Beim Naturschutzbund (NABU) gibt es offenbar – wieder einmal – einen Fall von Vernachlässigung. Der Bild-Zeitung wurden Aufnahmen vom 11. Mai zugespielt, die zeigen, wie auf einem niedersächsischen NABU-Hof ein mehrere Monate altes Heckrinderkalb in einem völlig ungeeigneten, mit Bergen von Matsch und nassem Heu bedeckten Auslauf liegt, unfähig sich zu erheben.
Erst nach Stunden soll Hilfe gekommen sein und das Tier wurde von einem Veterinär erlöst. Tierschützer hatten diese Aufnahmen gemacht und Beschwerde bei der Polizei eingelegt.
Vorfälle wiederholen sich
Das Schlimme an diesem Vorfall: Er ist mitnichten der erste seiner Art. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren bei NABU-Projekten zu toten oder massiv geschädigten Tieren infolge schwerer Vernachlässigung.
Und auch der aktuelle Fall hat bereits einen Nachfolger. In derselben Herde der „Landschaftspflege und Naturerlebnis gGmbH Ostfriesland“ ist Ende vergangener Woche ein stark lahmendes Kalb aufgefallen – allerdings, wie es scheint, wiederum zufälligen Passanten und nicht etwa den Verantwortlichen für die Tiere. Auch hier gingen Beschwerden bei der zuständigen Polizeidienststelle in Leer ein.
NABU-Prestigeobjekte mit schlechter Führung
Ob Wasserbüffel in Sachsen-Anhalt, Heckrinder in Thüringen* oder Konik-Pferde in Schleswig-Holstein – immer wieder fallen NABU-Projekte durch ihren verantwortungslosen Umgang mit Weidetieren auf.
Zwar weist der NABU in der Regel die Verantwortung von sich und belastet Angestellte oder Projektpartner vor Ort, aber die Spendengelder für diese Prestige-Unternehmen, die nicht selten mit viel Brimborium in der Presse lanciert werden, landen zunächst einmal auf den Konten der Organisation.
Natürlich heißt nicht vernachlässigt
Hinter diesen Vorfällen verbirgt sich ein tiefgreifendes Problem der Umweltorganisation: Sie betrachtet Tierhaltung vor allem dann als besonders artgerecht, tierfreundlich und naturnah, wenn der Mensch möglichst gar nicht eingreift. Die Natur wird’s schon richten.
Dass 2020 im Kreis Dithmarschen mehrere Pferde elend verhungerten, lag zum Beispiel unter anderem daran, dass die Tiere nur mit ausdrücklicher NABU-Erlaubnis hätten zugefüttert dürfen. Die Koniks, so lautete damals das Credo der Projektverantwortlichen, seien robuste Pferde, die auch andernorts (halb-)wild gehalten würden.
Es fehlt das Wissen um Tierhaltung
Dass man dennoch (wenigstens nach ein paar Jahren) die angestrebte Herdengröße überprüfen und mit dem Futterangebot abgleichen muss, dass bei suboptimalen, sehr feuchten Böden das Hufhorn in Locken wächst, wenn man es nicht kürzt, dass eine winzige Ursprungspopulation mal frische Gene braucht – all das überraschte die NABU-„Weidetierexperten“ offenbar.
Immerhin versicherte der Verband damals in einer Pressemitteilung: „Der NABU bedauert den Tod der Tiere. Auch als Naturschützer bekennen wir uns zu unserer Verantwortung und werden unsere internen Vorgänge nochmals überprüfen.“ Viel verändert hat sich danach wohl nicht. Oder die Landesverbände tauschen sich nicht aus und jeder lässt lieber seine eigenen Tierbestände die Wissensmängel ausbaden.
Gesetzesverstoß: keine Ohrmarken
In die aktuellen Vorkommnisse sei das Veterinäramt involviert und untersuche die Hintergründe, heißt es. Beim Sichten des Videomaterials fiel allerdings noch eine weitere Unterlassung auf, die bei kommerziellen Landwirten ernste Konsequenzen nach sich zöge: Keins der gefilmten Tiere trug eine Ohrmarke, obwohl die Kälber viel älter als die gesetzlich vorgeschriebenen sieben Lebenstage waren!
