Die beiden Kälber auf der NABU-Weide im Thedigaer Vorwerkinfolge kamen wahrscheinlich infolge einer Fangaktion zu Schaden, bei denen die Tiere routinemäßig geblutet werden sollten (agrarheute berichtete, siehe unten).
Nach Darstellung des NABU Niedersachsen war die heikle Situation infolge widriger Wetterumstände und Personalmangels entstanden und aufgrund der speziellen Haltungsweise mehr oder weniger unvermeidbar.
Ähnlich begründete der Verband die Tatsache, dass die diesjährigen Kälber in der Herde noch nicht gekennzeichnet waren. Man habe aber die Probleme selbst erkannt und sich um Abhilfe bemüht.
Landkreis Leer: NABU-Stellungnahme „in Teilen falsch“
In einer Presseinformation des Landkreises Leer, der die Hintergründe der Vorfälle untersucht hatte, stellt sich die Situation allerdings etwas anders dar.
Der NABU Niedersachsen habe eine Stellungnahme veröffentlicht, die in Teilen falsch sei. Die Blutentnahmeaktion auf der Weide der „Landschaftspflege und Naturerlebnis gGmbH Ostfriesland“ sei vom Kreisveterinäramt angeordnet, aber nicht mit diesem zusammen durchgeführt worden. Die Projektbetreiber hatten versäumt, das Amt über den Termin in Kenntnis zu setzen.
Die Aktion am 10. Mai, so der Kreis Leer, sei dann derart aus dem Ruder gelaufen, dass der beauftragte praktizierende Tierarzt sich gezwunden sah, das Veterinäramt zu verständigen. Eine Amtstierärztin habe das Ganze daraufhin abgebrochen, wohl vor allem, damit nicht weitere Tiere oder Menschen zu Schaden kommen.
Behörden waren nicht informiert
Nach Angaben des NABU habe man vom ersten der verletzten Kälber gewusst, die Situation beobachtet und – nachdem es dem Tier am nächsten Tag nicht besser ging – einen Tierarzt mit der Euthanasie beauftragt. Ursprünglich war auf der Internetseite des NABU Niedersachsen dazu zu lesen: „Mitarbeitende von Veterinäramt und NABU sowie Tierarzt waren vor Ort und hatten unmittelbar Kenntnis von diesem Ereignis“ (siehe Internet-Archiv).
Auch hier widerspricht der Landkreis. Dort heißt es, der NABU erwecke „fälschlicherweise den Eindruck, Mitarbeitende des Veterinäramtes hätten schon am 10. Mai Kenntnis davon gehabt, dass sich ein Tier verletzt hatte, welches dann tags darauf eingeschläfert werden musste. Diese Verletzung aber war der Behörde keineswegs bekannt; das Veterinäramt wurde darüber erst später informiert.“
Beim Lügen ertappt?
Inzwischen hat der NABU seine Stellungnahme angepasst und schreibt nun selbst, dass „bedauerlicherweise“ versäumt wurde, das Kreisveterinäramt rechtzeitig zu informieren. Als Erklärung steht am Kopf der Seite: „Durch die aktive Aufarbeitung der Vorfälle entsteht fortwährend ein weiterer Informationsgewinn, der mitunter auch zu Präzisierungen einzelner Aussagen führt.“
Dass das keineswegs proaktiv geschah, sondern die Aussagen erst überarbeitet wurden, als der Landkreis Leer dem NABU offen Falschbehauptungen vorwarf, ist nicht ersichtlich.
Strenge Auflagen des Kreisveterinäramts
Das Kreisveterinäramt hat aus den Vorgängen auf dem Hof Konsequenzen gezogen und entsprechende Maßnahmen angeordnet:
- Der NABU muss verantwortliche Betreuer für die Rinder- und Pferdehaltung auf der Weidefläche benennen.
- Es müssen Nachweise über Kotuntersuchungen auf Parasiten, tierärztliche Behandlungen und ein Konzept für die Tierhaltung vorgelegt werden.
- Der NABU muss die Kontrollen verbessern und zweimal täglich nach den Herden auf der Weide sehen. Die Beobachtung erfolgt von einem Traktor aus, um gefahrlos möglichst dicht an die Tiere heranzukommen.
- Durch Zufütterung mit schmackhaftem Futter sollen die stark verwilderten Tiere wieder daran gewöhnt werden, Menschen näher an sich heranzulassen.
- Es muss Tränkewasser zur Verfügung gestellt werden.
Landkreis stellt engmaschige Kontrollen in Aussicht
Der Landkreis Leer zieht aus den Geschehnissen und dem Verhalten der Verantwortlichen den eindeutigen Schluss, dass die Heckrinderhaltung unter den gegenwärtigen Umständen nicht möglich sei. Die angeordneten Maßnahmen seien daher vom NABU sofort umzusetzen. Es werde engmaschige amtliche Kontrollen geben.
Die fehlende Kennzeichnung von Tieren sowie ausstehende Untersuchungen nach Tierseuchenrecht stellten zudem Ordnungswidrigkeiten dar. Das zweite Jungrind, das am Montag, dem 22. Mai, getötet werden musste, sei zur Untersuchung in die Tierpathologie des Niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) in Oldenburg gebracht worden. Dort solle geklärt werden, ob ein Verstoß gegen den Tierschutz vorliege.
Zu dem Heckrinderprojekt seien bereits zahlreiche Hinweise beim Veterinäramt eingegangen. Diese, so der Landkreis, würden nun ausgewertet.
Update 27. Mai 2023: Der Landkreis Leer beendet dpa-Angaben zufolge das Nabu-Weideprojekt zum Winter dieses Jahres. Bei der Heckrinderhaltung der „Landschaftspflege und Naturerlebnis gGmbH Ostfriesland“ im Thedinger Forst und in Coldam seien zahlreiche Probleme aufgetreten, die aus Sicht des Landkreises der Nabu zu verantworten habe. Das teilte die Behörde am Freitag in Leer mit. Es habe Verletzungen gegeben, zudem seien Blutentnahmen nicht erfolgt und eine Reihe Tiere weise keine Ohrmarken auf.
Ob die Tiere geschlachtet oder auf andere Projekte verteilt würden, sei noch nicht entschieden und hänge auch von einem entsprechenden EU-Zertikat ab. Die ebenfalls zum Projekt zählenden 17 Konikpferde dürfen vorerst weiter auf den Flächen verbleiben.
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