der Umweltbehörde.
 
Dass ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetzt nicht ausgeschlossen werden kann, bestätige Peter Hurler, Sprecher des Landratsamtes in Dillingen. Gegenüber agrarheute.com sagte er: "Wir haben die Videoaufnahmen, die über Spiegel-TV und im Internet veröffentlicht wurden, gesichtet und bewertet." Daraufhin wurde eine Strafanzeige gegen den Geflügelhalter bei der Staatsanwaltschaft Augsburg gestellt.
 
Nach Bekanntwerden des Vorwurfs habe es keine Kontrolle vor Ort gegeben. Allerdings sei der Betrieb in Dillingen zuletzt am 22. April überprüft worden. Es sei vorab festzuhalten, dass es keine gesetzlichen Bestimmungen in der Hinsicht gebe, Betriebe unangekündigt zu kontrollieren, erklärt Hurler. "Sehr wohl ist der amtliche Tierarzt in 2013/14 vor Ort gewesen." Insgesamt 27 Mal, allein in diesem Jahr sollen es zehn Besuche gewesen sein.
 
"Es hat bei diesen Besuchen keine Hinweise auf Missstände in der Haltung gegeben", hält Hurler fest. "Nun obliegt es der Staatsanwaltschaft, wie mit dem Betrieb zu verfahren ist." Außerdem müsse sie prüfen, wie authentisch das Material ist.

Hubers Landhendl legt Vertrag auf Eis

Der österreichische Konzern "Hubers Landhendl" hat inzwischen den Vertrag mit dem besagten Lieferanten auf Eis gelegt. "Wir haben wir uns entschieden, bis zur vollständigen Klärung der Vorwürfe die vertragliche Beziehung zu dem betroffenen Landwirt vorläufig ruhend zu stellen", so ein Pressesprecher.
 
Zur Begründung heißt es: Zwar liege dem Konzern eine tierärztliche Stellungnahme des Tiergesundheitsdienstes Bayern e.V. vor. Diese zeige, dass sich bei den Kontrollen vor Ort "keine Hinweise auf Verstöße gegen das Tierschutzgesetz, Hygienerichtlinien oder Mängel in der Haltung" ergeben hätten. Die aktuellen und schwerwiegenden Vorwürfe gegen einzelne Betriebe geben dennoch Hinweise auf grobe Verfehlungen auf diesen Betrieben.

Gestellte Aufnahmen?

Ein Berufskollege des betroffenen Putenmästers, ebenfalls aus dem Kreis Dillingen, hegt seine Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aufnahmen. Vielleicht sind manche Szenen gestellt, gibt der Putenmäster im Gespräch mit agrarheute.com zu verstehen. "Was dran ist an den Vorwürfen, muss sich zeigen."
 
Seine Erfahrung im Umgang mit Kontrollen habe gezeigt: "Es gibt zwar keine unangekündigten Kontrollen. Doch manchmal liege zwischen Anruf und Besuch des Amtstierarztes nur eine halbe Stunde." Da müsse ein Betrieb schon gut laufen.
 
Aus seiner Sicht ist die Aktion eine "Panikmache" und "ein Schlag für die ganze Branche". "Wir Putenmäster haben eh einen schlechten Stand in der Öffentlichkeit, die Situation wird durch solche Berichte noch verschärft."   
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