Beim Friesischen Verband für Naturschutz (FVN) hält sich die Überraschung in Grenzen: „Nicht zum ersten Mal verstößt eine vom NABU betriebene Anlage gegen Tierschutzgesetze. Es wundert uns, dass sowas immer noch möglich ist und hier nicht konsequent kontrolliert wird, wie woanders auch“, erklärte der 2. FVN-Vorsitzende Hero Schulte gegenüber der Bild-Zeitung.
Weniger Kontrollen dank Gemeinnützigkeit?
Verschont die Gemeinnützigkeit den NABU vor zu strengen Kontrollen? Es sieht fast so aus. Denn schließlich meint es der Verband doch gut mit Natur und Umwelt, was kann daran schon falsch sein? Hier geht es doch um die edle Sache und nicht ums Geldverdienen …
Dass für Projekte wie die oben genannten nicht nur Spendengelder in hoher Menge akquiriert werden, sondern dass auch ganz erhebliche EU-Subventionen in die Kassen des NABU und seiner Landesverbände fließen, wird dabei gern vergessen. 2020 rechnete die information.medien.agrar e.V. (i.m.a) aus, dass die NGO zu den größten institutiellen Subventionsempfängern hierzulande gehört. Insgesamt seien rund 3,9 Mio. Euro an den Nabu gegangen.
Es geht um viel Geld
2022 erhielten NABU-Verbände und -Projekte laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) alles zusammengerechnet sogar rund 5,5 Mio. Euro (inbegriffen unter anderem Basisleistungen, Greeningprämie, Erstattung Krisenrücklage, Ausgleichszahlungen, Umverteilungsprämie, Prämien für benachteiligte Gebiete, Dorferneuerung, Waldinvestitionen und Gewässerschutz).
Knapp 822.000 Euro davon gingen an den NABU-Bundesverband für sogenannte Basisdienstleistungen, unter anderem für Maßnahmen, die „dem Erhalt und der Stärkung einer wettbewerbsfähigen Landwirtschaft […]“ dienen. Und der Landesverband Niedersachsen, unter dessen Regie das Projekt „Landschaftspflege und Naturerlebnis gGmbH Ostfriesland“ läuft, bekam vergangenes Jahr gut 140.000 Euro aus dem EU-Fördertopf.
Es geht also durchaus um viel Geld, für das man professionelle Arbeit und eine korrekte Dokumentation erwarten könnte.
Nabu: Das schlechte Wetter war schuld!
Mittlerweile hat der NABU zu den Vorfällen in Ostfriesland Stellung genommen.
Das erste Tier sei am Vortag der Entdeckung durch andere Tierschützer (10. Mai) bei einer Fangaktion im Rahmen einer Blutuntersuchung verletzt worden. Wegen starken Regens habe man den Vorgang abbrechen müssen. Das Ausmaß der Verletzungen sei nicht erkennbar gewesen, man habe allerdings tags darauf einen Tierarzt mit der Einschläferung des Kalbs beauftragt. Warum das Tier stundenlang im Dreck liegen musste, wird nicht erörtert.
Woher und von wann die Verletzung des zweiten, inzwischen ebenfalls eingeschläferten Tiers stamme, werde bei einer Obduktion geklärt.
Dürftige Begründung für fehlende Ohrmarken
Und die fehlenden Ohrmarken? Die entschuldigt der NABU Niedersachsen ebenfalls mit "unglücklichen Umständen". Dass die diesjährigen Kälber noch nicht gekennzeichnet seien, sei – wie die missglückte Blutnahme – der Wetterlage und dem Personalmangel geschuldet. Fangaktionen könnten eben „in der extensiven Weidetierhaltung […] eine Herausforderung und mit Risiken der Arbeitssicherheit sowie Stress oder Verletzungen der Tiere verbunden sein“, deshalb müssten zuerst vakante Personalstellen besetzt werden.
Eine Ausrede, die man als praktischer Landwirt ohne NGO-Hintergrund vielleicht besser nicht beim zuständigen Amt testet …
* Nachtrag: Der NABU Thüringen weist noch einmal darauf hin, dass ihn an den Vorfällen 2019 in Thüringen keinerlei Schuld traf. Die Versäumnisse hätten ausschließlich beim betreibenden Landwirt gelegen. Hier können Sie die einzelnen Aussagen des NABU Thüringen noch einmal nachlesen.
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